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News: Bakterielle Locken

Als typisches Merkmal der Alzheimer-Krankheit gilt die Ablagerung bestimmte Peptide im Gehirn. Doch ob diese so genannten Plaques wirklich die zerstörerische Krankheit auslösen oder nur als begleitendes Symptom auftreten, bleibt schleierhaft. Jetzt entdeckten Wissenschaftler, dass auch Bakterien ähnliche Fasern ausbilden können. Damit scheinen die Plaques mehr als ein "Betriebsunfall" der Natur zu sein.
Es beginnt meist harmlos: Kleinigkeiten werden vergessen, leichte Orientierungsprobleme treten auf, das Sprechen fällt schwer. Doch die Krankheit schreitet erbarmungslos fort – bis zur völligen Zerstörung der Persönlichkeit. Morbus Alzheimer – benannt nach dem Neurologen Alois Alzheimer (1864-1915) – gilt als die häufigste Form der Demenz. Fünf Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre und 20 Prozent der über 80-Jährigen sind in den Industrieländern von der zerstörerischen, immer noch unheilbaren Krankheit betroffen.

Bereits Alois Alzheimer entdeckte in den Gehirnen verstorbener Patienten kugelförmige Peptidablagerungen, die er "senile Plaques" nannte. Inzwischen kennt man den chemischen Aufbau dieser auch beta-Amyloid genannten Peptide; ob sie die Krankheit unmittelbar auslösen oder nur als begleitendes Symptom auftauchen, bleibt allerdings nach wie vor rätselhaft. Doch betrachtet die Wissenschaft diese Plaques bisher als krankhafte Erscheinung, die nur bei höheren Organismen vorkommt.

Weit gefehlt, sagt Matthew Chapman von der Washington University. Zusammen mit seinen Kollegen untersuchte er faserartige Strukturen, die von dem Bakterium Escherichia coli gebildet werden. Diese Fasern, die auch bei anderen Bakterien wie Salmonella auftreten, werden von Mikrobiologen aufgrund ihres lockenartigen Aussehens als curli bezeichnet. Mit ihnen vernetzen sich die Mikroorganismen zu Biofilmen und steigern damit ihre Abwehrfähigkeit gegen Antibiotika.

Bei der Analyse der curli von E. coli zeigte sich eine verblüffende Ähnlichkeit zu den Amyloid-Plaques. Dabei gibt das Bakterium Proteine namens CsgA an das Außenmedium ab. Diese Proteine verbinden sich mit CsgB, das als "Kondensationskeim" in der Bakterienzellwand die schnelle Vernetzung der Proteine auslöst. Die Folge ist ein engmaschiges Netz, mit denen sich die Bakterien untereinander zu einem undurchdringlichen Biofilm zusammenschließen.

"Dies ist das erste Beispiel für eine molekulare Maschinerie, die Amyloide produziert", betont Arbeitsgruppenleiter Scott Hultgren. "Gleichzeitig zeigt es uns, dass die Amyloid-Produktion nicht immer als Fehlfunktion aufzufassen ist." Die Wissenschaftler hoffen, mit E. coli die Bildung der Plaques besser zu verstehen und eventuell sogar Mittel für ihre Bekämpfung finden zu können. Und vielleicht, so spekulieren die Forscher, könnten bakterielle Infektionen bei der Alzheimer-Krankheit eine bisher noch unbekannte Rolle spielen.

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