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Amphibienpilz: Stirbt Lurchi aus?

Umweltverschmutzung, Lebensraumzerstörung und Krankheiten führen weltweit zum Aussterben vieler Amphibienarten. Zudem breitet sich vor allem in tropischen Gebieten ein tückischer Chytridpilz aus. Und die Liste der Bedrohungen für Amphibien wird immer länger.
Feuersalamander mit Pilzinfektion

Der tödliche Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis (Bd) breitet sich weltweit unter den Amphibien aus und trifft besonders tropische Arten: Er befällt die Haut der Tiere und führt rasch zum Tod. Kältere Breitengrade waren zunächst verschont geblieben – bis 2010 ein plötzliches Salamandersterben in den Niederlanden Biologen in Alarmbereitschaft versetzte. Seit damals findet man immer wieder verendete Feuersalamander, die nicht an bekannten Amphibienkrankheiten wie "Bd" gestorben waren. Als Ursache entlarvten Wissenschaftler der Universität Gent schließlich einen neuen Übeltäter auf der Amphibienhaut: Batrachochytrium salamandrivorans, zu Deutsch: Salamanderfresser, ist ein Verwandter des bereits bekannten Amphibienpilzes, der in Lateinamerika und Australien womöglich mehr als 200 Amphibienarten ausgelöscht hat. Im Gegensatz zu seinem tropischen Bruder bevorzugt der niederländische Pilz eine deutlich kältere Umgebung – eine schlechte Nachricht für europäische Amphibien.

Salamanderfresser auf dem Vormarsch

Der neu entdeckte Pilz hat die niederländischen Feuersalamander an den Rand des Aussterbens gebracht, nur noch vier Prozent der ursprünglichen Population sind übrig. Außerdem hat sich B. salamandrivorans bis nach Belgien verbreitet, wo er erst im April dieses Jahres eine zweite Population befiel. "Wir finden immer wieder tote Tiere", berichtet An Martel von der Universität Gent. B. salamandrivorans befindet sich also auf dem Vormarsch quer durch Europa. "Die Infektionswelle rollt geradewegs auf Deutschland zu", meint Dirk Schmeller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UfZ) in Leipzig. Er ist sich sicher: Wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, sind auch die deutschen Salamander bald vom Aussterben bedroht.

"Europa könnte seine erste Amphibienart an ein Pathogen verlieren"Dirk Schmeller

"Wir schätzen, dass sich der Pilz mit einer Rate von 40 Kilometern pro Jahr ausbreitet", so Schmeller. Noch dazu finden sich die größten deutschen Feuersalamanderpopulation in Grenznähe zu den Niederlanden und Belgien. In der Vulkaneifel beispielsweise leben viele der gelb gefleckten Tiere. Ob der Pilz sich auch durch andere Tiere ausbreitet, über Wasservögeln oder Fische beispielsweise, wissen die Forscher noch nicht. Auch ein Gegenmittel gegen den neuen Pilz ist nicht in Sicht. "Es gibt ein Behandlungsprotokoll für einzelne Tiere, aber das funktioniert nur bei Salamandern in Gefangenschaft", erklärt An Martel.

Klar ist, dass sich der Pilz durch Hautkontakt rasend schnell unter Amphibien ausbreitet. Er dringt in die sensible Amphibienhaut ein und verursacht dort Geschwülste. Auch eine Übertragung zwischen verschiedenen Salamander- und Molcharten ist möglich. Kröten und Frösche sind dagegen immun gegen den Pilz: Er kann ihre Haut nicht besiedeln. Das Forscherteam um An Martel hatten 35 Amphibienarten mit den Pilzsporen in Kontakt gebracht, um herauszufinden, welche Tiere sich infizieren können.

Killer aus Fernost

Unter den getesteten Arten waren auch die in Deutschland am häufigsten vorkommenden Salamanderarten. Neben dem Feuersalamander können sich demnach auch Bergmolch und Kammmolche mit dem tödlichen Pilz infizieren. "Für die Molche sehe ich noch nicht schwarz, sie haben einen schnelleren Reproduktionszyklus als Feuersalamander", meint Dirk Schmeller. Ein Tier, das von B. salamandrivorans befallen wird, stirbt mit fast 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Noch wurde der Pilz in keinem deutschen Tier nachgewiesen. "Das heißt aber nicht, dass der Pilz noch nicht zu uns vorgedrungen ist, es fehlen nur flächendeckende Tests", erklärt der Experte.

Grünlicher Wassermolch | Auch der Grünliche Wassermolch, hier im Jugendstadium abgebildet, kann sich mit dem Salamander fressenden Pilz infizieren. Erst nach der Geschlechtsreife färbt sich die Oberseite der Tiere olivgrün bis braun.

Die belgischen Forscher vermuten den Ursprung des Salamanderpilzes jetzt in Asien. Sie konnten DNA-Spuren des Übeltäters auf Tieren aus Fernost nachweisen. Dort sei der Pilz schon seit 30 Millionen Jahren endemisch, vermuten die Forscher anhand von Stammbaumrekonstruktionen. Wie der Amphibien-Killer in die Niederlande kam, ist noch nicht vollständig klar. Die Forscher aus Gent vermuten, dass einige asiatische Lurche als Erregerreservoir dienen. Die Tiere tragen den Pilz auf sich, werden aber selbst nicht krank oder können die Infektion zumindest bekämpfen. So könnte der Erreger durch den Amphibienhandel nach Europa gekommen sein.

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  • Quellen
Science, 10.1126/science.1258268, 2014

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