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News: Blüten und Käfer im evolutionären Duett

Käfer können mit einer höheren Anzahl Spezies prahlen als jede andere Pflanzen- oder Tiergruppe - die Coleoptera zählen 330 000 Arten. Diese Vielfalt könnte sich aus ihrer Vorliebe für eine pflanzliche Ernährung herleiten und so mit dem Erscheinen der Blütenpflanzen vor einigen 100 Millionen Jahren zusammenhängen.

Die These, daß Pflanzen und Insekten eine Koevolution durchlaufen, stammt aus dem Jahr 1964. Sie läßt sich auch heute noch beobachten: Viele Insekten sind bei ihrer Nahrungssuche auf bestimmte Pflanzengruppen beschränkt. Pflanzen wiederum besitzen häufig Abwehrmechanismen gegen die Kerbtiere. Brian Farrell, Evolutionsentomologe an der Harvard University, wollte diese Hypothese überprüfen, indem er die erfolgreichsten aller Insekten genauer untersuchte – die Käfer (Science, Ausgabe vom 24. Juli 1998).

Farrell analysierte hochkonservierte DNA-Sequenzen von 115 Arten herbivorer Käfer, wobei er bis zu sechs Spezies aus den einzelnen Unterfamilien untersuchte. Aus den so erzielten Daten konstruierte er einen stammesgeschichtlichen Baum. Dieser zeigt die wahrscheinlichen evolutionären Beziehungen der heutigen Käfern untereinander und den Zeitpunkt, an dem sie sich aus gemeinsamen Vorfahren entwickelten. Zusätzlich verglich der Forscher 212 morphologische Charakteristika, sammelte Daten fossiler Käfer, Angaben zu den Nahrungsgewohnheiten der verschiedenen Spezies sowie zu deren heutiger Verbreitung. Diese Informationen fügte er seinem Stammbaum hinzu, um so herauszufinden, wann welche Käfer welche Wirtspflanzen auf welchen Kontinenten über welche Zeiträume hin fraßen.

Das entstehende Bild enthüllt die enge Verbindung zwischen den Angiospermen und der Vielfalt der Käfer. Arten, die sich von Zykadeen und Koniferen ernährten, bilden den Stamm des Familienbaums, auf seinen obersten Ästen sind Angiospermen-Fresser zu finden. Zwei verwandte Überfamilien, die Chrysomeloidea und die Curculionoidea, die als Phytophaga zusammengefaßt werden, haben anscheinend besonders vom Aufblühen der blättrigen, grünen Welt profitiert. Zusammen umfassen ihre 135 000 bekannten Spezies ungefähr 80% aller pflanzenfressenden Käfer und fast die Hälfte aller herbivoren Insekten – und ihre Bevölkerungsexplosion fällt mit dem Aufstieg der Angiospermen zusammen. Die Vielfalt der Coleoptera nahm um mehrere Größenordnungen zu, sagt Farrell: Aufgrund der Entwicklung der Angiospermen entstanden über 100 000 neue Spezies von Käfern.

Allerdings waren die Käfer selbst maßgeblich an der Entwicklung der Angiospermen – der Bedecktsamer – beteiligt. Sie ernährten sich von Pflanzenteilen und bevorzugt von ernährungsphysiologisch wertvollem Pflanzenpollen. Auf der Suche nach dieser Lieblingspeise trampelten sie in den Blüten alles nieder und verletzten so auch die Samenanlagen. Um sich davor zu schützen, begannen die Pflanzen, ihre Samenanlagen zu "bedecken" – und entwickelten sich zu Angiospermen. Diese Neuerung – die geschützte Samenanlage – erwies sich als äußerst sinnvoll und ermöglichte den Bedecktsamern einen enormen Entwicklungsaufschwung.

So boten sie den Käfern neue ökologische Nischen zur Besetzung an. Die Eroberung dieser neuen Umgebung, in der es noch keinen Wettbewerb gab, setzte Farrells Ansicht nach den Startschuß für eine explodierende adaptive Radiation der Coleoptera. Oder, wie Thomas Eisner von der Cornell University bemerkt: "Das passiert, wenn man sein Gemüse ißt."

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