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News: Blutsauger im Maisfeld?

Vampire sind Sagengestalten, die auch die ernstzunehmende Wissenschaftler immer wieder beschäftigen. Vor allem eine Frage stellt sich: Auf welchem realen Hintergrund könnten die schaurigen Erzählungen beruhen? Wer sie nicht als bloßen Aberglauben abtun möchte, der sucht nach Krankheitsbildern, welche die entsprechenden Symptome verursacht haben könnten. In Frage kommt zum Beispiel die Tollwut. Oder aber eine Krankheit, die den meisten nicht ganz so geläufig ist: eine spezielle Form der Porphyria.
Manche Menschen haben allen Grund, das Sonnenlicht zu fürchten. Sobald sie ihre Haut den Strahlen aussetzen, treten entstellende Blasen auf, die Vernarbungen und Pigmentierungsverlust mit sich bringen. Die Krankheit, an der sie leiden, wird als Porphyria cutanea tarda bezeichnet.

Die Konsequenz für die Betroffenen besteht darin, das Licht zu meiden. Aber auch einigen chemischen Substanzen müssen sie aus dem Weg gehen, von denen viele in Knoblauch vorkommen. Bei der Behandlung der Kranken müssen regelmäßig Bluttransfusionen vorgenommen werden. So verwundert es also nicht, daß Porphyria in die Gruppe der Krankheiten gehört, die mit der Entstehung von Sagen über Vampire und Werwölfe in Verbindung gebracht wird.

Biochemisch gesehen beruhen Porphyrien auf einem genetischen Defekt, der die Synthese des Haem beeinflußt, des sauerstofftragenden Pigmentes im Blut. Es kommt zu einer Anhäufung von Porphyrin oder seinen Vorstufen. Porphyrin ist die Substanz, aus der Haem gebildet wird.

Doch nicht nur bei Menschen kann diese Schädigung gefunden werden. In The Plant Cell vom Juli 1998 zeigen Wissenschaftler, daß bei Pflanzen ähnliche Symptome auftreten, die von einer Mutation des äquivalenten Gens hervorgerufen werden (Volltext Originalartikel).

Gongshe Hu von der University of Missouri, Columbia, und seine Mitarbeiter beschreiben eine Gruppe von bisher wenig verstandenen Mutationen im Mais, die Blattschäden und Zelltod verursachen. Der Grad der Schädigung wird durch helles Licht verstärkt. Daraus könnte geschlossen werden, daß hier reaktive Sauerstofformen beziehungsweise freie Radikale eine Rolle spielen.

Das geschädigte Gen codiert für die Uroporphyrinogendecarboxylase (UROD), ein wichtiges Enzym im Porphyrin-Stoffwechsel, was für die Synthese von Haem und Chlorophyll verantwortlich ist. Pflanzen, die zwei defekte Kopien dieses Gens besitzen, leiden an Chlorophyllmangel. Ist nur eine Kopie geschädigt, dann treten die beschriebenen Symptome auf.

Da auch bei Menschen Mutationen im UROD-Gen häufig zu Porphyria führen, scheint eine gemeinsame Wurzel zu existieren und möglicherweise ein gleicher Mechanismus verantwortlich zu sein. Die Mutation vermindert die Aktivität des UROD-Enzyms, so daß Uroporphyrin angehäuft wird. Diese Substanz verhält sich höchst reaktiv, sobald sie dem Licht ausgesetzt wird. Sie kann die Haut- und Blattschädigungen hervorrufen, die das Krankheitsbild bei Menschen und Pflanzen prägen.

Während die Menschen, die an der Porphyria leiden, also tatsächlich – wie Vampire – dem Knoblauch aus dem Weg gehen sollten, könnte durch eine andere Pflanze am Ende Hilfe kommen. Vielleicht bringt das Studium am kranken Mais die Forschung über Porphyria einer verbesserten Therapie näher. Wenigstens über eines aber muß sich niemand Sorgen machen: Auch im Maisfeld treiben sich keine pflanzlichen Vampire herum.

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