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Autismus: Autismusrisiko? Trumps unbelegte Paracetamol-Warnung

Donald Trump hat eine Verbindung gezogen zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und einem erhöhten Autismusrisiko für die Kinder. Belegt hat er das nicht.
Eine Nahaufnahme von mehreren weißen und roten Tabletten auf schwarzem Hintergrund. Auf einer der weißen Tabletten ist der Text "TYLENOL ER" eingeprägt. Die roten Tabletten haben die Zahl "500" eingeprägt. Das Bild zeigt eine Mischung von Medikamenten in Kapselform.
Der Wirkstoff Paracetamol, auch als Acetaminophen bezeichnet, lindert Schmerzen und senkt Fieber. Oft wird er in Tablettenform verabreicht. In den USA ist er unter dem Markennamen Tylenol bekannt.

US-Präsident Donald Trump hat Schwangere pauschal davor gewarnt, das fiebersenkende Schmerzmittel Paracetamol einzunehmen. Er zog eine Verbindung zwischen dem Gebrauch dieses Mittels und einem erhöhten Autismusrisiko für die Kinder. Mehrmals sagte Trump: »Nehmen Sie kein Tylenol«; unter diesem Markennamen wird Paracetamol in den USA verkauft. Belege für seine Äußerungen lieferte der US-Präsident nicht.

Mehrere Fachleute haben umgehend klargestellt, dass der von Trump behauptete Zusammenhang wissenschaftlich nicht untermauert ist. »Autismus hat keine einzelne bekannte Ursache«, sagte die Entwicklungspsychologin Hannah Kirk von der Monash University in Melbourne dem australischen Science Media Center (AusSMC). Hunderte Gene stünden mit der Entwicklungsstörung in Verbindung; es gebe jedoch keine Studie, die gezeigt habe, dass Paracetamol Autismus verursache. Eine kürzlich durchgeführte, groß angelegte Untersuchung, bei der rund 2,5 Millionen Geburten analysiert und die medizinischen Daten von Geschwistern verglichen wurden, habe keinerlei Zusammenhang zwischen Paracetamol und Autismus belegt. Hingegen bringe Fieber während der Schwangerschaft die Gefahr von Schwangerschaftskomplikationen mit sich; es mit Paracetamol zu behandeln, könne diese Risiken oft mindern. Schwangere sollten bei der Behandlung von Schmerzen und Fieber weiterhin den Rat ihrer Ärztin oder ihres Arztes befolgen.

Auch der Mediziner Kevin Yap von der Duke-NUS Medical School in Singapur betonte gegenüber dem AusSMC, dass kausale Zusammenhänge zwischen Paracetamol-Gebrauch und Autismus nicht nachgewiesen seien. Es gebe einige Hinweise auf mögliche Assoziationen, diese seien jedoch methodisch fragwürdig. Nutzen und Risiko einer Paracetamol-Einnahme während der Schwangerschaft, etwa um Fieber und Schmerzen der Mutter zu behandeln, sollten stets von den behandelnden Ärzten abgewogen werden. In der gleichen Weise äußerte sich der Autismusexperte Andrew Whitehouse vom Kids Research Institute Australia.

Der Begriff »Autismus« deckt verschiedene Diagnosebilder ab, die in der Medizin als Autismus-Spektrum-Störungen zusammengefasst werden. Etwa seit dem Jahr 2000 steigen weltweit die Zahlen der Autismusdiagnosen. Das gilt ebenso für Deutschland. Warum, ist weitgehend unklar. Autismus scheint vor allem genetisch bedingt zu sein, eine Veränderung der wesentlichen Ursachen ist somit unwahrscheinlich. Eine Rolle könnte spielen, dass Eltern ihre Kinder heute im weltweiten Schnitt immer später bekommen, was die Mutationslast der Keimzellen erhöht haben könnte.

Es werden noch verschiedene andere Gründe diskutiert: Ein wachsendes Bewusstsein für Neurodiversität könnte die Diagnostik verbessert haben; veränderte psychiatrische Klassifikationssysteme könnten die Diagnosezahlen bei Erwachsenen nach oben treiben; Unterschiede im Zugang zum Gesundheitssystem könnten die Daten verfälschen; gestiegene kognitive Anforderungen im Alltag könnten mehr Menschen an eine Grenze bringen, ab der sie im täglichen Leben beeinträchtigt sind. Spekuliert wird weiterhin, dass neurotoxische Substanzen in der Umwelt wie Nikotin, Pestizide oder Weichmacher die frühkindliche Hirnentwicklung beeinflussen könnten; kontrollierte Studien hierzu sind jedoch kaum möglich. Offensichtlich handelt es sich beim weltweiten Anstieg der Autismusdiagnosen um ein komplexes, vielschichtiges Phänomen mit sehr vielen Einflussfaktoren.

Schon früher ist Trump immer wieder mit Aussagen aufgefallen, die aus wissenschaftlicher Sicht höchst zweifelhaft sind. So hatte er während der weltweiten Covid-19-Pandemie die Idee geäußert, dass man Coronainfizierten ein Desinfektionsmittel spritzen könne, um die Infektion zu bekämpfen. Diese Aussage hatte weltweit zu Entsetzen geführt. (mit Material der dpa)

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