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News: Bakterieller Metalldetektor

Sie kommen zu Abermillionen in sauerstoffarmen Sümpfen, Reisfeldern und metallhaltigen Böden vor und fristen dort ihr unbewegtes, karges Dasein. Aber unterschätze niemals ein Bakterium: Einige der harmlosen Bodenbewohner überraschten Wissenschaftler jetzt mit ein paar bislang unbekannten Tricks. Vielleicht sind sie sogar geeignet, eine zweite Karriere als Bodensanierer zu starten.
Bei Menschen ist es nur ein geflügeltes Wort, bei Bakterien aber stimmt die Redewendung "Nomen est omen" häufig. Ein schönes Beispiel dafür ist der kleine Organismus namens Geobacter metallireducens. Hierbei handelt es sich um ein im Boden (Geo-) lebendes Bakterium (-bacter), welches in der Lage ist, Metalle (metalli-) zu reduzieren (-reducens). Bei diesem Reduktionsprozess überträgt Geobacter Elektronen, meist auf Eisen oder Mangan, und gewinnt dabei die für sein Überleben notwendige Energie. Das Bakterium benötigt also Metall genauso wie wir die Luft zum Atmen: Tatsächlich bezeichnen Biologen diese Art der Energiegewinnung manchmal auch als "Metallatmung".

Probleme bekäme der kleine Kerl demnach, wenn ihm die Luft ausginge: dann also, wenn ihm keine brauchbare Metallverbindung Elektronen-aufnahmebereit zur Verfügung stünde. Eisen und Mangan verbreiten sich zumal naturgemäß nicht so leicht wie der von uns eingeatmete, gasförmige Sauerstoff – ein nicht zu unterschätzendes Ressourcen-Problem also für das einfach zylinderförmige Geobacter-Stäbchen, von dem man bislang annahm, es könne sich nicht einmal gerichtet fortbewegen.

Jetzt haben Forscher von der University of Massachusetts die jüngst in Zusammenarbeit mit dem Institute of Genomic Research entschlüsselten Gensequenzen von Geobacter unter die Lupe genommen – und sind auf die Idee gekommen, dass der Bodenbewohner womöglich mehr kann, als ihm bislang zugetraut wurde.

Versteckt in der Bakterien-DNA fanden Derek Lovley und Susan Childers die Konstruktionsanleitung für so genannte Flagellen oder Bakterien-Geißeln: Mit diesen langen, peitschenförmigen Zellanhängen können sich andere Bakterienspezies vorwärts bewegen. Nur hatte bisher noch nie ein Wissenschaftler Flagellen an Geobacter beobachtet. Nutzt das Bakterium seine genetische Information also gar nicht oder möglicherweise nur in bestimmten Situationen?

Lovley und Childers machten die Probe aufs Exempel und untersuchten verschiedene Geobacter-Stämme, die auf unterschiedlichen Metallsubstraten gezüchtet worden waren. Sie fanden heraus, dass das Bakterium tatsächlich Flagellen ausbilden kann – und zwar dann, wenn es auf unlöslichem Fe(III)- oder Mn(IV)-Oxiden heranwuchs. Offenbar regelt nur die verfügbare Metallqualität die Ausbildung der Fortbewegungswerkzeuge.

Eine weitere überraschende Entdeckung machten die Forscher: flagellenbewehrte Geobacter folgen sogar gerichtet einer Spur von wasserlöslichen Verbindungen, die bei der bakteriellen Metallatmung entstehen können. Offensichtlich sind die Bakterien auf diese Weise in der Lage, neue lohnende Metalloxidvorkommen aufzusuchen – und sich dort auch gleich festzuheften, denn die zur Verankerung auf dem Substrat notwendigen, so genannten Pili werden in diesem Fall ebenfalls ausgebildet.

Die clevere Strategie, ihre Fortbewegungswerkzeuge und Metalldetektoren nur im Bedarfsfalle zu bilden, macht Geobacter sehr erfolgreich: Die Spezies ist im Boden viel häufiger und weiter verbreitet als die bakterielle Konkurrenz Shewanella und Geothrix, die ebenfalls reduzierbares Metall benötigt. Den trickreichen Geobactern könnten zukünftig aber noch größere Aufgaben bevorstehen. So ließen sie sich vielleicht bei der biologischen Entgiftung verunreinigter Böden eingesetzten, beispielsweise bei der Entfernung von Uranverunreinigungen. "Geobacter entfernt zwar das Uranmetall nicht, überführt es aber von einer wasserlöslichen in eine unlösliche Form und sorgt damit dafür, das es nicht weiter über das Grundwasser verbreitet wird.", sagt Lovley – eine strahlende Karriere für den bakteriellen Metallverarbeiter.

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