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Kosmetika: Blasse Grundlage

Helle Haut galt bei Römerinnen als vornehm. Und auch wenn sie im fernen Britannien sicher weniger Sorge um Sonnenbräune hegen mussten, halfen sie mit künstlichen Aufhellern der Blässe ein wenig nach. Das Rezept dafür war so einfach wie wirksam.
Creme nach römischem Rezept
Die heutigen Angaben von Inhaltsstoffen auf Cremedosen lesen sich wie Register von chemischen Lehrwerken, gespickt mit dubiosen Hautmuntermachern vom Algenextrakt bis zum Vitamin-Alphabet. Nicht zu vergessen die Tönung: Leicht gebräunt, wenn auch aus der Tube, wirkt gesund und ansprechend; Blässe hingegen, noch vor gar nicht allzu langer Zeit ein Schönheitsideal, ist eher unerwünscht.

Cremedöschen | Der Inhalt dieses kleine, altrömischen Zinntiegels setzt sich vor allem aus tierischem Fett, Stärke und Zinnoxid zusammen und diente wohl als weiß tönende Tagescreme.
Das war zu altrömischen Zeiten noch anders. Nicht nur waren damals die Salbentöpfe frei von unverständlichen Litaneien, auch die Farbvorlieben lagen entgegengesetzt: Frau bevorzugte hellen Teint, dem sie durchaus auch nachhalf. Womit, das zeigte nun ein kleines Zinn-Cremetöpfchen aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts, das Forscher in London ausgegraben hatten. Richard Evershed und seine Kollegen ermittelten jetzt in bester Detektivmanier die Rezeptur des Inhalts.

Dem ersten groben Blick zufolge bestand die cremig-weiße Paste zur Hälfte aus Kohlenstoff und zu acht Prozent aus Wasserstoff, Stickstoff oder Phosphor konnten die Wissenschaftler dagegen nicht nachweisen – Proteine wie Gelatine waren also nicht enthalten. Bei den fettlöslichen Komponenten, die etwa vierzig Prozent der Gesamtmasse ausmachen, handelte es sich ausschließlich um – überwiegend gesättigte – Fettsäuren. Deren Isotopenanalyse ergab, dass sie wohl von Wiederkäuern stammten. Basis Nummer eins der römischen Schönheitscreme war damit enthüllt: tierisches Fett, wahrscheinlich aus den Kadavern von Schafen oder Kühen. Und offenbar wurde es vor dem Mischen erhitzt, wie das Fehlen von Cholesterol offenbarte.

Den weder wasser- noch fettlöslichen Rest packten die Forscher in den Brennofen und zeichneten mit Gaschromatografie und Massenspektrometer die Zusammensetzung auf. Das charakteristische Zackenmuster zeigte: Hier versteckt sich eine lange Kette aus Glucose-Bausteinen. Nur welche – Zellulose oder Stärke? Die klassische Probe aufs Exempel – ein paar Tropfen Jod-Jodkali-Lösung – bescherte ein tief blauviolettes Ergebnis, und damit war klar: Basis Nummer zwei, die mit ebenfalls etwa vierzig Gewichtsprozent zu Buche schlägt, ist Stärke. Sie dürften die frühen Kosmetiker aus Wurzeln oder Samen gewonnen haben, indem sie die Pflanzenteile in kochendem Wasser erhitzten.

Der dritten Komponente – offensichtlich anorganischer Natur –, kamen die Wissenschaftler gravimetrisch, mit Hitze und Röntgenstrahlbeugung auf die Spur: Mehr als 15 Prozent der Paste bestehen aus Zinnoxid, das schlicht durch Erhitzen von reinem Zinn an der Luft hergestellt werden konnte. Es bot die Möglichkeit, das auf dem Festland als weißliche Gesichtsgrundierung verwendete Bleiacetat zu ersetzen, das die Kosmetiker aus in Essig aufgelösten Bleispänen herstellten. Abgesehen von dessen ungesunden Eigenschaften, die kurz darauf bekannt wurden, war die Nachfrage nach Zinnoxid in Britannien durch die Zinnindustrie Cornwalls problemlos zu decken. Wahrscheinlich gingen die damaligen Cremeproduzenten sogar davon aus, ihr Zinnoxid wäre eine neue Variante von Bleiacetat, spekulieren die Forscher. Denn die Beschreibungen in der damaligen Literatur, wie sich Zinn von Blei unterscheiden ließe, sind höchst verwirrend und widersprüchlich.

Keine Spur entdeckten die Wissenschaftler von irgendwelchen Duftstoffen wie Monoterpenen, die sich aber natürlich im Laufe der Zeit verflüchtigt haben könnten.

Mit dieser übersichtlichen Inhaltsangabe betätigten sich Evershed und seine Kollegen dann auch selbst als Cremefabrikanten – und berichten begeistert von dem Ergebnis: Die erhaltene weiße Paste habe beim Auftragen auf die Haut eine ausgesprochen angenehme Konsistenz, und der zunächst fettige Eindruck verschwinde schnell durch den pudrigen Einfluss der Stärke – nicht umsonst werde diese auch heute noch in der Kosmetik benutzt. Eine gute tönende Gesichtscreme, wie es scheint – ob sie neben modernem Schnickschnack bei Stiftung Warentest bestehen würde? Zumindest könnten die Hersteller keine Klage gegen zu schlechte Noten mehr einreichen.

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