Direkt zum Inhalt

Biophysik: Automatische Fußpflege

Jede noch so glatte Wand erklimmen sie leichtfüßig, um dann mühelos an der Zimmerdecke zu kleben - Geckos scheren sich anscheinend nur wenig um die Gesetze der Schwerkraft. Und auf aufwändige Maniküre zur Erhaltung dieser Klebkraft verzichten sie ganz.
<i>Gekko gecko</i>
Es kann nur Zauberei im Spiel sein, wenn ein Gecko die Wand senkrecht nach oben rennt oder gar von der Zimmerdecke baumelnd auf Beute lauert. Dabei scheint es der Echse völlig gleichgültig zu sein, ob sie auf rauem Mauergrund oder glatter Glasfläche auf Pirsch geht – die Bodenhaftung bleibt mühelos erhalten.

Erst vor wenigen Jahren konnten die Forscher um Kellar Autumn vom Lewis & Clark College in Portland den Klebekünstlern endgültig auf die Schliche kommen: Nicht – wie viele Kollegen von Autumn vermutet hatten – Kapillarkräfte des Wassers sorgen für den festen Halt, sondern Van-der-Vaals-Wechselwirkungen: Nähern sich zwei Moleküle einander, können kurzzeitig ihre Elektronen aufeinander abgestimmt werden, sodass winzige Dipole entstehen, die sich wiederum gegenseitig anziehen.

Geckofuß | Die Zehen eines Geckos (Gekko gecko) bestehen aus klebrigen Lamellen mit Millionen winziger Härchen, den Setae. Die gängige Theorie sagt, dass Van-der-Waals-Kräfte zwischen Setae und Untergrund für den nötigen Halt sorgen – auch auf senkrechten Flächen.
Eine einzige Van-der-Waals-Bindung bleibt vernachlässigbar klein, wenn sich jedoch Myriaden dieser elektrodynamischen Brücken addieren, kommen ansehnliche Kräfte zu Stande. Und die Geckos – wie auch andere Kletterkünstler aus dem Tierreich – haben es verstanden, die Oberfläche ihrer Füße enorm zu vergrößern. Denn auf ihren Sohlen sitzen Millionen kleiner Härchen, die Setae, die wiederum in winzigen Ballen, den Spatulae, auslaufen.

So weit, so klebrig. Das Ganze funktioniert jedoch nur, wenn die Haftflächen schön sauber bleiben – Dreck verhindert das Klebewunder. Andererseits sollte Klebstoff, wie jeder Bastler aus leidiger Erfahrung weiß, Schmutz geradezu magisch anziehen. Die Geckos müssten also mit permanenter Fußpflege beschäftigt sein – sind sie aber nicht. Im Gegenteil, weder lecken sie an ihren Füßen, noch sondern sie irgendwelche Sekrete zur Maniküre ab.

Zusammen mit Wendy Hansen hat sich Autumn daher wieder mit den Klebekünsten der auf Grund ihrer charakteristischen Rufe auch Tokee genannten Art Gekko gecko beschäftigt: Die beiden Forscher verschmutzten einfach die Füße ihrer Versuchstiere mit künstlichem Dreck. Wie erwartet, ließen die Kletterkünste der Geckos zunächst nach. Doch nach nur wenigen Schritten konnten sie wieder elegant die Wände hinauf laufen – auf sauberen Sohlen.

Als Hansen und Autumn daraufhin das Experiment mit isolierten Setae wiederholten, erhielten sie das gleiche Ergebnis: Der Schmutz blieb auf den Härchen nicht haften, der Gecko-Klebstoff erwies sich als selbstreinigend. Wie Berechnungen der Forscher ergaben, ist die Anziehung zwischen Schmutzteilchen und Setae geringer als zwischen den Partikeln untereinander, sodass im Endeffekt die Härchen von allein – ohne aktives Putzen – sauber bleiben.

"Unser mathematisches Modell lässt vermuten, dass die Selbstreinigung der Gecko-Setae ein geometrisches und kein chemisches Phänomen ist", erläutert Autumn – nicht ohne auch gleich über die Zukunft zu spekulieren: "Das bedeutet, dass ein künstlicher selbstreinigender Klebstoff aus einer Vielzahl von Materialien hergestellt werden könnte. Die Möglichkeiten zukünftiger Anwendungen eines trockenen, selbstreinigenden Klebstoffs sind enorm. Wer weiß – vielleicht wird eines Tages ein von Geckos inspirierter Roboter mit klebrigen, selbstreinigenden Füßen auf der staubigen Oberfläche des Mars herumspazieren."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.