Biohybride Bauteile: Muskelgewebe lässt Roboterbeine laufen
Japanische Forscher haben im Labor gezüchtetes Muskelgewebe mit künstlichen Beinen verbunden, diese zu Bewegungen stimuliert und gesteuert. Mittels elektrischer Impulse brachte das Team um Shoji Takeuchi von der Universität Tokio die Minigliedmaßen dazu, in einem Wassertank umherzulaufen, wie es am 26. Januar 2024 in einer Veröffentlichung im Fachjournal »Matter« berichtete. Die Experimente liefern Anhaltspunkte dafür, wie sich biologische und technische Bauteile verbinden lassen, um kompaktere und effizientere »biohybride« Roboter zu konstruieren.
Zunächst ließen die Wissenschaftler Skelettmuskelzellen in der Petrischale wachsen. Anschließend spannten sie die Muskelstränge an zwei biegsame, mehrere Zentimeter lange Beine aus Silikon. Setzten sie diese Konstruktion gezielten Stromschlägen aus, zog sich das Gewebe zusammen, und das Beinpaar machte winzige Schritte vorwärts. Die Bilder und Videos der Versuche sind zwar eher putzig als spektakulär – von technisch weit entwickelten humanoiden Maschinenwesen kursieren weitaus imposantere Aufnahmen im Internet. Solche Hochleistungsroboter können bereits laufen und beherrschen andere komplexe Bewegungsabläufe. Aber sie sind längst nicht so vielseitig wie der Mensch. Insbesondere enthalten sie keine biologischen Komponenten, die energie- und platzsparender arbeiten können als mechanische. Beides zu verbinden, könnte daher langfristig entscheidende Fortschritte bringen, auch wenn die ersten Gehversuche noch unbeholfen aussehen.
Takeuchis Forschungsgruppe gilt als mit führend auf dem Gebiet der biohybriden Robotik und macht seit längerer Zeit Schlagzeilen mit diversen derartigen Systemen, so bereits im Jahr 2010 mit Froschzell-Geruchssensoren und 2013 mit künstlichen Organen. Aufmerksamkeit erregte zudem im Juni 2022 eine Publikation zu gezüchteter selbstheilender Haut, die einen robotischen Finger umhüllte. Das ließ Assoziationen zur »Terminator«-Filmreihe mit ihrem Killerroboter aus »lebendem Gewebe über einem metallischen Endoskelett« aufkommen.
Die Bilder der neuen Entwicklung aus dem Labor in Tokio zeigen allerdings, wie weit solche Vorstellungen noch von der Wirklichkeit entfernt sind. Damit die spielzeugähnlichen Beinchen zucken, müssen die dünnen Muskelstränge für jeden Schritt manuell elektrisch angeregt werden. Alle fünf Sekunden kommt ein solcher Impuls aus einem Stromkabel, so dass die Gliedmaßen in einer Minute kaum mehr als fünf Millimeter zurücklegen. Ebenso lange brauchen sie für eine 90-Grad-Kurve. Dabei hängen sie in einem Wassertank, denn die Muskeln sind auf ständige Umspülung angewiesen. Für ein dickeres und kräftigeres Gewebe, das auch an der Luft funktioniert, müsste ein integriertes Kreislaufsystem Nährstoffe in die Zellen bringen. Laut einer Mitteilung plant das Team um Takeuchi, für eine schnellere und gezieltere Stimulation Elektroden in den Roboter zu integrieren, und arbeitet zudem an der Nährstoffversorgung. Doch vorerst kommt die Forschung an kybernetischen Organismen weiter nur in langsamen Trippelschritten voran.
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