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Perfektionismus: Besonders gewissenhaft oder ziemlich neurotisch?

Hoher Anspruch oder Angst vor Blamage: Hinter Perfektionismus stecken zwei gänzlich verschiedene Persönlichkeitsprofile.
Eine Hand reiht Erbsen in gleichmäßigen Reihen auf.

Ein bisschen Perfektionismus schadet nicht, zu viel hingegen schon? So einfach ist es nicht. Ob mäßig oder übertrieben: Perfektionismus hat neurotische und nicht neurotische Komponenten. Dieses Fazit ziehen Forschende aus einer Metaanalyse über 77 Studien mit insgesamt knapp 25 000 Versuchspersonen, in der sie den Zusammenhang von Perfektionismus mit anderen Merkmalen der Persönlichkeit untersuchten.

Der Psychologe Martin M. Smith von der York St John University und seine Kollegen fanden starke Assoziationen nur mit zwei Merkmalen: Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit. Demnach gilt: Je neurotischer eine Person nach eigenen Angaben ist, desto mehr zweifelt sie auch an der eigenen Leistung, fürchtet zu versagen und sorgt sich um das Urteil anderer. Hochneurotischen Menschen gehe es vor allem darum, äußeren Maßstäben zu genügen, sie setzten aber keine überdurchschnittlich hohen eigenen Standards. Umgekehrt verhalte es sich bei besonders gewissenhaften, also pflichtbewussten, gründlichen, disziplinierten Menschen. Diese formulieren hohe Ansprüche an sich selbst, zweifeln aber weniger am eigenen Tun.

Die Zusammenhänge mit anderen Persönlichkeitsmerkmalen fielen schwächer aus. Wie gewissenhafte Menschen zweifeln auch extravertierte seltener an sich, und offene, das heißt intellektuelle Personen legen ebenfalls selbst die Messlatte hoch. Sorgen um mögliches Versagen finde man außerdem ein wenig häufiger bei introvertierten, also stillen, reservierten Personen. Und wer das Urteil anderer fürchte, sei im Schnitt reizbarer, misstrauischer, unkooperativer und kritischer. Dahinter könne die Angst stehen, von anderen nicht gemocht und abgelehnt zu werden, spekulieren die Autoren.

Fast allen Facetten von Perfektionismus ließ sich ein charakteristisches Persönlichkeitsprofil zuordnen, berichten der Psychologe Smith und seine Kollegen. Die beiden zentralen Seiten des Perfektionismus – Sorgen und hohe eigene Maßstäbe – hätten aber auch etwas gemeinsam: »ein zwanghaftes Bedürfnis, perfekt und fehlerlos zu sein«. Eine Entwicklung in der jüngeren Zeit gibt Anlass für weitere Forschung. Unabhängig vom Alter der Versuchspersonen beobachteten die Forschenden einen Trend hin zum neurotischen Perfektionismus.

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