Biomüll: Zu schade für den Komposthaufen

Komposthaufen in privaten Gärten waren jahrzehntelang ein Ausweis ökologischen Gewissens. Doch die meisten dürften der Umwelt mehr schaden als nutzen. »Kompostierung ist Downcycling statt Recycling – aus einem hochwertigen wird ein minderwertiger Wertstoff«, sagt Christian Zurbrügg. Er ist Abteilungsleiter und Forscher für Festmüllmanagement an der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf bei Zürich. Zum Beispiel hat ein Bauer in die Gemüsereste, die im Abfall landen, viel Energie investiert. In Form von Diesel für den Traktor, der sät, düngt, erntet. Und für Dünger etwa, der unter großem Energieaufwand hergestellt wird.
Auch die Pflanze entnimmt dem Boden Minerale, Stickstoff und Phosphor und holt dann mit all diesen Investitionen durch Fotosynthese Kohlenstoff aus der Luft. Wenn Reste dieser Pflanzen als Kompost auf einem Feld ausgebracht werden, kommen zwar die Nährstoffe wieder in den Kreislauf. Doch die in der Pflanze enthaltene Energie geht ungenutzt verloren, wenn diese auf dem Kompost verrottet. »Er kann durch die Zersetzung kurzfristig bis zu 70 Grad Celsius warm werden«, sagt Christina Dornack, Direktorin des Instituts für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden. »Aber alle Versuche, diese Wärme zu nutzen – auch in kommerziellen Anlagen –, sind gescheitert.«
Beim privaten Komposthaufen ergibt sich ein zusätzliches Problem. »In Gärten wird Kompost nicht ständig umgewälzt und frisch belüftet«, erklärt Dornack. »Es entstehen dann leicht Zonen, in die kein Sauerstoff kommt. Und wenn das der Fall ist, setzen Mikroorganismen Methan frei.« Dieses Gas hat eine 25-fach höhere Treibhausgaswirkung als Kohlenstoffdioxid. Hobbygärtner dürften wohl fast nie genügend Durchlüftung erreichen. »Man müsste den Kompost anfangs fast täglich einmal umsetzen«, sagt Dornack. »Nach zwei bis drei Wochen sollte man es wenigstens einmal wöchentlich machen – und wer hat dafür schon Zeit?«
Kompost ist anspruchsvoll
Feuchtigkeit – zu viel wie zu wenig – kann ebenfalls leicht Schwierigkeiten machen. »Wenn Kompost etwa nach einem Regen komplett unter Wasser steht, gibt es wiederum anaerobe Bereiche und Methanbildung«, sagt Dornack. »Fällt die Feuchtigkeit dagegen unter 50 Prozent Wassergehalt, findet kaum noch Zersetzung statt.« Hier kann die Abdeckung mittels einer Plane helfen. Sie beugt einerseits einer Überschwemmung durch Starkregen vor und andererseits Austrocknung bei Hitze.
Auch die Art der abgelagerten organischen Abfälle beeinflusst die Kompostierung. »Küchenabfälle sollten nicht auf den Gartenkompost; bei ihrer Zersetzung entsteht besonders viel Methan«, erläutert Dornack. »Wenn nur Gartenabfälle im Kompost landen, ist die Methanproduktion hingegen vernachlässigbar.« Keinesfalls sollte man gegarte Lebensmittel auf den Gartenkompost werfen, warnt Dornack: »Dann hat man schnell Ratten da.« Auch Knochen oder Schalen von Zitrusfrüchten hätten dort nichts verloren, denn sie verrotten viel zu langsam.
Kommerzielle Anlagen kommen dagegen gut mit Küchenabfällen klar. In Deutschland wird noch etwa die Hälfte des von der Müllabfuhr abgeholten Biomülls kompostiert. Die darin enthaltene Energie geht also ebenfalls verloren. Dann wiederum kann der heimische Gartenkompost Boden gutmachen. »Die Energiebilanz kann etwas besser sein als bei der industriellen Kompostierung, weil die Transportwege für den organischen Abfall wegfallen«, sagt Urs Baier, der an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) viele Jahre zum Thema geforscht hat. Die Strecke zur Kompostieranlage – und nicht zuletzt diejenige, die der dort produzierte Kompost oder Dünger zurücklegt, den Gartenbesitzer kaufen – wirkt sich im Vergleich positiv auf die Energiebilanz des Gartenkompostes aus.
