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News: Bissige Geschichte

13 Millimeter Knochen und sechs teilweise demolierte Backenzähne - mehr kann Asfaltomylos patagonicus rein körperlich momentan nicht bieten. Mit seinen winzigen Beißerchen kaut er allerdings heftig am Bild der säugetierlichen Vergangenheit: Er ist der erste Vertreter seiner Verwandtschaft aus dem Jura, den Forscher in Südamerika antreffen. Offenbar gingen die vermutlichen Vorfahren von Schnabeltier und Ameisenigel schon sehr früh eigene Wege.
Kiefer
Zähne haben die Evolution der Säugetiere immer tiefer in die Erdgeschichte genagt. Ursprünglich dachte man, die frühen Vertreter hätten zur Kreidezeit, als die Dinosaurier noch die Welt beherrschten, die ersten Schritte in Richtung Vielfalt gewagt. Doch weit gefehlt. Schon im Jura machten sich die damaligen Winzlinge bereit, einst deren Nachfolge anzutreten. Sie entwickelten Zahnformen, die sie ihren großen, gefräßigen Zeitgenossen haushoch überlegen machten: Ausgeprägte Höcker und Kanten auf den Backenzähnen ermöglichten ihnen, Futter nicht nur zu rupfen, sondern auch zermahlen und schneiden zu können.

Dieses schnittige Konzept war dermaßen erfolgreich, dass es offenbar gleich zweimal in der Säugetierentwicklung entstand, und zwar ganz unabhängig voneinander. Die Vorfahren der heutigen Beuteltiere – wie Känguruhs und Koalas – sowie der Plazentatiere – von Maus bis Mensch – erfanden die Beißwerkzeuge auf der Nordhalbkugel. Schon etliche Millionen Jahre früher und weit davon entfernt, auf dem Südkontinent Gondwana, hatten auch die Australosphenida, die vermutlichen Ahnen der Kloakentiere, die Vorzüge der Backenzähne entdeckt.

Allerdings steht der rekonstruierte Stammbaum dieser gondwanischen Säugetiere mangels Zähnen auf wackligen Füßen. Nur insgesamt fünf Funde in Madagaskar, Tansania und Australien belegen ihr jurassisches Schicksal. Jetzt stoßen weitere Beißerchen dazu, allerdings aus gänzlich unerwarteten Gefilden – nämlich Patagonien.

Einen linken Kieferknochen mit sechs Backenzähnen stöberten Oliver Rauhut vom Museo Paleontológico Egidio Feruglio, Thomas Martin von der Freien Universität Berlin und ihre Kollegen dort in Ablagerungen des mittleren bis späten Jura auf. Obwohl teilweise beschädigt, sprechen die Zähne eine deutliche Sprache: Ihr Besitzer gehört zu den Australosphenida.

Wenn der nun frisch getaufte Asfaltomylos patagonicus schon damals in Südamerika lebte, dann war die Sippe der Australospheniden auf dem Superkontinent Gondwana wohl im mittleren Jura schon weiter verbreitet als bisher vermutet. Lange allerdings hat sie auf ihrem westlichen Außenposten offenbar nicht ausgehalten. Denn in der folgenden Kreidezeit finden sich dort zwar reichliche Säugetier-Angehörige, Australospheniden sind jedoch nicht mehr dabei.

Selbst ihr zeitlicher Vorsprung in der Gebissentwicklung hat den Südländern nicht geholfen. Während die Säugetierabkömmlinge aus dem Norden nach und nach die ganze Welt eroberten, sind von den Nachfahren der Australospheniden wohl nur noch zwei Vertreter übrig: Schnabeltier und Ameisenigel. Und denen fehlen zudem die Zähne.

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