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News: Besaß der Höllenplanet Venus einst Wasserozeane?

Infrarotbild der Venus von der Raumsonde Galileo
Heute präsentiert sich unser Nachbarplanet Venus als einer der unangenehmsten Orte im Sonnensystem: Eine giftige Atmosphäre aus 96 Prozent Kohlendioxid drückt mit dem 90-fachen des irdischen Luftdrucks auf die Oberfläche, und heizt die Venus durch einen extremen Treibhauseffekt auf. Ihre Oberflächentemperatur beträgt deshalb im Schnitt 460 Grad Celsius, hoch genug, um Blei zu schmelzen. Eine permanente Wolkendecke mit feinen Tröpfchen aus Schwefelsäure verwehrt im sichtbaren Licht jeglichen Blick auf die feste Oberfläche. Zudem enthält die Atmosphäre kaum Wasser.
Die Venus im ultravioletten Licht | Die europäische Raumsonde Venus Express fotografierte die Venus im ultravioletten Licht. Durch unterschiedliche Absorption in den Wolkenschichten des Planeten treten die Wolkenstrukturen deutlich hervor. Im sichtbaren Licht erscheint Venus als eine fast völlig homogene weiße Kugel.


Doch wenn man der Arbeitsgruppe um George L. Hashimoto von der Kobe-Universität in Japan Glauben schenkt, war dies nicht immer so: Die Forscher fanden auf Infrarotaufnahmen der Raumsonde Galileo aus dem Jahr 1990 Hinweise auf eine feuchte Vergangenheit der Venus und vermuten, dass auch dieser Planet zumindest für einige Zeit von Wasserozeanen bedeckt war.

Die Forscher werteten dazu Bilder des Near-Infrared Mapping Spectrometer (NIMS) aus, welche die Raumsonde Galileo auf ihrem Weg zum Jupiter beim Vorbeiflug an der Venus am 10. Februar 1990 aufnahm. Mit NIMS gelang es erstmals, die dichte Wolkendecke der Venus ohne Radarwellen zu durchdringen, denn in manchen eng begrenzten Spektralbereichen im Infraroten erwies sich die Venusatmosphäre als überraschend transparent.

So gelang es, Strukturen der festen Venusoberfläche aufzunehmen, darunter die Hochländer Ishtar und Aphrodite Terra. Die japanische Forschergruppe stellte nun fest, dass die Hochlandregionen des Planeten weniger infrarote Strahlung aussenden als die flacheren Gebiete. Dabei haben sie die mit der Höhe abnehmende Temperatur der Venusatmosphäre berücksichtigt.
Die Venus im infraroten Licht | Am 10. Februar 1990 nahm die Jupitersonde Galileo bei ihrem Venus-Vorbeiflug den Planeten im infraroten Licht auf. Zur Überraschung der Forscher zeigten sich auf diesem Bild Strukturen der festen Venusoberfläche. Im sichtbaren Licht ist die Venusatmosphäre wegen einer dichten Wolkendecke aus Schwefelsäuretröpfchen völlig undurchsichtig.


Die Forscher gehen davon aus, dass die Hochlandregionen überwiegend aus so genannten felsischen Gesteinen bestehen, insbesondere Granit. Dieser kann sich jedoch nur in Wechselwirkung mit flüssigem Wasser bilden. Granite sind bislang nur von der Erde bekannt.

Im Falle der Erde bilden sie sich häufig aus aufgeschmolzenem Krustenmaterial, bei dem einige Prozent an gelöstem Wasser den Schmelzpunkt der Gesteine drastisch senken. Beispielsweise dringen oberhalb von Subduktionszonen, wo feuchte ozeanische Kruste vom Erdmantel verschluckt wird, heiße wässrige Lösungen ("Fluide") in die darüberliegenden Gesteine der Kruste ein. Sie senken dort den Schmelzpunkt der Krustengesteine um mehrere hundert Grad Celsius, so dass die in 20 bis 30 Kilometer Tiefe bereits um die 700 bis 800 Grad heißen Gesteine ohne weitere Wärmezufuhr schmelzen.

