Biofeedback: Das Verlangen nach Alkohol wegatmen

Negative Gefühle wie Stress oder Angst erhöhen die Gefahr für Rückfälle bei Suchterkrankungen. Auch sogenannte Hinweisreize – etwa Bilder des Suchtmittels zu sehen oder an bestimmten Orten zu sein, an denen die Substanz früher oft konsumiert wurde – können die Sehnsucht danach steigern. Dabei handelt es sich um automatische körperliche Reaktionen, die unabhängig von den bewussten Absichten der Betroffenen ablaufen.
Forschende um den Psychologen David Eddie vom Massachusetts General Hospital in Boston haben untersucht, ob Suchtkranke von Biofeedback profitieren. Damit bezeichnet man Methoden, bei denen Körperfunktionen wie der Herzschlag, die Atmung oder die Muskelspannung einer Person gemessen und ihr zurückgemeldet werden, damit sie bewusst Einfluss darauf nehmen kann. Das Team um den Psychologen David Eddie nutzte eine Technik, die den Teilnehmenden ihre Herzfrequenz-Variabilität zurückmeldet – ein Maß dafür, wie stark der Abstand zwischen den Herzschlägen schwankt.
Untersucht wurden 115 Erwachsene, die seit durchschnittlich rund drei Monaten wegen einer Substanzgebrauchsstörung in Behandlung waren – zwei Drittel davon hatten Probleme mit Alkohol, der Rest vor allem mit Methamphetamin (»Crystal Meth«), Opioiden oder Kokain. Die Hälfte der Teilnehmenden erhielt acht Wochen lang zusätzlich ein Herzratenvariabilitäts-Biofeedback (HRVB). Dabei registriert ein unter der linken Brust angebrachter Sensor, der mindestens acht Stunden am Tag getragen wird, den Herzrhythmus und sendet diesen an ein Smartphone.
Erkennt das System anhand des Herzschlags Stress, fordert es den Nutzer zu einer kurzen, zweiminütigen Atemübung auf, angepasst an die aktuelle Herzfrequenz. Die Atmung aktiviert den sogenannten Baroreflex, der dazu beiträgt, die körperliche Stressreaktion zu dämpfen und das Gefühl von Anspannung zu senken.
Im Verlauf der acht Wochen zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen: Personen, die das Biofeedback-System nutzten, berichteten über deutlich weniger negative Gefühle und über ein geringeres Verlangen nach ihrer Droge. In der Kontrollgruppe dagegen nahm beides zu. Die HRVB-Nutzenden hatten zudem 64 Prozent weniger Tage, an denen sie Alkohol oder andere Substanzen konsumierten. Insbesondere fiel auf, dass sie sich an Tagen mit starkem »Suchtdruck« besser unter Kontrolle hatten.
Bereits frühere Studien hatten günstige Effekte des Biofeedbacks zur Herzfrequenz-Variabilität auf die Psyche ergeben. Sollten sich die Resultate in größeren Stichproben bestätigen, könnte die Methode nach Ansicht der Forschenden ein vergleichsweise einfaches und kostengünstiges Zusatzangebot zur Behandlung von Suchterkrankungen darstellen.
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