Abfallwissenschaftlerin Dornack betont den Wert von sachgerecht hergestelltem Kompost. »Er hat einerseits alle Nährstoffe, die Pflanzen zum Wachsen benötigen: Stickstoff, Phosphor, Kalium«, bekräftigt sie. »Doch seine Wirkung geht darüber hinaus, weil seine Struktur den Boden verbessert.« Mit Kompost gedüngter Boden könne Wasser besser speichern und sei besser durchlüftet.
Eine bessere Zukunft für Biomüll
»Aber die Kompostierung braucht viel Platz und Zeit«, sagt Christian Zurbrügg. »Und kaum jemand ist bereit, für Kompost Geld zu bezahlen. Wir erforschen deshalb, wie man mit organischem Abfall eine höhere Wertschöpfung erzeugen kann.« An der Eawag hat er deshalb ein Handbuch zur Zucht der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) entwickelt. »Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege fressen organische Abfälle, und zwar sehr rasch«, sagt Zurbrügg. »Wenn wir die derart gemästetetn Insekten anschließend als Futtermittel in der Tierindustrie verwenden, schließen wir den Nährstoffkreislauf und wandeln Abfall zu einem wertvollen Rohstoff um.«
»Die Energiebilanz kann etwas besser sein als bei der industriellen Kompostierung, weil die Transportwege für den organischen Abfall wegfallen«Urs Baier, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege haben nämlich einen hohen Proteinanteil. Sie können Soja oder Fischmehl als Tierfutter teilweise ersetzen, etwa für die Hühnerfleisch- und Eierproduktion sowie für die Aquakultur, und diese so nachhaltiger machen. Bislang importiert Deutschland einen Großteil des proteinhaltigen Futters – vor allem Soja. »Seit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg wissen wir, dass es sinnvoll ist, sich von Einfuhren unabhängiger zu machen«, erklärt Zurbrügg. »Außerdem sind diese ökologisch zum Teil sehr kritisch zu sehen.« Allein die Transporte setzen viele Treibhausgase frei. Zudem geht der Anbau von Soja in den Tropen oft auf Kosten des Regenwalds – und eigentlich könnten Sojaprodukte auch direkt vom Menschen gegessen werden. Das wäre für eine nachhaltige Welternährung günstiger, als sie Tieren zu geben. Bei der Verfütterung gehen 90 Prozent der in der pflanzlichen Biomasse enthaltenen Energie verloren.
Tipps für den Gartenkompost:
- Richtig sortieren: Küchenabfälle sollten in die Biotonne. Bei ihrer Zersetzung entsteht besonders viel Methan. Wenn nur Gartenabfälle im Kompost landen, ist die Methanproduktion vernachlässigbar. Gegarte Lebensmittelreste locken außerdem Ratten an.
- Richtig belüften: Grünschnitt zu zwei bis drei Zentimeter großen Stücken zerkleinern – so kommt genügend Luft daran. Ebenfalls zur Sauerstoffversorgung: einmal pro Woche das zuletzt eingegebene Material umschichten.
- Richtig feucht halten: Kompost mit einer Plane abdecken – Starkregen kann sonst dazu führen, dass keine Luft mehr an das verrottende Material kommt. Hitzewellen dagegen verursachen schnell Austrocknung, und dabei sterben viele enthaltene Organismen, was die Kompostierung verhindert.
Auch die Produktion von Fischmehl, das in der Aquakultur als Futter eingesetzt wird, steht in der Kritik, weil die Meere zunehmend überfischt sind. Für all diese Zwecke wären die Fliegenmaden eine nachhaltige Alternative. »Aus Abfall wird so hochwertiges Protein und Fett, was beides als Futtermittel verkauft werden kann«, sagt Zurbrügg. »Für Kompost wird dagegen selten bezahlt, und wenn, sehr wenig.« In Dübendorf erforschen Eawag-Mitarbeitende, wie auch Laub, Holz und Grasschnitt so vorbereitet werden können, dass die Maden der Schwarzen Soldatenfliege diese vertilgen. Gerade testen die Eawag-Forschenden in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich, ob diese Reststoffe attraktiver werden, wenn sie zunächst mit Wasser und Bakterien versetzt und vergoren werden.
