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Bis der Mensch kam: Flugunfähigkeit war ein Erfolgsmodell

Deutlich mehr Vögel als bislang bekannt haben im Lauf der Evolution das Fliegen verlernt. Als die Menschheit ihre Inselheimaten besiedelte, starben sie massenhaft aus.
Neuseeländischer Kakapo genießt das wilde Leben auf einer rattenfreien Insel

Pinguine haben es verlernt, der Kakapo auch, und Straußenvögel besitzen sie womöglich seit Millionen Jahren nicht mehr: Rund um die Erde existieren rund 60 Arten, die ihre Flugfähigkeit verloren haben. Diese Zahl ist jedoch eine starke Unterschätzung, denn seit dem Ende der Eiszeit sind wohl mindestens 166 Vogelarten ausgestorben, die nicht mehr fliegen konnten. Und die meisten davon gehen auf das Konto der Menschheit und der sie begleitenden Tiere wie Katzen und Ratten. Das legt eine Studie von Manuel Steinbauer von der Universität Bayreuth und seinem Team nahe, die in »Science Advances« erschienen ist.

»Unsere Analysen zeigen, dass in mehr als der Hälfte aller Vogelordnungen mindestens eine Vogelart ihre Flugfähigkeit verloren hat. Der Verlust der Flugfähigkeit hat sich für diese Tiere ursprünglich als evolutionärer Vorteil erwiesen, und das in mindestens 150 voneinander unabhängigen Fällen«, sagt Steinbauer. Besonders ausgeprägt haben sich flugunfähige Vogelspezies auf ozeanischen Inseln entwickelt, wo Fliegen für sie mehr Nach- als Vorteile hatte. Diese Vögel wurden größer und schwerer als verwandte Arten auf dem Festland und erschlossen sich dadurch Nischen, die andernorts durch Säugetiere besetzt waren. Beispiele dafür sind etwa die neuseeländischen Moas, die Elefantenvögel Madagaskars oder der Dodo auf Mauritius.

Doch als Menschen diese Inseln besiedelten, starben die flugunfähigen und an agile Jäger nicht angepassten Vögel rasch aus. Besonders betroffen von dieser Aussterbewelle waren nach bisherigem Kenntnisstand Neuseeland und Hawaii, wo jeweils mehr als 20 flugunfähige Vogelarten existierten, die überwiegend ausgerottet wurden. Aber auch auf den Kanarischen Inseln lebten Vögel, die nicht mehr fliegen konnten und die nach der Besiedlung ausstarben. Die auf Teneriffa ausgestorbene Ammer Emberiza alcoveri und der ebenfalls ausgestorbene Stieglitz Carduelis aurelioi gehören zu den seltenen bekannten Beispielen für kleine Vögel, die nur noch laufen konnten.

Die Zahl der ausgerotteten flugunfähigen Vogelarten dürfte sich daher weiter erhöhen, sobald andere Inseln und Archipele besser untersucht werden. Allein die Besiedlung der pazifischen Inselwelt ging wohl mit dem Aussterben von rund 1000 Nichtsingvogelarten einher; viele davon waren womöglich flugunfähig. Ähnliches könnte für die Karibik und die Inseln im Indischen Ozean gelten. »Insgesamt sind 581 Vogelarten nachweislich vom Menschen ausgerottet worden. Wenn man sie zu den heute noch lebenden Vogelarten addiert, steigt die Zahl der Vogelarten insgesamt nur um fünf Prozent. Doch der Anteil der flugunfähigen Vogelarten erhöht sich dadurch auf das Vierfache«, sagt Steinbauer.

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