Gen Z und Dating: Warum sich junge Menschen vor der Liebe fürchten

Im Jahr 2024 wurde eine politische Kluft zwischen jungen Männern und Frauen sichtbar. Laut Wahldaten aus mehreren Ländern werden Frauen zwischen 18 und 29 Jahren deutlich liberaler, während junge Männer eher konservative Neigungen an den Tag legen. Eine aktuelle Studie in 30 Ländern zeigte zudem, dass die Generation Z, die die Geburtsjahrgänge von 1995 bis 2010 umfasst, in wichtigen Fragen der Geschlechtergleichstellung stärker gespalten ist als vorherige Generationen.
Gleichzeitig mehren sich die Befunde, wonach sich just diese Altersgruppe von althergebrachten Formen des Datings wie auch von langfristigen Beziehungen abwendet. Laut der National Survey of Family Growth, einer großen Langzeitstudie des US-amerikanischen National Center for Health Statistics, gaben 2023 24 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen im Alter von 22 bis 34 Jahren in den USA an, im zurückliegenden Jahr keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu früher. Außerdem gehen US-amerikanische Teenager im Vergleich zu früheren Generationen seltener feste Beziehungen ein.
Auch in Großbritannien offenbaren Umfragen der letzten Jahrzehnte einen Rückgang sexueller Aktivität bei jungen Menschen – sowohl was die Häufigkeit als auch was die Anzahl der Partner betrifft. Und Dating-Apps verlieren an Bedeutung: Im Jahr 2024 verzeichneten die führenden Plattformen klare Rückgänge bei heterosexuellen Nutzerinnen und Nutzern der Generation Z.
Bremst die Politik die Liebe aus?
Erschwert die politische Kluft zwischen den Geschlechtern am Ende das Liebesleben? Als Soziologinnen mit Schwerpunkt auf zwischenmenschlichen Beziehungen haben wir in unserer wissenschaftlichen Arbeit dargelegt, wie Beziehungen von größeren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Trends beeinflusst werden. So hat unsere Forschung zur anhaltenden Geschlechterungleichheit ergeben, dass diese die wahrgenommene Qualität und Stabilität intimer Beziehungen beeinträchtigen kann. Beispielsweise liegen heterosexuellen Beziehungen häufig ungleiche Verteilungen der emotionalen und häuslichen Arbeit zugrunde, selbst bei Partnern mit ähnlichem Einkommen.
Einige Kommentatoren und Forschende haben einen Trend des »Heteropessimismus« festgestellt – eine Desillusionierung gegenüber heterosexuellen Beziehungen, die oft von Ironie, Distanz oder Frustration geprägt ist. Häufig bringen Frauen ihre Unzufriedenheit mit der Ungleichheit der Geschlechter zum Ausdruck, die in Beziehungen zu Männern auftreten kann.
Doch auch bei Männern hat man Heteropessimismus ausgemacht, und Untersuchungen ergaben, dass Frauen als Singles im Durchschnitt glücklicher sind als Single-Männer.
Ein Beispiel ist die Hausarbeit: Obwohl in vielen Bereichen Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielt wurden, zeigen Daten, dass Frauen in gemischtgeschlechtlichen Beziehungen weiterhin den Großteil der Hausarbeit und Pflege übernehmen. In Großbritannien leisten Frauen im Schnitt 60 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Diese Schieflage existiert sogar bei Paaren, bei denen beide Partner Vollzeit arbeiten.
Nein zu Ehe, Kindern, Dating, Sex
In Südkorea nimmt man an, dass die anhaltende Ungleichheit der Geschlechter hinter der sogenannten 4B-Bewegung steckt: Junge Koreanerinnen, die genug von sexistischen Stereotypen haben, die Frauen an traditionelle Rollen binden, haben sich von Ehe, Kinderkriegen, Dating und Sex mit Männern losgesagt. Auch außerhalb Koreas erklären sich junge Frauen als »boy sober«, »männerfrei«. Belästigung, Missbrauch und »toxisches Verhalten« in Dating-Apps haben junge Frauen Berichten zufolge davon abgehalten, sich überhaupt noch auf Beziehungen oder romantische Begegnungen einzulassen.
Andere haben sich gar für ein Leben in Enthaltsamkeit entschieden. Ein Grund ist, dass für manche Frauen die Aushöhlung ihrer reproduktiven Rechte – etwa mit der Aufhebung des Abtreibungsurteils Roe versus Wade in den USA – Intimität noch stärker politisiert.
