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Ungenutzter Rohstoff: Bakterium produziert Plastikbaustein aus Holzabfall

Seit Jahren versuchen Fachleute, den potenziell sehr wertvollen Holzbestandteil Lignin zu nutzen. Ein Bodenbakterium löst nun ein zentrales Problem.
Ein Häcksler häckselt Äste eines Straßenbaums und spuckt Holzspäne auf die Ladefläche eines Lastwagens.

Eine gentechnisch veränderte Mikrobe ist der aktuellste Versuch, eine nachhaltige und reichlich vorhandene, aber bislang fast ungenutzte Rohstoffquelle als Grundlage für Kunststoffe zu verwenden: Lignin. Das Bodenbakterium Novosphingobium aromaticivorans, zuerst in mit Ölrückständen verseuchten Böden entdeckt, löst nun anscheinend ein zentrales Problem bei der Verwertung dieser widerstandsfähigen Riesenmoleküle. Wie eine Arbeitsgruppe um Daniel R. Noguera von der University of Wisconsin-Madison in »Green Chemistry« berichtet, funktioniert das Bakterium als eine Art chemischer Trichter: Es verarbeitet die unüberschaubare Vielfalt der Moleküle, die beim Abbau von Lignin entstehen, zu einem einzigen Stoff – der praktischerweise ein Vorläufer für diverse bekannte Kunststoffe ist.

Lignin unterscheidet sich von anderen Biomolekülen so dramatisch, dass man mit ihm lange kaum mehr machen konnte, als es zu verbrennen. Dabei ist es potenziell sehr wertvoll als chemischer Grundstoff, denn es besteht aus Einzelbausteinen mit Benzolringen – und solche Moleküle wiederum sind die Ausgangssubstanzen für Kunststoffe, Medikamente, Farbstoffe und viele andere alltägliche Industrieprodukte. Zusätzlich ist Lignin keineswegs selten: Es macht bis zu ein Drittel der Trockenmasse von Holz aus und bleibt bei der Gewinnung von Zellulose in großen Mengen übrig.

Anders als andere Biomoleküle allerdings sind seine Bausteine nicht über einen oder zwei bekannte Bindungstypen verknüpft – Lignin entsteht durch eine Reaktion mit Radikalen, die ein durchgehendes Gerüst aus Kohlenstoffatomen erzeugen. Das lässt sich nur mit drastischen Verfahren zerhacken, dabei erhält man eine Mischung aus vielen verschiedenen Molekülen, die sich nur mit großem Aufwand voneinander trennen lassen. Die Gruppe um Noguera stellte fest, dass Novosphingobium aromaticivorans gleich drei der dabei entstehenden Substanzklassen verdauen kann: die S-, die G- und die H-Aromaten, Gruppen aus chemisch ähnlich aufgebauten Verbindungen, die beim chemischen Zerstören des Lignins entstehen.

Entscheidend für die neue Strategie ist aber, dass die Abbauwege für alle drei Stoffklassen zu dem Zwischenprodukt PDC (2-Pyron-4,6-Dicarbonsäure) führen. Dieses Molekül ist seinerseits Baustein für verschiedene Polyester – eine der wichtigsten Stoffklassen für Alltagsgegenstände. Normalerweise baut N. aromaticivorans diese Substanz weiter zu Brenztraubensäure ab. Doch Noguera und sein Team deaktivierten drei Gene in jenen Stoffwechselwegen, mit denen das Bakterium PDC verwertet. So sammelt sich der Stoff an. In Experimenten mit Zersetzungsprodukten von Lignin aus Pappeln erreichte die dienstbare Mikrobe eine Ausbeute von immerhin 59 Prozent, berichtet die Arbeitsgruppe.

Allerdings bleiben noch einige Hindernisse auf dem Weg zur ligninbasierten Kunststoffproduktion: Der Stoffwechsel des Bakteriums birgt weiterhin Geheimnisse; zudem sieht die Arbeitsgruppe Optimierungsbedarf bei der Geschwindigkeit der Umsetzung. Außerdem ist PDC bisher nicht als Kunststoffbestandteil etabliert, weil es auf klassischem Weg zu schwer herzustellen ist. Deswegen dürften es die Produkte aus dieser Technik nicht einfach haben, gegen die etablierten und sehr ausgereiften Kunststoffe auf Erdölbasis in absehbarer Zeit nennenswerte Marktanteile zu erobern.

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