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News: Bizarres Sexleben der Schaben

Die Mär vom erfolgreichen, kraftstrotzenden Sexprotz kursiert unaufhaltsam. Und ist trotzdem falsch. Zumindest bei Schabenweibchen trifft diese Weisheit nicht zu, denn sie bevorzugen einen ganz anderen Typ als Partner. Lässt man den Damen ihre Wahl, so ziehen sie Schwächlinge den aggressiven Tyrannen vor. Allerdings können sie nicht immer ihren Willen durchsetzen, und so kommen auch die laut trommelnden Artgenossen zu ihrer Nachkommenschaft.
Je bunter, lauter und auffälliger die Männchen um die Gunst ihrer weiblichen Artgenossen buhlen, desto größer ist ihre Chance, sich fortzupflanzen. So zumindest erscheint dem Betrachter das Verhalten im Tierreich. Doch es gibt durchaus Ausnahmen. So hat etwa die in Tansania beheimatete Schabe Nauphoeta cinerea ein anderes Ideal. Die Weibchen sind recht dickköpfig und lassen sich auch durch große Mengen an Pheromonen nur wenig beeindrucken. Sie suchen sich die Männchen aus, die am untersten Ende der Hackordnung stehen. Diejenigen, die von ihren männlichen Nebenbuhlern noch mit Füßen getreten werden, erscheinen den Damen als perfekte Wahl.

Doch die verschmähten Männchen lassen sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Schließlich wollen auch sie ihre Gene weitergeben und versuchen mit allen Mitteln zu verhindern, dass die Weibchen ihre eigene Wahl treffen. So kämpfen sie mit allen Waffen, die ihnen zur Verfügung stehen, um die Aufmerksamkeit der Weibchen zu erlangen und versprühen solch große Mengen an Pheromonen, dass die aufmüpfigen Weibchen sie kaum noch ignorieren können. Und ihre unterlegene Konkurrenz hindern sie an der Produktion des Sexuallockstoffs, damit den Weibchen erst gar keine Chance gelassen wird, sich selbst einen Partner zu suchen.

Haben die Damen allerdings ihren Kopf durchgesetzt und sich den schwachen Traumpartner geangelt, setzen sie als erstaunliche Antwort weniger männliche Nachkommen in die Welt, als nach der Paarung mit den Kraftprotzen. Wie sie deren Geschlecht bestimmen können, ist allerdings noch völlig unklar. Möglicherweise wollen sie somit diesen Söhnen bei den nachfolgenden Generationen höhere Chancen vermitteln, indem sie den Gesamtbestand an Männchen reduzieren. Doch sicher sind sich die Verhaltensforscher in diesem Punkt nicht.

Und so selten wie es auf den ersten Blick erscheint, ist die Wahl der schwachen Männer im Tierreich gar nicht. Auch die weibliche Sandgrundel, eine Fischart, bevorzugt untergeordnete Männchen. Denn sie haben sich als bessere Väter hervorgetan und somit ihrer kräftigen Konkurrenz den Rang abgelaufen. Insgesamt gibt es über ein Dutzend Spezies, von Nachtfaltern über Vögel bis zu den Salamandern, in den die Weibchen dieselbe Vorliebe für sanfte Männer verbindet. Doch welche Hintergedanken die weiblichen Schaben in Tansania bei ihrer Wahl haben, weiß auch die Verhaltensforscherin Elisabet Forsgren von der Göteborg University in Schweden nicht zu beantworten. Das Rätsel Frau lässt sich eben nicht so gerne in die Karten gucken. Vielleicht ist sie auch nur vorsichtig, und vermeidet eigene Verletzungen, wenn sie den dominanten Männern aus dem Weg geht.

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  • Quellen
Nature Science Update
Proceedings of the Royal Society B 268: 517–523 (2001)

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