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Aussterben: Massengrab vom Tag des Einschlags?

In North Dakota haben Paläontologen massenhaft versteinerte Tiere und Pflanzen gefunden, die unmittelbar nach dem Einschlag von Chicxulub entstanden sein könnten.
Fischfossilien

In der Lagerstätte herrscht das reinste Chaos: Fossilien von Süßwasserfischen liegen direkt neben ozeanischen Ammoniten, Mosasauriern, Federn, Bäumen, Insekten und sogar einem Triceratops. Dazu finden sich Glaskügelchen und höhere Konzentrationen an Iridium – was Paläontologen um Robert DePalma von der University of Kansas in der »PNAS« zu einem eindeutigen Schluss kommen lässt: Die Fundgrube entstand unmittelbar nach dem Chicxulub-Einschlag vor 66 Millionen Jahren, der letztlich wohl das Aussterben der Dinosaurier verursachte. Die heute als Hell Creek bekannte Lagerstätte lag damals mehr als 3200 Kilometer vom unmittelbaren Impakt entfernt, doch regneten hier schon weniger als 15 Minuten später zu Glas geschmolzene Gesteinskügelchen – so genannte Tektite – und anderes Auswurfmaterial vom Himmel.

Hell Creek war damals ein Flusstal, das in einem Binnenmeer endete, welches wiederum über ein Stromsystem den Arktischen Ozean mit dem Vorläufer des Golfs von Mexiko verband. Der Asteroideneinschlag löste gewaltige Beben aus, die nach heutigen Maßstäben eine Stärke von 10 oder 11 hatten. Dadurch schaukelten sich auch in dem Binnenmeer riesige Wellen auf, die letztlich Land- und Wasserbewohner zusammenspülten. Bis zu zehn Meter waren diese Wellen hoch, als sie durch das Flusstal rasten. Während sich das Wasser zurückzog, wurde dieser Friedhof weiterhin von zu Glas geschmolzenen Gesteinskügelchen bombardiert, die sich unter anderem in den Kiemen einiger fossiler Fische finden. 10 bis 20 Minuten nach der ersten Flut folgte eine zweite Riesenwelle, die schließlich die gestrandeten und zusammengeworfenen Tiere und Pflanzen endgültig mit Kies, Sand und Schlamm überdeckte – und so ihre Versteinerung ermöglichte. Nach Schätzungen der Forscher könnten hier tausende Fische liegen, zusammen mit den Überresten zahlreicher anderer Lebewesen. »Das könnte das erste Massengrab größerer Organismen sein, das mit der Kreide-Paläogen-Grenze verbunden werden kann«, so DePalma in einer Mitteilung. Die Kreide-Paläogen-Grenze markiert das Ende der Dinosaurier und kann weltweit durch die charakteristische hohe Iridium-Konzentration in der entsprechenden Sedimentschicht nachgewiesen werden.

Auch unmittelbar über der Hell-Creek-Lagerstätte findet sich Iridium. Zudem schließt sich darüber eine Schicht an, in der fossile Farne dominieren – typische Gewächse eines sich langsam erholenden Ökosystems. Durch den Einschlag starben etwa 75 Prozent der damaligen Arten aus; neben den Dinosauriern zum Beispiel auch die Pterosaurier und sogar 93 Prozent aller Planktonspezies. Für einen plötzlichen und massenhaften Tod fast aller Organismen spricht auch, dass die Wissenschaftler bislang keine Spuren von Aasfressern an den Fossilien gefunden haben: Sie starben ebenfalls beziehungsweise Überlebende kamen nicht an die Überreste heran, weil sie komplett und dick von weiteren Sedimenten begraben wurden. Unter den bislang gefundenen Fossilien befinden sich zudem einige bislang nicht bekannte Arten, so die Paläontologen.

DePalma betont, dass die Fundstätte belege, wie die schiere Wucht des Einschlags auch Gebiete in größerer Entfernung zum Impaktort rasch vernichten konnte: »Tsunamis hätten die Region erst etwa 17 Stunden später erreicht. Die seismischen Wellen und die dadurch ausgelösten Wellen im Binnenmeer trafen dagegen schon in 10 bis 20 Minuten hier ein.« Die auf das Land gespülten Fische, darunter viele Störe, atmeten dann über ihre Kiemen die Glaskügelchen ein, die vom Himmel prasselten – sie fanden sich häufiger in diesem Körperteil. Zeitlich fanden beide Ereignisse also unmittelbar nacheinander statt.

Sollten sich die Datierungen bestätigen, würde der Fund auch die These bekräftigen, dass tatsächlich ein Asteroid das Ende der Dinosaurier bedeutete. Eine Minderheit unter Geologen und Paläontologen führt dies dagegen auf große Vulkanausbrüche in Indien zurück, die das Weltklima entscheidend veränderten und so schon hunderttausende Jahre vor Chicxulub den Niedergang der Riesen einläuteten. In der Hell-Creek-Formation fanden sich hingegen Überreste eines Triceratops und eines Hadrosauriers. Ihr Tod lässt sich bislang noch nicht zweifelsfrei auf den Impakt zurückführen, doch tauchen sie in Gesteinsschichten auf, die kaum älter sind als das Material rund um den Einschlag – sie hatten also zumindest bis kurz vor der Katastrophe als Arten überlebt.

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