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Insektenökologie: Blattläuse rekrutieren Wirtspflanzen als Müllabfuhr

Pflanzengalle nach Blattlausbefall

Auch einige Blattlausarten gehören zu den gallenbewohnenden Pflanzenschädlingen: Sie hausen, gut geschützt gegen Feinde oder widrige Umweltbedingungen, in einer Wohnkammer, die – ausgelöst durch den Lausbefall – aus dem Pflanzengewebe herangewachsen ist. Im Extremfall siedeln manche der Pflanzenschädlinge sogar zu tausenden monatelang in komplett verschlossenen Gallenhöhlen. Dies bringt allerdings logistische Schwierigkeiten und sanitäre Probleme mit sich. Denn wie entsorgt die Schmarotzergemeinschaft zum Beispiel die ständig anfallenden Ausscheidungsprodukte? Auch hierfür, erkannte nun ein japanisches Entomologenteam, werden gezielt anatomische Systeme der Pflanze umgewidmet.

Pflanzengalle nach Blattlausbefall | Ein Befall mit Blattläusen der Art Ceratovacuna nekoashi induziert bananenstaudenähnliche Pflanzengallen. Im abgeschlossenen Inneren jeder "Banane" leben rund zwei Monate lang Hunderte von Blattläusen und tun sich am Pflanzensaft gütlich.

Die Forscher um Takema Fukatsu vom National Institute of Advanced Industrial Science and Technology im japanischen Tsukuba kommen zu ihrer Schlussfolgerung, nachdem sie sich die Architektur unterschiedlicher Blattlausgallen genauer angesehen haben. Wie alle Blattläuse saugen auch die in den Gallen lebenden Vertreter Pflanzensäfte mit hohem Zuckergehalt, um dann die überschüssigen Kohlenhydrate als mehr oder weniger wässrige "Honigtau"-Lösung in großen Mengen wieder auszuscheiden. Die Tiere ertrinken aber nicht in ihren Ausscheidungen, weil die Innenseite der Gallenwände stark Wasser absorbierend arbeitet und die Flüssigkeit anschließend über die Leitungssysteme der Pflanze abführt.

Zwei nur entfernt verwandte soziale Blattlausarten nutzen dabei sehr ähnlich arbeitende Kloakensysteme in Gallen, die sonst äußerlich sehr verschiedenartig gestaltet sind. Offenbar ist das Ableitungprinzip also mindestens zweimal unabhängig voneinander entwickelt worden, meinen die Forscher nach Untersuchungen der bananenstaudenähnlichen Gallen von Ceratovacuna nekoashi und der eher kugelartigen Nipponaphis-monzeni-Gallen. In offenen Gallen lebende Vertreter wie Tuberaphis styraci müssen ihre Honigtauabsonderungen dagegen aktiv selbst entsorgen: Dies geschieht durch spezielle Soldatennymphen, die den Kolonieabfall regelmäßig zu Löchern auf der Unterseite der Gallen bugsieren.

Offene und geschlossene Gallen | Verschiedene Blattlausarten induzieren bei ihren Wirten sehr unterschiedliche Pflanzengallen: Ganz links etwa die kugelförmigen Gallen, die Nipponaphis monzeni hervorruft; daneben die korallenförmigen Gallen von Tuberaphis styraci und die Bananestaudengallen von Ceratovacuna nekoashi sowie Ceratovacuna japonica. Zwei Blattläuse – T. styraci und C. japonica – leben dabei in offenen Gallen: Löcher im Boden dienen als Gemeinsschaftsabtritt, in den spezielle Sanitärsoldaten der Blattlausgesellschaft die Honigtauhinterlassenschaften entsorgen. In den ganz gegenüber der Umwelt abgeschlossenen Gallen von N. monzeni und C. nekoashi kann das nicht funktionieren. Hier verschwinden die wässrigen Ausscheidungen in einer eigens umgebauten schwammartigen Schicht, die dann in das Gefäßsystem der Pflanze ableitet. (Maßstabbalken: 1 Zentimeter)

Noch sind nicht alle Details des Aufbaus der Wasser absorbierenden Innenseite geschlossener Gallen geklärt. Die Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass unter dem Einfluss der Blattläuse vor allem die Oberflächenstruktur der inneren Wände verändert wird, wobei ein schwammartiges, Wasser aufnehmendes Gewebe entsteht. Zudem fehlen die sonst auf den Deckzellschichten präsenten hydrophoben Wachse, die einem Flüssigkeitsaustausch im Wege stehen würden. Außerdem produzieren die im geschlossenen System lebenden Arten Ausscheidungen mit geringerem Zuckergehalt: Offenbar verstoffwechseln diese Blattlausspezialisten Saccharose aus der Pflanzensaftnahrung effektiver, oder sie scheiden vermehrt Zuckerpolymere statt einzelner Zuckermoleküle ab, spekulieren die Forscher. Beides würde das osmotischen Potenzial des Honigtaus senken und seinen Übertritt ins schwammartige Pflanzengewebe und damit die Entsorgung erleichtern.

Ganz anders arbeiten die Blattläuse, die in offenen Gallen leben: Hier sind die Innenseiten sogar vermehrt mit Wachsschichten versehen, was offenbar die Honigtauentsorgung für die Blattlaus-Sanitärsoldaten einfacher macht.

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