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Botanik: Bizarre Orchidee bestäubt sich selbst mit Trick

Orchideen sind nicht nur vielfältig in ihrer Gestalt, sondern auch in ihrer Lebensweise. Eine japanische Art stellte die Forschung deswegen 130 Jahre lang vor Rätsel.
Nahaufnahme einer kleinen Orchideenblüte mit zarten, durchscheinenden Blütenblättern in Rosa- und Gelbtönen. Die Blüte sitzt auf einem grünen Stängel mit einigen Blättern im Hintergrund. Der Hintergrund ist unscharf, was den Fokus auf die detaillierte Struktur der Blüte lenkt.
Die winzige Orchidee Stigmatodactylus sikokianus wächst in dichten, japanischen Wäldern.

In den schattigen Wäldern Japans wächst eine besondere Orchidee: Stigmatodactylus sikokianus ernährt sich von Pilzen, betreibt praktisch keine Fotosynthese und erzeugt auch keinen Nektar. Von Insekten wird sie daher extrem selten besucht. Und dennoch vermehrt sie sich. Doch über das »Wie« rätseln Botaniker seit ihrer Entdeckung 1889. Kenji Suetsugu von der Universität in Kobe und seine Arbeitsgruppe legen in »Plants, People, Planet« die Lösung vor: Die Pflanze bestäubt sich mit einem speziellen Trick und einer Art Finger selbst, wie die Biologen nun beobachten konnten.

Unter ihrer Narbe, wo während der Bestäubung die Pollen abgelegt und aufgenommen werden, befindet sich ein fingerartiges Anhängsel. Es spielt während der Befruchtung die entscheidende Rolle, wie das Team sowohl im Freiland als auch bei Experimenten im Labor feststellte. Wenn keine Insekten die Orchidee zur Bestäubung besuchen, beginnt die Blüte zu welken. Fallen die Blütenblätter schließlich ab, bewegt sich der Finger langsam in Richtung Narbe, wo er dann den Pollen mit dem klebrigen Empfänger in Kontakt bringt.

Diese Selbstbestäubung erfolgt zwar nur als Notnagel, sollte kein Insekt vorbeischauen – am dunklen Waldesgrund und noch dazu ohne Nektar als Gegenleistung ist dies jedoch recht häufig der Fall. Teilweise sind die Pflanzen oberhalb der Streuschicht nicht einmal sichtbar. Immerhin erfolgt diese Selbstbefruchtung nicht sofort oder besonders schnell, was der pflanzenübergreifenden Bestäubung eine Chance gibt und so den auf Dauer notwendigen genetischen Austausch gewährleistet.

Mit Hilfe hochauflösender Mikroskope konnten Suetsugu und Co sogar beobachten, wie der Pollen die Pflanze bestäubt: Nach der Blütezeit fällt die Narbe in sich zusammen und kommt über das fingerartige Anhängsel mit den Pollen tragenden Staubblättern in Kontakt. Von dort bildet der Pollen Schläuche und schiebt diese durch den Stempel, worüber das Genmaterial in den Fruchtknoten eingeschleust wird.

Nach Angaben der Biologen konnten sie diesen Mechanismus erstmals bei Orchideen nachweisen. Allerdings verfügen einige andere Arten aus dieser Gattung über ähnliche Finger. Der dunkle Lebensraum »zwingt« die Orchideen zudem, sich von der Fotosynthese unabhängig zu machen: Sie beziehen Energie, indem sie sich von bodenlebenden Pilzen ernähren.

  • Quellen
Plants, People, Planet 10.1002/ppp3.10624, 2025

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