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News: Blitze pflücken

Erste Beobachtungen deuteten es bereits an, doch nun darf es als gesichert gelten: Kurz bevor ein Gewitterblitz in gleißendem Licht erstrahlt, sendet er hochenergetische Strahlung aus.
Blitz
Wissenschaftler, die sich mit Blitzen in der freien Natur beschäftigen, haben es nicht leicht. Tritt doch ihr Forschungsobjekt nur sporadisch in Aktion, und selten tut es den Forschern den Gefallen, sich direkt vor den Messgeräten zu entladen. So wundert es nicht, dass den ersten Versuchen in den zwanziger Jahren, Röntgenstrahlung ausgehend von Blitzen nachzuweisen, eher wechselhafter Erfolg beschieden war. Mal ließ sich hochenergetische Strahlung nachweisen, mal nicht. Ungewiss war ohnehin, ob die gemessene Strahlung überhaupt von Blitzen ausging, oder ob zufällig andere natürliche Ereignisse aus dem Hintergrundrauschen herausstachen.

Da ist es schon deutlich praktischer, wenn man sich bei Bedarf einen ordentlichen Blitz vom Himmel holen kann. Denn selbst im gewitterreichen Florida schlagen die elektrischen Entladungen eher selten direkt vor einem Detektor ein. Joseph Dwyner vom Florida Institute of Technology in Melbourne und seine Kollegen mussten also ein wenig nachhelfen. Das geschah, indem die Forscher gerade in dem Moment kleine Raketen starteten, in dem dunkle Gewitterwolken über das International Center for Lightning Research and Testing zogen.

Mit einem Erdungskabel im Schlepptau waren diese Raketen gefundenes Fressen für die züngelnden Lichterscheinungen, und so ließ die Entladung alsbald den fliegenden Blitzableiter verdampfen, begleitet von unzähligen Seitenblitzen, die von der explodierenden Leitung ausgingen. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler an insgesamt drei Tagen im Sommer und im Herbst letzten Jahres sieben Entladungen auslösen und dabei 37 Übergänge zwischen Leit- und Hauptblitzen beobachten.

Denn so ein Blitz ist mehr als nur ein kurzes Aufflackern: Die Leitblitze (leader) bilden das Anfangsstadium der Entladung. Sie breiten sich in 90 Prozent aller Fälle von einer Wolke zum Boden aus, bilden einen leitenden Pfad aus ionisierter Luft, leuchten aber noch nicht. Erst nachdem dieser Kanal den Boden erreicht hat, erfolgt die eigentliche Entladung mit Stromstößen von bis zu 100 Kiloampere. Das heizt den Blitzkanal so sehr auf, dass er hell aufleuchtet, sich explosionsartig ausdehnt und so die als Donner wahrnehmbaren Schockwellen auslöst.

Mit einem Detektor – einem Szintillationszähler –, der rund 25 Meter von dem Startplatz der Rakete entfernt stand, konnten Dwyer und seine Kollegen die Strahlung detektieren, die beim Blitzschlag frei wurde. Tatsächlich registrierte der Detektor in 31 der 37 Fälle schon 160 Mikrosekunden vor dem Hauptblitz hochenergetische Strahlung, die nur von dem Blitzkanal stammen konnten. Die Emission hielt bis einige Mikrosekunden vor der Hauptentladung an und ebbte dann schließlich ab. Obwohl das alles sehr schnell ging, maß der Detektor in der kurzen Zeit eine Strahlungsenergie von einigen Dutzend Megaelektronenvolt, und vieles spricht dafür, dass jeweils ein ganzer Strahlungscocktail bestehend aus Röntgen- und Gammastrahlen sowie hochenergetischen Elektronen von den Blitzen ausging.

Zwar hatten andere Wissenschaftler vor zwei Jahren bereits ähnliche Beobachtungen gemacht – jedoch an natürlich ausgelösten Blitzen. Bei diesen unterteilt sich die Phase des Leitblitzes nochmal in zwei Abschnitt: Zunächst entsteht ein so genannter stepped leader, der sich ruckartig und stark verästelt fortpflanzt. Erst einige Millisekunden danach folgt häufig ein zweiter Leitblitz, der dart leader, der sich im Gegensatz zum stepped leader mit einer gleichmäßigen Geschwindigkeit von etwa drei Metern pro Mikrosekunde bewegt. Die Raketen von Dwyner und Co lösten direkt einen dart leader aus, aber offenbar sorgte auch dieser allein für das Feuerwerk an hochenergetischen Teilchen.

Aber was bewirkt überhaupt die Emission von Röntgen- und Gammaquanten sowie relativistischer Elektronen? Im Moment kennen die Forscher eigentlich nur einen Mechanismus, der in der Lage wäre, derart hochenergetische Strahlung auszulösen. Demnach müssten so genannte Runaway-Elektronen entstehen. Diese äußerst energiereichen Elektronen könnten dann mit Molekülen in der Atmosphäre kollidieren und dadurch Bremsstrahlung im Röntgen- und Gammabereich emittieren. Runaway-Elektronen entstehen aus sehr schnellen Elektronen, bei denen der Energieverlust durch Kollisionen geringer ausfällt als der Energiegewinn durch ein elektrisches Feld. So werden diese Ladungsträger immer schneller, bis sie fast Lichtgeschwindigkeit erreicht haben.

Solche Runaway-Elektronen treten entweder in extrem starken elektrischen Felder auf, oder sie bilden sich durch eine Art Lawineneffekt. Inwieweit einer dieser Mechanismen jedoch auf Blitze zutrifft, ist noch ungewiss. Philip Krider, seines Zeichens Atmosphärenphysiker an der University of Arizona in Tucson, geht davon aus, dass die Experimente von Dwyner und seinem Team den Nachweise jener Runaway-Elektronen erbringen könnten. Und auch weitere atmosphärische Entladungsphänomene ließen sich seiner Meinung nach durch die Versuche aufklären.

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