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Spintronik: Bakterien steuern Elektronenspins

Ein seltsamer Effekt macht ein Bakterienprotein zu einem möglichen Bauteil für zukünftige Computer, die den Elektronenspin als Informationsträger nutzen.
Künstlerische Darstellung von Vibrio-Bakterien.

Im Schlamm eines Sees in den USA lebt ein Bakterium, das Gestein atmet, und zwar mit Hilfe präzise ausgerichteter Elektronenspins. Der Mikroorganismus Shewanella oneidensis gewinnt Energie, indem er Elektronen auf Minerale außerhalb der Zelle überträgt – also sie quasi »nackt« aus der Zelle hinausschafft. Dieser Elektronenstrom ist spinpolarisiert, berichtet nun eine Arbeitsgruppe um Ron Naaman vom Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rehovot – die Drehachse fast aller Elektronen zeigt in die gleiche Richtung.

Das Bakterium leitet die Elektronen aus seiner Atmung mit Hilfe eines Cytochrom-Proteins, in dem zehn von Ringen umschlossene Eisenatome einen leitfähigen Tunnel durch die undurchlässige Zellmembran bilden. Nach dem Durchqueren eines Tunnels haben nahezu alle Elektronen den gleichen Spin, berichtet das Team im »Journal of the American Chemical Society«. Insbesondere hänge die Richtung des Spins von der Händigkeit des Cytochroms ab. Das Resultat zeige, dass biologische Moleküle womöglich als Basis für Spintronik dienen können, eine bisher weitgehend hypothetische Computertechnik auf der Basis von Spins und Magnetfeldern.

Elektronen spielen nicht nur in der Elektronik, sondern auch in der Biologie eine ganz entscheidende Rolle. Alle Lebewesen gewinnen ihre Energie dadurch, dass sie Elektronen aus energiereichen Stoffen in energieärmere Verbindungen fließen lassen – und mit der Differenz ihre eigenen chemischen Reaktionen antreiben. Besonders ist bei Shewanella oneidensis nur, dass der Empfänger der Elektronen außerhalb der Zelle sitzt. Deswegen braucht der Mikroorganismus einen Draht aus zehn hintereinander angeordneten Häm-Einheiten – ein ringförmiges Molekül aus Kohlenstoff und Stickstoff, in dessen Zentrum ein Eisenatom sitzt. Auch bei Menschen kommt Häm in roten Blutzellen vor, es bindet im Hämoglobin Sauerstoff.

Im Bakterium dagegen fließen zwischen den aufgereihten Eisenatomen die Elektronen von innen nach außen. Genauer gesagt, springen sie. Mit welcher Wahrscheinlichkeit sie zum nächsten Eisenatom springen, bestimmt anscheinend die »Händigkeit« des gesamten Cytochrom-Proteins. Für diesen als chiralitätsinduzierte Spinselektivität (CISS) bezeichneten Effekt gibt es bisher keine wirklich zufrieden stellende theoretische Erklärung – er verwandelt den Nanodraht des Bakteriums effektiv in eine Art spintronischen Gleichrichter. Unklar ist, ob der Effekt für das Bakterium irgendeine Bedeutung hat oder ob es nur eine zufällige Nebenwirkung des Mechanismus ist.

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