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Umwelt-DNA: Ein Hauch von Artenvielfalt liegt in der Luft

Die Biodiversität lässt sich oft nur schwer bestimmen. Messstationen zur Luftqualität könnten dabei helfen, denn sie erfassen auch winzige Mengen der DNA von Pflanzen und Tieren. Allerdings könnte es eine ethische Hürde geben.
Eine kurzohrige Eule in Schottland
An nur zwei Messstandorten in England und Schottland fand das Forschungsteam eDNA-Nachweise für mehr als 180 verschiedene Pflanzen und Tiere - darunter genetisches Material von 34 Vogelarten.

Messstationen, die rund um den Globus die Luftqualität überwachen, könnten entscheidend dazu beitragen, den Zustand der globalen Artenvielfalt zu dokumentieren. Eine Studie kanadischer und britischer Forschender zeigt, dass die Luftproben Umwelt-DNA (eDNA) von Tieren und Pflanzen enthalten – und damit eine »Schatzkammer« bislang verborgener Daten zur Biodiversität sind.

Neben der Klimakrise ist der Verlust der Artenvielfalt eine der größten planetaren Herausforderungen, das betonte etwa die UN-Konferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt im Dezember. Doch dieser Schwund lässt sich nur schwer quantifizieren. »Häufig wird als Problem genannt, dass die erforderliche Infrastruktur für eine globale Überwachung nicht vorhanden ist«, erläutert das Forschungsteam um Elizabeth Clare von der York University in Toronto im Fachblatt »Current Biology« – und stellt diese Behauptung mit ihrer Studie in Frage.

Tatsächlich gebe es aber bereits ein weltweites Netzwerk, das Aufschluss geben könnte über den Zustand und die künftige Entwicklung der Biodiversität, schreibt das Team und verweist auf die Messstationen zur Kontrolle der Luftqualität. »Diese Netze gibt es schon seit Jahrzehnten, aber wir haben den ökologischen Wert der von ihnen gesammelten Proben nicht wirklich berücksichtigt«, erklärt Clare in einer Mitteilung.

Die Netzwerke seien eine riesige und bislang ungenutzte Quelle für Biodiversitätsdaten, ergänzt Andrew Brown vom National Physical Laboratory im britischen Teddington. Anstoß für den Ansatz hätten zwei frühere Studien gegeben, die zeigten, dass sich Arten in Zoos mit Hilfe von Luftproben identifizieren lassen. Dies habe ihn und die Kollegen auf die Idee gebracht, Messstationen für Luftqualität zu nutzen, um nach eDNA zu suchen. Diese Umwelt-DNA extrahierten und analysierten die Forschenden aus zwei Überwachungsstationen in London und Schottland.

»An nur zwei Standorten fanden wir eDNA-Nachweise für mehr als 180 verschiedene Pflanzen und Tiere«, sagt Clare. Die Liste umfasste demnach unter anderem Tiere wie Dachse, Siebenschläfer, Igel und Teichmolche, Bäume wie Esche, Linde, Kiefer, Weide und Eiche sowie andere Pflanzen wie Schafgarbe, Malve oder Gänseblümchen. Zudem fand das Team genetisches Material von 34 Vogelarten.

Für Erstautorin Joanne Littlefair von der Queen Mary University of London haben die Daten ein enormes Potenzial: »Das könnte sich als absoluter Wendepunkt für Erfassung und Monitoring der biologischen Vielfalt erweisen.« Fast jedes Land verfüge über ein Netz zur Überwachung der Luftverschmutzung. Auch in Deutschland kontrollieren hunderte Messstationen täglich die Luftqualität.

»Damit könnte ein globales Problem gelöst werden, nämlich die Frage, wie man die biologische Vielfalt in großem Maßstab messen kann«, sagte Littlefair. Zudem würden Proben teilweise jahrzehntelang aufbewahrt, so dass auch Rückblicke auf die Entwicklung der Biodiversität möglich wären. Nun sei eine globale Anstrengung nötig, um die darin enthaltenen Informationen auszuschöpfen sowie ein standardisiertes Protokoll zum Sammeln neuer Daten zu entwickeln.

Mögliche ethische oder datenschutzrechtliche Aspekte erwähnen die Wissenschaftler nicht. Dies wurde jüngst in einer Studie im Fachmagazin »Nature Ecology & Evolution« thematisiert. Demnach könnte bei der Entnahme von eDNA auch identifizierbares menschliches Genmaterial erfasst werden – in überraschend großen Mengen und guter Qualität.

»In den meisten Fällen ist die Qualität fast so gut, als ob man eine Probe von einem Menschen genommen hätte«, erläuterte Studienautor David Duffy von der University of Florida dazu. Nötig sei deshalb eine Abwägung zwischen dem möglichen Nutzen von eDNA-Untersuchungen und dem Datenschutz(dpa/kmh)

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