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Naturkatastrophen: Bergsturz löste tödliche Sturzflut aus

Ein verheerender Schlamm- und Schuttstrom tötete im indischen Himalajagebiet womöglich 150 Menschen. Ausgelöst wurde die Katastrophe durch den Kollaps eines Hanges.
Naturkatastrophe in Kedarnath, Uttarakhand 2013 (Archivbild)

Am 7. Februar ereignete sich im Himalaja des indischen Bundesstaats Uttarakhand eine Katastrophe, die mindestens 150 Menschenleben gefordert haben dürfte. Nachdem anfänglich noch gemutmaßt wurde, dass ein Gletscher kollabiert oder ein Gletschersee plötzlich ausgelaufen sei, scheint mittlerweile der Ablauf des tödlichen Ereignisses rekonstruiert zu sein. Wie der britische Geowissenschaftler Dave Petley von der University of Sheffield in einem Blog der American Geophysical Union berichtet, führte ein großer Bergsturz oberhalb eines Gletschers zu einer fatalen Kettenreaktion.

Zu diesem Schluss kommen er und einige andere Experten nach der Auswertung unterschiedlicher Satellitenaufnahmen, welche die Region in den Wochen und Monaten vor sowie unmittelbar nach der Katastrophe abbilden. Außerdem verwendeten sie für ihre Analyse verschiedene Videos, die Augenzeugen in sozialen Medien hochgeladen hatten. Diese zeigen unter anderem, wie zuerst eine Staubfahne durch ein enges Tal im Chamoli-Gebiet weht und anschließend eine gewaltige Sturzflut aus Wasser, Schlamm und Geröll flussabwärts tobt. Sie zerstörte ein im Bau befindliches Wasserkraftwerk völlig und beschädigte ein zweites schwer. An beiden Einrichtungen starben wahrscheinlich sehr viele Arbeiter.

Laut Petley nahm die Katastrophe ihren Ausgang bereits vor einigen Monaten, als sich ein Riss in einem Bergstock am Talende des Flusses bildete. Dieser Block gab schließlich am Morgen des 7. Februars nach: Etwa 0,2 Kubikkilometer Gestein und Eis stürzten quasi senkrecht 1800 Meter in Tiefe, bevor sie auf dem darunterliegenden Ronti-Gletscher zerschmetterten und weiter gletscherabwärts rauschten. Dabei entstanden große Mengen Staub, die sich auf den neuesten Satellitenbildern als braune Schicht auf den schnee- und eisbedeckten Flanken der benachbarten Berghänge niederschlugen.

Die stark beschleunigten Gesteinsmassen, die auf dem Gletscher talwärts glitten, rissen Eis und weiteres Geröll mit sich und zertrümmerten dieses. Gleichzeitig erzeugte die Reibung so starke Hitze, dass das Eis schmolz: Wasser und Geröll sowie Feinmaterial vermengten sich. Aus dem Bergsturz wurde ein Schlamm- und Schuttstrom, der unterhalb der Gletscherzunge als Sturzflut durch das enge Tal schoss. Die Wucht der Massen schob sogar das Wasser des Flusses noch gewisse Zeit als Welle vor sich her, bevor sie sich damit vereinigten.

Mit dieser Analyse widerlegt Petley gleichfalls Gerüchte in sozialen Netzwerken, etwa Behauptungen, so eine Katastrophe könne natürlicherweise nicht im Winter stattfinden, weshalb Sprengungen sie ausgelöst haben müssten. Tatsächlich können derartige Ereignisse auch in der kalten Jahreszeit ausgelöst werden, wenn sich ausdehnendes Eis in Gesteinsspalten den Fels von der Wand drückt. Derartige Bergstürze kommen regelmäßig im Gebirge vor und könnten sich zukünftig durch den Klimawandel mehren, wenn Wasser häufiger im Fels taut und wieder gefriert.

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