Die Wurmkiste als Alternative
Für die Zucht der Larven gibt es bereits Großanlagen in den Niederlanden, Frankreich – und auch in Deutschland existieren kommerzielle Betriebe. Bezüglich Abfallverwertung gibt es allerdings noch ein Problem. Fliegenmaden dürfen in der EU nicht mit Abfall gefüttert werden, wenn sie danach in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden sollen. »Es ist wichtig, dass die Sicherheit für die Lebensmittelproduktion noch untersucht wird«, sagt Zurbrügg. »Aber langfristig sehe ich da kein größeres Risiko als bei anderen Futtermitteln.« Anders als etwa die einstige Verfütterung von Tiermehl beispielsweise an Rinder (weswegen das Verbot in der EU einst erlassen wurde) ist die Fütterung mit Maden durchaus artgerecht. Zumindest für Federvieh. Hühner picken natürlicherweise Insektenlarven. Bislang dürfen jedoch nur sortenreine organische, vegetarische Abfälle, etwa aus Brauereien, an Soldatenfliegenlarven verfüttert werden, wenn diese ihrerseits wieder als Tierfutter dienen sollen.
In Entwicklungsländern ist die Zucht der Schwarzen Soldatenfliege auf Abfall dagegen längst eingeführt. In Uganda und Indonesien kooperiert die Eawag mit örtlichen Betrieben, die auf diese Weise kommerziell Futtermittel herstellen. »In Entwicklungsländern besteht der Müll zu 50 bis 70 Prozent aus organischem Material – und das wird meistens einfach deponiert«, sagt Zurbrügg. »Aus Abfall einen Wertstoff machen, den man verkaufen kann, das ist dort sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus ökologischer Sicht sinnvoll.« Für den Hausgebrauch dürfte den meisten Menschen die Zucht der Tiere aber zu aufwändig sein.
Doch für den Biomüll zu Hause gibt es eine weitere Möglichkeit, die zunehmend populär wird: die Wurmkiste. »Am Institut wollten wir unsere Abfälle auch kompostieren; nur mit Kaffeesatz, Bananenschalen und Apfelresten funktioniert das allerdings nicht«, erzählt Dornack. »Aber wir können damit auf dem Flur eine Wurmkiste betreiben.« Das Prinzip: Man kauft Kompostwürmer (wie zum Beispiel Eisenia fetida, Eisenia andrei und Eisenia hortensis) und setzt sie in eine gut belüftete Holzkiste. Nach wenigen Wochen bis Monaten haben die Würmer den Biomüll in Kompost umgewandelt, der direkt zur Düngung im Garten verwendet werden kann. Im kleinen Maßstab ist das eine interessante Lösung zur Entsorgung organischer Abfälle, im Großen bleibt es aber eine Form der Kompostierung.
Größtes Problem bleibt die Mülltrennung
Eine andere Art der Verwertung ist unschlagbar: »Biogasanlagen sind Kompostierung überlegen wegen ihrer geringeren Geruchsbelästigung und einer besseren Klimabilanz«, konstatiert eine Übersichtsstudie im Fachmagazin »Renewable and Sustainable Energy Reviews«. Man macht sich zunächst zu Nutze, was beim Kompostieren ein Problem ist: Unter Luftabschluss werden die Abfälle durch Mikroorganismen zum Teil abgebaut – dabei bleibt das energiereiche Methan zurück, ein Gas, das verbrannt werden kann. Die organischen Reste werden wiederum kompostiert, wodurch die Nährsalze zurück in den Kreislauf kommen. »Das ist für das Gros der organischen Abfälle die beste Lösung, denn wir brauchen die Energie und die Nährstoffe«, bilanziert Urs Baier.
In Deutschland gibt es 900 Kompostier- und nur 200 Biogasanlagen, die auch organische Abfälle verwerten können. »Die Investitionen in die Anlagen sind hoch«, sagt Dornack. Durch die Methanproduktion kommen über die Lebenszeit die Kosten meist nicht mehr rein. Deutsche Kommunen scheuen laut Dornack die Mehrkosten für Biogasanlagen, um die Müllgebühren niedrig halten zu können. Ein anderes Problem sind Leckagen. »Wenn nur vier Prozent des Methans entweichen, ist der positive Klimaeffekt dahin«, sagt Dornack. »Wegen dessen vielfach stärkerer negativer Klimawirkung.«
Doch die größte Herausforderung ist bis heute, die Verbraucher überhaupt dazu zu bringen, den organischen Müll so zu sammeln, dass er verwertet werden kann. Laut Umweltbundesamt sind 40 Prozent des Hausmülls organischen Ursprungs, sollten demnach in die Biotonne. Hausmüll wird zwar verbrannt, das heißt, der Energiegehalt der beigemischten organischen Abfälle wird genutzt. »Allerdings sind diese oft feucht, müssen also erst noch unter Energieaufwand getrocknet werden«, sagt Dornack. »Und die enthaltenen Nährstoffe sind für das Recycling unwiederbringlich verloren.«
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