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News: Betörende Töne

Die Ozeangiganten besitzen zwar keine Stimmbänder, aber dennoch sind sie wahre Sangeskünstler - und erfolgreiche Verführer zugleich: So entpuppten sich die Kompositionen der männlichen Finnwale als Liebesballaden, welche die schweigsamen Weibchen gezielt anlocken.
Wahre Konzerte aus mehrstrophigen Liedern erfüllen die Ozeane und sind aufgrund der rasanten Ausbreitung des Schalls in diesem Medium sogar kilometerweit zu hören. Die schwimmenden Sänger – die Buckelwale – wiederholen ihre typischerweise zehn- bis zwanzigminütigen Melodien über Stunden fortwährend, wobei sie regional unterschiedliche Partituren vortragen. In diesen Chor reihen sich auch die Finnwale (Balaenoptera physalus) ein.

Finnwale leben jedoch als überzeugte Einzelgänger größtenteils abgeschirmt von ihren Artgenossen und begeben sich nur alle zwei bis drei Jahre auf Brautschau. Doch wie finden die kontaktscheuen Giganten einen Partner? Vermutlich stehen die Finnwale mittels ihre Rufe selbst über weite Strecken in Kontakt miteinander, spekulieren Wissenschaftler. Allerdings blieb ihnen der wahre Grund der Geräusche lange Zeit schleierhaft.

Nun vermochten Donald Croll von der University of California in Santa Cruz und seine Kollegen das Rätsel um die Gesänge der Finnwale zu lösen: An Bord eines Forschungsschiffes nahmen sie in der relativ ruhigen Loreto-Bucht im Golf von Kalifornien mithilfe von Unterwassermikrofonen die Fährte der Ozeanriesen auf, die von Krillkrebs-Schwärmen angelockt werden. Überraschenderweise blieben einige der Tiere während ihrer Mahlzeit nicht schweigsam, wie die Forscher registrierten.

Um die Identität der Sänger festzustellen, näherten sich die Wissenschaftler bei einem verdächtigen Geräusch dem entsprechenden Tier und warteten, bis es auftauchte. Sodann entnahmen sie ihm eine Hautprobe, deren genetische Analysen das Geschlecht des Besitzers preisgab. Zusätzlich sammelten die Forscher Hautstücke von den "stillen" Meeressäugern. Wie die Analyse an den Tag brachte, befanden sich zum Untersuchungszeitraum 22 männliche und 21 weibliche Finnwale in der Bucht – doch kein einziger Sänger war weiblichen Geschlechts.

Offenbar setzen nur die Männchen die niederfrequenten Lautäußerungen ein. Und dies aus gutem Grund: Wahrscheinlich locken sie mit ihren Gesängen die Weibchen über hunderte von Kilometern herbei und weisen ihnen gleichzeitig den Weg in die nahrungsreichen Brutgebiete. Doch nicht nur das Liedgut der Wale vermag sich über derartige Entfernungen fortzupflanzen, sondern auch die von Schiffen erzeugten Schallimpulse.

Möglicherweise beeinträchtigen diese künstlich produzierten Geräusche die Walgesänge und infolgedessen auch die Reproduktion der Meeressäuger, geben die Wissenschaftler zu bedenken. Schließlich beruht das Wachstum der Finnwal-Populationen allein auf dem Zusammentreffen von singenden Männchen und empfänglichen Weibchen. Doch um derartige Vermutungen mit Sicherheit belegen zu können, sind weitergehende, umfangreichere Untersuchungen in "lauteren" Bereichen des Ozeans vonnöten.

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