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News: Bilder einer festen Bindung

Was die Welt zusammenhält, sind chemische Bindungen - und die lassen sich theoretisch simulieren, aber nicht räumlich vermessen. Zumindest war das früher so. Mit einer Kombination aus Elektronenstrahl- und Röntgenbeugung haben Physiker nun die Molekülorbitale in Kupfer(I)oxid sichtbar gemacht. Ihre Bilder bestätigen die Vorhersagen der Quantenmechanik und weisen zur Überraschung vieler Wissenschaftler nach, daß in dem Material auch kovalente Bindungen vorkommen.
Der Ort und die Bewegung eines Elektrons lassen sich nicht zugleich beliebig genau angeben. Deshalb beschreiben die Gleichungen der Quantenmechanik auch nur, wie groß seine Aufenthaltswahrscheinlichkeiten an den verschiedenen Raumpunkten sind. Bereiche, in denen das Elektron mit einer vorher festgesetzten Wahrscheinlichkeit von zum Beispiel neunzig Prozent zu finden ist, werden als Orbitale bezeichnet. Je nach Energiegehalt des Elektrons und den Einflüssen der Umgebung haben diese Orbitale verschiedene Namen und Formen, angefangen vom einfach kugelförmigen 1s-Orbital ganz nahe am Atomkern bis hin zu seltsamen Strukturen, die entstehen, wenn sich Orbitale von zwei Atomen überlagern.

Jian-Min Zuo und John C.H. Spence von der Arizona State University sowie ihre Kollegen fanden in ihren Messungen an Cuprit (Cu2O) kompliziert geformte Orbitale, die aus der Hybridisierung – also der Vermischung – von einem s- und zwei dz-Orbitalen hervorgegangen sind. Deren Aussehen entsprach genau den theoretischen Berechnungen: eine Hantel mit einem Ring und zwei weiteren Ringen, die an dreiblättrige Blüten erinnern (Nature vom 2. September 1999).

Damit ist ein langer Disput in der Festkörperphysik wahrscheinlich geklärt. Denn zum ersten Mal gibt es nun experimentelle Hinweise dafür, daß neben ionischen Bindungen, bei denen die Atome Elektronen ganz verlieren oder neu bekommen, auch kovalente Bindungen, deren Elektronen beiden Atomen gemeinsam gehören, in dem Material auftreten. Darüber hinaus zeigen die Bilder auch schwache Anzeichen von Elektronen zwischen den Kupferatomen, was auf Bindungen zwischen den Metallatomen hindeutet. Die Zustände in dem Cuprit sind anscheinend komplizierter, als Wissenschaftler bisher angenommen haben. "Vor allem die Hinweise für kovalente Bindungen zwischen Metallen könnten uns zwingen, die Lehrbücher der Chemie neu zu schreiben", sagt Spence. "Die Chemie hat immer angenommen, das sei in diesem Material nur zwischen Kupfer und Sauerstoff möglich. Bislang wurden diese chemischen Bindungen übersehen, weil sie nur ganz wenig von der ladungsverteilung in Atomen ohne Bindung abweichen."

Die Empfindlichkeit der neuen Meßmethode war dagegen höher als in allen vorherigen Untersuchungen. Eine Kombination von Kleinwinkelstreuung der Elektronen und großwinklige Ablenkung der Röntgenstrahlung lieferte detallierte Werte, aus denen ein Computer dann die Bilder berechnete. Trotz des Rechners handelt es sich bei den Daten jedoch um keine Simulation, sondern wirklich empirisch gewonnene Ergebnisse. "Es ist das erste Mal, daß wir ein Orbital mit dieser Genauigkeit gesehen haben", meint Zuo. "Es ist ein direkter experimenteller Beweis des Quantenmodells."

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