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Quantencomputer: Aussichtsreiche Einbahnstraße

Auch nach dieser Cebit wird man noch keinen der prophetisch gelobten Quantencomputer in den Läden kaufen können. Die obskuren Wunderrechner stecken nach wie vor im wissenschaftlichen Experimentalstadium. Denn auf Quantenebene denkt es sich ganz anders als in der klassischen Welt. Mit verschränkten Informationen in einem Cluster zum Beispiel.
Bis auf den Nachnamen haben Quantencomputer reichlich wenig mit ihren elektronischen Kollegen gemeinsam. Es fehlen ihnen die Bildschirme, die Tastaturen und Mäuse, kein CD-Laufwerk streckt sich begeistert nach neuer Software aus, selbst den traditionell beige-grauen Kasten mit nervendem Lüfter sucht man vergebens. Stattdessen gibt es komplexe Laboraufbauten für optische oder magnetische Experimente. Und fragt man, was der Quanten"computer" denn schon kann, wird die Enttäuschung noch größer. Denn in den besten Fällen schafft der Stolz seines Entwicklerteams gerade einmal das Sesamstraßen-Spiel Welches-von-den-Dingen-ist-nicht-wie-die-anderen-?. Kein mitreißender Knüller.

Dennoch liegt in diesem Spiel die große Zukunft der Quantencomputer. Als Spezialisten für Aufgaben, die unter klassischen Bedingungen verlangen, tausend- und abertausendmal die gleichen Arbeitsschritte abzuspulen, sollen Quantencomputer dereinst gewaltige Datenbestände blitzschnell durchsuchen und so künstliches Denken auf einer Ebene möglich machen, die sich selbst Sciencefiction-Autoren bislang nicht wirklich auszumalen trauten. Der Trick dabei liegt in einer extremen Parallelverarbeitung: nicht nacheinander, sondern gleichzeitig alle Möglichkeiten zu überprüfen.

So etwas funktioniert nur in der Quantenwelt, also mit einzelnen Atomen und Photonen – oder zumindest überschaubaren Anzahlen davon. Hier gerät die Physik unseres Alltags an ihre Grenzen und der gesunde Menschenverstand ins Straucheln. Atome überlagern problemlos entgegengesetzte Drehungen, Photonen verschiedene Polarisierungen. Allerdings nur, solange niemand hinsieht. Schon die kleinste Messung zwingt das System in einen festgelegten Zustand und zerstört damit den Zauber des Gleichzeitigen. Dennoch: Das ist die Grundlage des Quantencomputers – seine Stärke sowie seine Schwäche.

In diese diffizile Genialität des Kleinsten behutsam kontrollierend einzugreifen, ist nicht so einfach. Kein Wunder also, dass die Quantencomputik sich vorerst noch mit den Problemen logischer Schaltungen – oder dem jeweiligen Äquivalent auf Quantenebene – herumschlägt. Eine Gruppe um Anton Zeilinger von der Universität Wien hat jetzt einen interessanten neuen Ansatz experimentell aufgegriffen und Wege geöffnet, an die zuvor kaum jemand gedacht hat: einen Einweg-Quantencomputer aus Licht.

Das Besondere der Technik ist eine weitere seltsame Eigenschaft von Quantenteilchen. Unter bestimmten Bedingungen lassen sich zwei oder mehr von ihnen so eng miteinander vermischen, dass sie fortan besser übereinander Bescheid wissen als menschliche Zwillinge. Zwei dieser so genannten verschränkten Photonen können beispielsweise ihre Polarisierung miteinander gekoppelt haben. Misst ein Forscher bei einem von ihnen eine horizontale Polarisierung, nimmt das andere Photon sofort eine senkrechte Polarisierung ein. Vor der Messung war die Verteilung der Schwingungsebenen hingegen unbestimmt. Die betreffende Eigenschaft ist irgendwie über die gekoppelten Partner verwischt.

Die Idee, der Zeilingers Team nachging, basiert nun auf verschränkten Photonen, die sich ihre Polarisationen teilen. Diesem System lässt sich eine Information auf Quantenebene – ein Qubit – aufdrücken. Anders als in den Speichern der klassischen Elektronenrechner ist dieses Qubit nicht lokalisiert und kann somit keinem einzelnen Photon zugeordnet werden.

Realisieren ließ sich dies einem ausgeklügelten Aufbau aus optischen Filtern, Kristallen und einem UV-Laser. Vier Photonen verschränkten die Physiker, mal linear hintereinander gesetzt, mal als zweidimensionalen Cluster. Versetzten sie eines der Photonen durch eine Messung in einen festgelegten Zustand, wurde dieses aus dem Verband ausgeschlossen. Die übrigen verschränkten Photonen reagierten entsprechend mit einer Anpassung ihrer überlagerten Zustände.

Dieses komplizierte Wechselspiel von Gleichzeitigkeiten und verschmierter Information hat zwei Folgen: Zum einen wird mit jedem vermessenen Photon der restliche Haufen kleiner, und wer einmal aus der Verschränkung geflogen ist, kommt so leicht nicht wieder hinein. Der Rechenprozess verläuft daher nur in eine Richtung, weshalb man von Einbahnstraßen- oder Einweg-Quantencomputern spricht.

Zum anderen lassen sich durch geschickte Anordnung der Photonen und bedachter Messschritte Rechenoperationen ausführen, ähnlich den bekannten NOT-, AND- und OR-Schaltungen klassischer Computer. Den Wissenschaftler gelang es sogar schon, das Sesamstraßenspiel mit einem einzigen Durchlauf zu lösen. Zwar nur mit vier Möglichkeiten, doch immerhin wären mit gewöhnlichen Algorithmen dafür im Schnitt 2,25 Zyklen notwendig gewesen.

Der eigentliche Vorteil des Einweg-Quantencomputers liegt aber in seiner – relativen – Bescheidenheit. Die notwendigen optischen Bauteile ließen sich im Prinzip auf winzige Chips schrumpfen, und die "Verdrahtung" erfolgt während der Verschränkung, sodass eine Vielzahl unterschiedlicher Schaltungen und Algorithmen umzusetzen wäre. Hintereinander gesetzt könnten mehrere Cluster sich gegenseitig mit Eingaben und Ergebnissen bedienen, was die Flexibilität noch mehr erhöhen würde.

Doch das sind Aufgaben für die weitere Forschung. Bis unsere Kinder beim Schauen der Sesamstraße einen Quantencomputer um Rat fragen können, werden mit Sicherheit noch einige Jahre vergehen. Diese Vorhersage lässt sich sogar ganz ohne Computer treffen.

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