Um die Vorkommen von Granit auf der Venus zu erklären, vermuten die Forscher daher, dass der Nachbarplanet zumindest in den ersten 500 Millionen Jahren nach seiner Entstehung vor 4,5 Milliarden Jahren von Ozeanen bedeckt war. Zudem postulieren sie, dass Venus wie die Erde eine Plattentektonik mit Krustenaufbau und -vernichtung aufwies.

Vor vier Milliarden Jahren endete dann die feuchte Episode der Venus, als die Sonne ihre Strahlungsleistung immer mehr erhöhte und der Planet immer heißer wurde. Schließlich begannen die Ozeane zu kochen und der Wasserdampf stieg in die Atmosphäre. Venus erhält aufgrund ihrer größeren Nähe zur Sonne etwa die doppelte Strahlungsmenge der Erde und war daher von Anfang an wärmer als der Blaue Planet. Mit dem Verlust des Wassers sei dann auch die Plattentektonik der Venus zum Erliegen gekommen und nur noch Vulkane und lokale Verschiebungen hätten die Oberfläche verändert.

Die Ultraviolettstrahlung der Sonne spaltete die in der Atmosphäre befindlichen Wassermoleküle in Sauerstoff und Wasserstoff auf. Der Sauerstoff reagierte daraufhin mit anderen Molekülen der Venusatmosphäre und den Gesteinen der festen Oberfläche, der Wasserstoff entwich ins All und ging dem Planeten verloren. Über mehrere Milliarden Jahre hinweg wurde so die Venus praktisch völlig ausgetrocknet. Tatsächlich belegen Analysen des Isotopenverhältnisses von Wasserstoff zu seinem schweren Isotop Deuterium, dass Venus wohl ursprünglich fast so viel Wasser wie die Erde besaß.

Die japanischer Forscher wollen nun weitere infrarote Bilddaten der europäischen Raumsonde Venus Express auswerten, die seit April 2006 den Höllenplaneten umkreist. Sie geben allerdings zu, dass ihre Theorie noch viele ungeklärte Probleme aufweist.

Wenn die Hochländer wirklich aus altem Granit bestehen sollten, wären sie die ältesten Strukturen der Venusoberfläche. Daher würde man erwarten, dass die Hochländer besonders viele Einschlagkrater aufweisen, wie das bei allen anderen erdähnlichen Planeten im Sonnensystem der Fall ist.

Stattdessen zeigt die Venusoberfläche eine homogene Kraterverteilung auf dem gesamten Planeten, die auf ein durchschnittliches geologisches Alter der Oberfläche von 750 Millionen Jahren hinweist. Es gibt keine Regionen, die außergewöhnlich alt sind.

Außerdem hätte ein Wasserozean auch erhebliche Auswirkungen auf die Chemie der Venusatmosphäre gehabt: Flüssiges Wasser löst riesige Mengen an Kohlendioxid und bildet dabei Kohlensäure. Befinden sich aus den Oberflächengesteinen herausgelöste Ionen von Magnesium und Kalzium im Wasser, so kommt es zur Abscheidung von Kalk oder Dolomit. Einmal ausgefällt, ist Kalkstein sehr stabil und wird erst oberhalb von tausend Grad Celsius wieder thermisch zersetzt. Also müssten noch heute große Mengen an Kalkstein auf der Venus zu finden sein, die es aber definitiv nicht gibt.

Durch das Abscheiden des Kohlendioxids im Kalkstein hätte sich aber wiederum die Zusammensetzung der Venusatmosphäre drastisch verändert, so dass der heute so extreme Treibhauseffekt gar nicht erst zu Stande gekommen wäre. Venus hätte dann eine wesentlich dünnere Atmosphäre und wäre längst nicht so heiß.

Tilmann Althaus

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