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Parasitismus: Bakterien stellen Fliegen die Sexfalle

Schmarotzer oder Wohltäter? Komische Frage bei einem Bakterium, das seinen Wirt oft einfach umbringt. Allerdings hat dieser vorher mehr Sex …
Eine Drosophila melanogaster sitzt auf einem Grashalm

Parasiten sind bekannt dafür, ihre Wirte in ihrem Sinn zu manipulieren: Wer erinnert sich nicht an die Saugwürmer, die Schneckfühler dick pulsieren lassen, um ihren Endwirt Vogel zum Fraß einzuladen. Oder ihre Verwandten, die Ameisen zum Ausflug ins Schafsmaul überreden? Oder die Katzenschmarotzer, die aus dem Mäusehirn heraus dafür sorgen, dass Mäuse sich angstfrei-übermütig vom Stubentiger fressen lassen? Ergänzen kann man dies jetzt mit einer schönen Geschichte, die nun Bill Hansson vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena im Fachblatt "Nature Communications" erzählt: Sie handelt von Taufliegen-Bakterien, die einen Weg gefunden haben, leichter neue Taufliegen zu infizieren – indem sie die Pheromonproduktion der Insekten deutlich ankurbeln und damit mehr potenzielle Opfer herbeiholen.

Im Zentrum des Geschehens steht Pseudomonas entomophila, ein Bodenbakterium, das allerdings gern auch Taufliegen infiziert und erwachsene Tiere wie Larven töten kann. Damit gehört der Erreger eher zu den Ausnahmen, weil die Abwehrkräfte der Insekten in der Lage sind, bakterielle Infektionen im Normalfall effizient abzuwehren. Unter anderem vermuteten Forscher, könnte die Resistenz der Insekten auch daran liegen, dass die Fliegen kranke Artgenossen am Geruch erkennen und meiden. Eben dies hatte das Forscherteam um Hansson eigentlich untersuchen wollen – und wurde vom Ergebnis überrascht. Denn sie beobachteten im Gegenteil, dass mit P. entomophila infizierte Fliegen nicht gemieden, sondern im Gegenteil sogar häufiger von Artgenossen besucht werden. Das hatte einen einfachen Grund: In den Ausdünstungen und dem Kot von infizierten Insekten erhöhte sich drastisch die Menge von Pheromonen wie Methyllaurat, Methylmyristate und Methylalmitat – die alle eine Rolle bei der sozialen Kommunikation der Fliegen spielen und der Anlockung und Versammlung sowie als Sexhormon dienen.

Diese Wirkung ist ganz offensichtlich im Interesse der Pseudomonas-Keime, die im pheromonbedingt dichteren Gedränge leichter neue Insekten infizieren. Tatsächlich scheinen die Bakterien die Pheromonproduktion auch aktiv anzukurbeln, wie die Forscher weiter herausfanden. Denn stets erst eine gewisse Zeit nach der Infektion beginnen die Pheromonwerte deutlich anzusteigen. Zwar sind die biochemischen Details noch nicht völlig klar, aber offenbar haben die Bakterien einen Weg gefunden, das durch sie angestachelte Immunsystem der Fliegen subtil zu manipulieren: Sobald es anspringt, werden auch mehr Pheromone produziert. Das funktioniert – allerdings deutlich schlechter – sogar wenn die Insekten mit toten Bakterien künstlich geimpft werden. Andere Keime neben den Pseudomonasspezialisten hatten dagegen keinen Einfluss auf die Pheromonmenge, wie die Forscher überprüften.

Am Ende blieb den Forschern noch zu testen, ob durch die kontakt- und sexfördernden Bakterien überhaupt ein Schaden für die Taufliegenpopulation entsteht – denn zwar können einzelne Tiere sterben, insgesamt dürfte aber auch der Fortpflanzungserfolg allgemein, angeschoben von außen, ansteigen. Die Berechnung zeigt allerdings, dass dieser Vorteil die Nachteile der Infektion nicht ausgleicht – und so ist der Erreger kein Symbiont, sondern bleibt eben ein Schmarotzer.

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