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»Band der Löcher«: Wofür man Tausende Löcher in den Anden grub

Vor mindestens 700 Jahren hoben Menschen in Peru Tausende Gruben aus. Jetzt glauben Fachleute zu wissen, was es mit den mysteriösen Löchern auf sich hat.
Luftaufnahme einer trockenen, hügeligen Landschaft mit erodierten Bergrücken und Tälern. Im Hintergrund sind grüne landwirtschaftliche Felder und ein Flussbett zu sehen, die die karge Wüstenlandschaft kontrastieren. Die Szene zeigt eine lange Reihe von künstlich angelegten Gruben.
Das »Lochstreifenband« befindet sich unweit des Pisco-Tals in Peru. Es besteht aus circa 5200 Gruben.

Im Pisco-Tal im Süden Perus schlängelt sich auf anderthalb Kilometern Länge ein Band aus Tausenden Gruben durch die Landschaft. Die südamerikanische Stätte am Monte Sierpe (Schlangenberg), die auch als »Band der Löcher« oder »Lochstreifenband von Pisco« bekannt ist, dürfte mindestens 700 Jahre alt sein und gibt Archäologen seit Langem Rätsel auf. Nun berichten Fachleute um Jacob Bongers von der University of Sydney im Journal »Antiquity«, dass sie das Geheimnis des Lochstreifenbands ein Stück weit gelüftet hätten. Die Gruben dienten vermutlich als Markt zum Warentausch, als die Region von den Chincha beherrscht wurde. Später hätten die Inka, die im 15. Jahrhundert das Gebiet eroberten, in den Öffnungen Tributzahlungen empfangen.

Die rätselhafte Stätte am Monte Sierpe war erstmals 1931 auf Luftbildern aufgefallen. Sie besteht aus ungefähr 5200 Gruben, die in Abschnitte von je 60 Löchern unterteilt sind. Auf Luftbildern, die Bongers und sein Team mithilfe von Drohnen aufgenommen haben, erkannten sie, dass die Abschnitte in charakteristischer Weise angeordnet sind: Sie setzen sich aus einer bestimmten Anzahl von Reihen mit jeweils einer bestimmten Anzahl von Löchern zusammen. Beispielsweise neun Reihen mit je acht Löchern oder zwölf Reihen mit abwechselnd sieben und acht Öffnungen.

Die Archäologen untersuchten das Band der Löcher nicht nur aus der Luft, sondern nahmen ebenso Proben am Boden. In den Sedimenten fanden sie Keramik und Holzkohle, die eine Datierung ins 14. Jahrhundert nahelegen. Zudem dokumentierten die Fachleute Pollen von Mais-, Tomaten- und Kartoffelpflanzen sowie Reste, die wahrscheinlich von Körben und Matten stammen. Demnach könnten Menschen im Lochstreifenband einst Körbe mit Nahrungsmitteln deponiert haben, um sie so in Einheiten aufzuteilen und wie auf einem Markt zum Tausch anzubieten.

»Eine bestimmte Zahl von Löchern, die Mais enthielten, wäre etwa gleichwertig gewesen mit einer bestimmten Zahl von Löchern, die eine andere Art von Gut enthielten, etwa Baumwolle oder Koka«, erklären Bongers und sein Kollege Charles Stanish von der University of South Florida im Onlinemedium »The Conversation«.

Marktloch | Die Gruben sind durchschnittlich einen halben bis einen Meter tief und ein bis zwei Meter breit.

Bongers’ Team fiel zudem auf, dass die Abschnitte den berühmten Quipus ähneln, der Knotenschrift Südamerikas. Hierfür wurden Knoten in Schnüre geknüpft und wie Fransen an einer Hauptschnur befestigt, um Zahlen für die Buchhaltung zu dokumentieren.

Andere Zwecke des Lochstreifenbands, die Wissenschaftler bisher vorgeschlagen haben, schließen die Forscher aus. So gebe es weder Anzeichen dafür, dass die Lochreihen zur Verteidigung dienten, noch für ihre Nutzung als Gräber, als Pflanzlöcher im Gartenbau oder als Sammelbecken für Wasser. Regenwasser sei in den Höhenlagen zwischen 440 und 700 Metern praktisch nicht vorhanden, ebenso wenig Grundwasser. Der nahe gelegene Pisco-Fluss dürfte ausreichend Wasser geliefert haben.

Vom 11. bis 14. Jahrhundert stand die Region unter der Kontrolle der Chincha, bis sie im 15. Jahrhundert von den Inka einverleibt wurde und diese die Chincha zu Vasallen machten. Die neuen Herrscher könnten an den Löchern Tribute eingezogen haben, vermuten Bongers und sein Team. Das lege auch die Lage der Stätte nahe, an der sich wichtige Wege kreuzen und das Hochland auf die Küstenebene trifft. Zudem fanden sich in der Nähe die Überreste zweier Verwaltungszentren der Inka.

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  • Quellen
Bongers, J. L. et al., Antiquity /10.15184/aqy.2025.10237, 2025

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