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News: Fataler Salzmangel

Mukoviszidose, die häufigste vererbte Stoffwechselkrankheit in Westeuropa, ist nach wie vor unheilbar. Den dafür verantwortlichen fehlerhaften Abschnitt im Erbgut entdeckten Forscher bereits im Jahre 1989. Doch sie rätseln weiterhin, wie das veränderte Gen den Salz- und Wassertransport und infolgedessen die Absonderung bestimmter Körperflüssigkeiten wie Schleim und Schweiß durcheinanderbringt. Versuche mit Mäusen deuten nun darauf hin, dass sich in den Lungen zu wenig Salz befindet - eine wichtige Erkenntnis, die neue Behandlungsansätze eröffnet.
Charakteristisch für die Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose (Cystische Fibrose) sind zähe Sekrete, die sich in den feinen Verästelungen der Bronchien, den Gängen der Bauchspeicheldrüse und der Galle festsetzen und diese verstopfen. Als Folge können die lebenswichtigen Organe nicht mehr richtig arbeiten. Zudem stellt der Schleim in der Lunge einen idealen Nährboden für Bakterien dar, und die von ihnen verursachten Entzündungen zerstören im Laufe der Zeit das Gewebe.

Auslöser der Krankheit ist ein genetischer Defekt, den Forscher schon vor längerer Zeit auf dem menschlichen Chromosom 7 lokalisierten. Mittlerweile sind über 900 Mutationen der betreffenden Erbanlage, dem so genannten CFTR-Gen, bekannt. Die Abkürzung CFTR steht für "Cystic Fibrosis Conductance Transmembrane Regulator" und deutet auf die Funktion des zugehörigen Proteins hin: Es überwacht den Im- und Export der Zellen, indem es den Durchtritt von Wassermolekülen und Salzen durch bestimmte Kanäle steuert. Da mit den geladenen Teilchen elektrische Ströme fließen, reguliert das CFTR-Protein somit die Leitfähigkeit einer biologischen Membran. Je nach Mutation stellt der Körper gar kein oder ein Protein her, das seine Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllen kann: Deshalb ist bei der Mukoviszidose der Salz- und Wassertransport und folglich der Stromfluss gestört.

Doch obwohl der "Übeltäter" schon lange bekannt ist, grübeln Wissenschaftler noch immer, wie das veränderte Gen seine fatalen Wirkungen entfaltet. Im Brennpunkt ihres Interesses steht unter anderem auch die entscheidende Frage, wie die Mutation die Lungenschäden hervorruft: Befindet sich in den Lungen der Patienten zu viel oder zu wenig Salz? Die richtige Antwort konnten Forscher bislang nicht geben, da die Schicht aus Salz und Wasser, welche die Atemwege in der Lunge überzieht, hauchdünn und somit nur extrem schwer zu untersuchen ist.

Nun gelang es Robert Tarran und seinen Kollegen von der University of North Carolina, dem langjährigen Rätsel ein wichtiges Puzzleteil hinzuzufügen. Als Versuchstiere dienten ihnen genetisch veränderte Mäuse, die eine der Cystischen Fibrose vergleichbare Krankheit entwickeln. Die Zellen, welche die Nase der Nager auskleiden, zeigen dasselbe Problem wie die Zellen in den Lungen der Mukoviszidose-Patienten. Und dieses Problem konnten die Forscher mit Hilfe eines dem Elektrokardiographen ähnlichen Gerätes elektrisch erfassen.

Die gemessene anormale elektrische Leitfähigkeit konnten die Forscher auf die Krankheit der Mäuse zurückführen. Denn wie Richard Boucher aus dem Team betont, zeigen die Versuchstiere dieselben Krankheitssymptome der Luftwege wie betroffene Menschen und weisen zudem viel mehr Schleim-absondernde Zellen auf als gesunde Artgenossen. Auch die Frage, wie die ungewöhnliche Leitfähigkeit mit den verstopften Luftwegen zusammenhängt, konnten die Wissenschaftler eindeutig klären: Ein Salzmangel in den Lungen ist die Ursache.

An Kulturen von Zellen der Atemwege untersuchten die Forscher, auf welche Weise sie das natürliche Salz-Gleichgewicht wieder herstellen und schwerwiegende Schäden vermeiden konnten. Mit Erfolg: Als sie nun ihren Versuchstieren salzhaltige Präparate verabreichten, konnten sie damit die Beseitigung des Schleims fördern und so die Beschwerden lindern.

Zudem zeigten die Versuche, dass die pharmazeutischen Präparate eine langandauernde Wirkung haben müssen. "Der Respirationstrakt kann zum Nachteil für Mukoviszidose-Patienten sehr gut unerwünschte Substanzen beseitigen – mit Ausnahme des Schleims –, und unsere Daten deuten auch darauf hin, dass viele der heute in Versuchsreihen eingesetzten Verbindungen schnell entfernt werden", erläutert Tarran. Folglich gilt es nun, wirksame Langzeit-Substanzen zu entwickeln.

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