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Paläontologie: Bislang älteste Spermien der Welt entdeckt

Winziger Krebs, riesige Spermien: Vor 100 Millionen Jahren wurde ein weiblicher Muschelkrebs wohl kurz nach der Paarung vom Harz eingeschlossen.
Ein Lichtmikroskop macht Myanmarcypris huiin im Bernstein sichtbar.

Die ältesten bislang bekannten Spermien der Welt sind 100 Millionen Jahre alt. Ein internationales Team von Paläontologen hat sie in Bernstein gegossen im Inneren eines weiblichen Muschelkrebses aus Myanmar entdeckt, wie die Forscher im Fachmagazin »Proceedings B« berichten. Das Krustentier hatte sich offenbar gerade gepaart, ehe es im Baumharz eingeschlossen wurde.

Den bisherigen Rekord hielten 50 Millionen Jahre alten Samenzellen. Forscher hatten sie im versteinerten Kokon eines Gürtelwurms in der Antarktis entdeckt und vor fünf Jahren in der Zeitschrift »Biology Letters« vorgestellt.

Evolution: Millionen Jahre altes Riesenspermium

Veröffentlicht am: 25.09.2020

Laufzeit: 0:01:40

Sprache: deutsch

Die Krebse, die mit ihrem zweiklappigen, verkalkten Panzer ein wenig an Muscheln erinnern, existieren seit 500 Millionen Jahren. Mit dem Spermienfund entdeckten die deutschen, britischen und chinesischen Forscher eine bislang unbekannte Art, die sie Myanmarcypris hui nannten. Mittels Röntgenmikroskopie fertigten sie computergestützte 3-D-Rekonstruktionen der in Bernstein eingebetteten Krebse an. Dabei waren nicht nur die winzigen Gliedmaßen der nur gut einen halben Millimeter großen Tiere zu sehen, sondern auch ihr Fortpflanzungsorgane und eben die 100 Millionen Jahre alten Spermien.

Fadenförmige Riesenspermien | Die Rekonstruktion zeigt eines der beiden Speicherorgane für Spermien aus einem Weibchen der kreidezeitlichen Myanmarcypris hui.

Spermien könnten länger gewesen sein als der Krebs selbst

Die Spermien lagen in beutelartigen Behältern, in denen sie aufbewahrt wurden, bis die Eier befruchtungsreif waren. »Dieses Weibchen muss sich kurz vor dem Einschluss im Baumharz noch gepaart haben«, sagt Koautor He Wang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing. Die Rekonstruktionen enthüllten auch die charakteristischen muskulösen Spermienpumpen und zwei Penisse, mit denen männliche Muschelkrebse die Weibchen begatten.

»Es war eine überaus seltene Möglichkeit, etwas über die Evolution dieser Organe zu erfahren«, sagt die beteiligte Geobiologin Renate Matzke-Karasz von der LMU in München. Die Spermien seien wahrscheinlich länger gewesen als der Krebs selbst. Da sie aufgewickelt in den Speicherorganen lagen, lasse sich die Länge nicht genau feststellen. Bei heutigen Muschelkrebsen seien sie teils fünfmal so lang.

Der Nachweis aus Myanmar, dass Tiere sich bereits seit mehr als 100 Millionen Jahren mit Riesenspermien fortpflanzen, beweise den Erfolg dieser Strategie, sagt Matzke-Karasz. Bei den meisten Tieren wie auch beim Menschen gebe es winzige Spermien in sehr großen Mengen. Nur wenige Tiere, darunter manche Fruchtfliegen und eben Muschelkrebse, stellten eine relativ kleine Anzahl überdimensionaler Spermien her, die um ein Vielfaches länger seien als die Tiere selbst. (dpa/asw)

Myanmarcypris-Männchen | Die für Krebse typischen zwei Antennenpaare sind vorne aus dem zweiklappigen Gehäuse gestreckt, wie die Rekonstruktion zeigt. Die starke Oberflächenskulptur der Klappen ist ein artspezifisches Merkmal.

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