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News: Blaß geht es auch

Tiere atmen Sauerstoff in ihre Lungen ein. Dort wird er auf das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen übertragen, die ihn bis in die entlegensten Körperregionen transportieren. In den Muskeln geht der Sauerstoff vom Hämoglobin auf das verwandte Molekül Myoglobin über, das ihn zu den verbrauchenden Stellen in den Zellen befördert. Bislang nehmen Wissenschaftler an, Myoglobin sei wegen seiner Übermittlerrolle lebensnotwendig für den ganzen Organismus. Doch ein neu gezüchteter Stamm von Labormäusen kommt auch ohne das Protein aus und ist ebenso fidel wie seine Verwandten mit Myoglobin. Wie die Mäuse den Verlust kompensiert haben, ist den Forschern bislang ein Rätsel.
Dan Garry und seine Mitarbeiter vom University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas züchteten Mäuse, denen das Gen mit der Bauanleitung für das Protein Myoglobin fehlt. Die Forscher erwarteten, daß die Nagetiere nicht ohne Myoglobin überleben könnten, denn das Molekül transportiert im Herzen und in der langsam kontrahierenden Skelettmuskulatur vieler Tierarten Sauerstoff von den Kapillaren zu den Mitochondrien der Zellen. In diesen Strukturen werden die Nährstoffe unter Sauerstoffverbrauch oxidiert. Der Ausfall des Myoglobins hätte eigentlich den Weg des Sauerstoffs unterbrechen und die Herzmuskulatur unversorgt lassen müssen – ein ähnlicher Effekt, wie er beim Herzinfarkt auftritt.

Die Mäuse ohne Myoglobin überlebten nicht nur bis zur Geburt, sondern entwickelten und vermehrten sich ganz normal. Im Laufrad standen sie den üblichen Stämmen von Labornagern in nichts nach. Selbst während der Simulationen verschiedener Höhenlagen – bei denen der Organismus mit Sauerstoffmangel arbeiten muß – war kein Unterschied zwischen den mutierten und den gewöhnlichen Mäusen zu beobachten (Nature vom 29. Oktober 1998).

Einzig die Farbe der Herz- und Ausdauermuskulatur war verschieden. Das Fleisch der Mäuse ohne Myoglobin war fast weiß, statt kräftig rosa. "Nach unseren Ergebnissen ist das Sauerstoff-Transportsystem für die Herz- und langsam kontrahierende Muskulatur viel komplizierter als angenommen", sagte Garry.

Welche Anpassungen den Verlust des Myoglobins kompensieren, wissen die Forscher allerdings noch nicht. Sie suchen jetzt nach Genen, die bei den mutierten Mäusen unter Sauerstoffmangel aktiver sind als bei normalen Stämmen. "Wir glauben auch jetzt noch, daß Myoglobin eine wichtige Rolle spielt, aber etwas anderes ist ebenfalls wichtig", meinte Garry. "Wenn wir diese Anpassungen finden und verstehen, steigt auch unser Wissen über die Vorgänge bei Schmerzen in der Brust. Das wird sich auf die Behandlung von Patienten, die unter Erkrankungen der Herzkranzgefäße leiden, auswirken."

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