Politische Meinungsverschiedenheiten, die früher in Beziehungen vielleicht noch überwindbar waren, sind heute zutiefst persönlich. Sie berühren die körperliche Selbstbestimmung von Frauen und ihre eigenen Erfahrungen mit Misogynie.
Selbstverständlich wirkt sich Geschlechterungleichheit nicht nur auf Frauen negativ aus. Daten aus dem Bildungsbereich deuten darauf hin, dass Jungen in Großbritannien auf allen Ebenen hinter den Mädchen zurückbleiben – wenngleich neue Studien für Mathematik und Naturwissenschaften eine Umkehr dieses Trends nahelegen. Männer berichten, dass sie sich durch veraltete Elternzeitregelungen, die Vätern nur minimale Möglichkeiten bieten, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, von der Kinderbetreuung ausgeschlossen fühlen.
Einige Influencer nutzen tatsächliche und wahrgenommene Benachteiligungen von Männern aus, um rückwärtsgewandte, sexistische Ansichten über Frauen und Beziehungen in sozialen Medien zu verbreiten – mit Millionen junger männlicher Follower. Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass junge Männer häufiger als junge Frauen der Auffassung sind, der Feminismus habe mehr geschadet als genutzt.
Aus Angst und Unsicherheit
Es gibt jedoch auch weitreichende politische und wirtschaftliche Faktoren, die sowohl junge Männer als auch Frauen betreffen – und die die Art und Weise beeinflussen, wie (oder ob) sie sich aufeinander einlassen. Die Generation Z wird in einer Zeit wirtschaftlicher Unsicherheit erwachsen. Studien zufolge haben Menschen unter finanziellen Belastungen Schwierigkeiten damit, intime Beziehungen aufzubauen – und aufrechtzuerhalten.
Das liegt unter anderem daran, dass Beziehungen in der Anfangsphase oft mit Konsum zu tun haben: Man geht gemeinsam essen, macht sich Geschenke und so weiter. Aber auch der Kopf ist nicht frei für Dates, wenn man unter finanziellem Druck steht. Unsichere finanzielle Verhältnisse machen es jungen Menschen darüber hinaus schwer, sich eigenen Wohnraum oder andere Rückzugsmöglichkeiten für Zweisamkeit zu leisten.
Wer zu früh Gefühle zeigt, riskiert, gedemütigt oder zurückgewiesen zu werden
Hinzu kommen weltweit steigende Raten psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen. Zu nennen sind hier etwa Ängste im Zusammenhang mit der Pandemie, der wirtschaftlichen Rezession, dem Klimawandel und internationalen Konflikten.
Psychologisches Kräftemessen
Solche Ängste spiegeln sich auch in der Dating-Kultur wider: Manche empfinden eine Beziehung schlicht als ein weiteres Risiko – das es zu vermeiden gilt. Eine Studie mit heterosexuellen Dating-App-Nutzerinnen und -Nutzern in Großbritannien im Alter von 18 bis 25 Jahren ergab, dass Dating oft als psychologisches Kräftemessen wahrgenommen wird. Wer zu früh Gefühle offenbart, riskiert, gedemütigt oder zurückgewiesen zu werden. Am Ende fühlten sich in der Erhebung weder junge Männer noch junge Frauen sicher genug, echtes Interesse am anderen zum Ausdruck zu bringen. Viele blieben in der oft beklagten »Kennenlernphase« stecken, in der Beziehungen nicht vorankommen.
Wie die Soziologin Lisa Wade und andere gezeigt haben, wird emotionale Bindung oft selbst dann aktiv gemieden, wenn Gelegenheitssex Teil der Beziehung ist. Die Verbreitung einer »Hook-up-Kultur« – gekennzeichnet durch unverbindliche sexuelle Begegnungen, bei denen körperlicher Spaß wichtiger als emotionale Intimität ist – könnte teilweise eine Reaktion auf ein kulturelles Unbehagen gegenüber Verletzlichkeit sein.
Die Abkehr der Generation Z von der Partnersuche bedeutet nicht zwangsläufig einen fehlenden Wunsch nach Verbindung. Möglicherweise spiegelt sie ein gesteigertes Gefühl der Verletzlichkeit im Zusammenhang mit größeren Trends wider, die mit psychischer Gesundheit sowie sozialer, wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit zu tun haben.
Vielleicht lehnen junge Menschen Beziehungen also gar nicht ab, sondern haben eher Schwierigkeiten, emotionale Sicherheit und erschwingliche Räume dafür zu finden – in denen Intimität wachsen kann.
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