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Zur Krönung Charles’ III.: Der schöne Prinz Charles, der Möchtegernkönig

Schon einmal rief sich einer als Charles III. zum englischen Herrscher aus. Sein legendäres Scheitern machte »Bonnie Prince Charlie« zum König der Herzen ohne Land und Erfolg.
Bonnie Prince Charlie betritt Holyroodhouse
In der schottischen Nationalromantik stieg »Bonnie Prince Charlie« schnell zum Volkshelden auf. Um ein Haar wäre seine Invasion Englands geglückt. Das Gemälde von John Pettie stammt aus dem 19. Jahrhundert.

Welchen Namen sich ein neuer Herrscher bei der Thronbesteigung gibt, ist nie ganz frei von Programmatik. Der amtierende König Charles III. aus dem Haus Windsor etwa konnte sich von den vier Vornamen Charles Philip Arthur George den passenden heraussuchen. Ein Beispiel: Sein Großvater George VI. hatte Großbritannien aufopferungsvoll durch den Zweiten Weltkrieg geführt; als George VII. hätte Charles daran anknüpfen können. Doch Charles entschied sich für Charles und überraschte damit die Kenner der Monarchie. Denn schon einmal erhob einer als Dritter dieses Namens Anspruch auf den Thron, nachdem er um ein Haar das Reich in einen Bürgerkrieg gestürzt hatte. Der »hübsche Prinz Charlie« war glorios gescheitert – als Volksheld für die einen und als notorischer Möchtegernkönig für die anderen.

Dieser Charles nämlich – Charles Edward Stuart – verkündete seine Regentschaft vor rund 260 Jahren dann auch nicht von einer Londoner Residenz aus, sondern im italienischen Exil. Sein Vater war als König ohne Land gestorben. Nur eine Hand voll Anhänger wohnte seiner »Selbstkrönung« bei. Doch so abwegig, wie es klingt, waren seine Ambitionen nicht. Charles gehörte einem renommierten Adelsgeschlecht an, das bereits seit dem 14. Jahrhundert Königinnen und Könige Schottlands und Englands gestellt hatte – darunter auch seine beiden Namensvettern auf dem englischen Thron. Beide hatten sie keinen geringen Anteil am Niedergang des Hauses Stuart.

Charles I., der ab 1625 über die Engländer, Schotten und Iren herrschte, verlor 1649 Kopf und Krone, nachdem er sich als König von Gottes Gnaden nicht mehr an Vereinbarungen mit dem Parlament halten wollte. Einen Bürgerkrieg und elf Jahre Republik später folgte schließlich doch noch sein Sohn Charles II. auf den Thron, konsolidierte die Monarchie, förderte Künste und Wissenschaften – unter ihm wurde beispielsweise die Royal Society gegründet – und entpuppte sich als »Playboy-King«, wie ihn der britische Historiker Ronald Hutton von der University of Bristol nannte: Er brachte keinen ehelichen Nachfolger hervor, dafür aber zwölf Kinder mit sieben Mätressen, was die Thronfolge nicht unerheblich verkomplizierte. Übrigens stammen sowohl die ehemalige Princess of Wales Lady Diana als auch die aktuelle Queen Camilla von Söhnen Königs Charles II. ab. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1685 traf der allseits beliebte Monarch jedoch eine folgenschwere Entscheidung: Er wurde Katholik.

Auch sein Bruder und Nachfolger auf dem Thron, James II., hatte sich dem römischen Glauben verschrieben. Die anglikanische Kirche nahm die Herausforderung an und ermunterte ausgerechnet seinen evangelischen Schwiegersohn Wilhelm III. von Oranien zu einer Invasion. Der niederländische König landete im November 1688 mit einem Heer auf der Insel und vertrieb den Katholiken. James’ Flucht nach Frankreich interpretierte das englische Parlament als Abdankung. Doch nicht etwa sein Sohn James Francis Edward Stuart wurde zum Nachfolger erklärt, sondern seine protestantische Tochter Mary, was ihrem Ehemann die englische Königswürde einbrachte.

»The Young Pretender« | Der attraktive junge Prinz machte schnell von sich reden. Als Sohn eines Exilkönigs verbrachte er seine Kindheit in Rom im Bewusstsein vergangener Größe. Die Illustration aus den 1920er Jahren geht auf ein Gemälde um 1730 zurück.

Dadurch riss die Regentschaft der stuartschen Hauptlinie ab. Das englische Parlament beendete die Ansprüche des alten und überwiegend katholischen Königsgeschlechts vollends, als es 1701 für den so genannten Act of Settlement stimmte, der unter anderem regelte, dass kein Katholik mehr auf dem englischen Thron sitzen dürfe. Mangels protestantischer Nachfolger nach dem Tod Königin Annes – einer protestantischen Stuart – ging die englische Krone 1714 an den nächsten in Frage kommenden evangelischen Verwandten über: Kurfürst Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (1660–1727).

Als König geboren

Die geflohenen Stuarts saßen unterdessen im Unterschlupf im katholischen Europa. Aus dem Exil heraus probierten sich sowohl James II. (1689) als auch sein Sohn James Francis Edward Stuart (1708 und 1715) an einer Invasion und Rückkehr auf den Thron. Ohne Erfolg. Als James III. begnügte sich Letztgenannter schließlich mit der Rolle als König ohne Land, der seinem ältesten Sohn den Weg zur Rückkehr an die Macht auf der Insel ebnete. Womit die Geschichte wieder bei jenem Charles gelandet ist, der Jahrzehnte später seine wenig glamouröse Selbstkrönung in Rom inszenieren wird.

Charles Edward Louis John Sylvester Maria Casimir Stuart wurde am 31. Dezember 1720 in Rom geboren. Während die Anhänger der Stuarts ihn Prince Charles nannten, bezeichneten ihn seine Feinde als »Young Pretender«, was so viel heißt wie »junger Bewerber«, sich aber auch als »Betrüger«, »Heuchler« oder »Selbstdarsteller« lesen lässt. Die Botschaft war klar: Der Junge hatte keinen Anspruch auf den Thron. Charles wuchs als König im Wartestand auf, umgeben von einer Atmosphäre monarchischen Dünkels und dem Bewusstsein vergangener Größe. Seine Mutter Maria Clementina Sobieska war die Tochter eines polnischen Prinzen, der ebenfalls nicht zum polnischen König gewählt worden war.

Charles wurde als Thronfolger erzogen und in die Upper Class Italiens eingeführt. Erste militärische Erfahrungen sammelte er in Spanien, doch viel mehr faszinierten ihn schöne Kleidung, Feiern und das gute Leben, wie seine Biografin Susan MacLean Kybett in ihrem Buch »Bonnie Prince Charlie« aus dem Jahr 1988 schreibt. Auch die kirchliche Karriere, die sein Bruder, ein späterer Kardinal, wählte, sagte ihm nicht zu. »Bonnie Prince Charlie«, der hübsche Prinz, wie er wegen seines attraktiven Äußeren genannt wurde, schmiedete lieber Pläne für die Rückkehr seiner Familie auf den Thron. Die Gelegenheit dazu nahte Anfang der 1740er Jahre.

Die Jacobiten gegen die Krone

Getreu dem Motto »Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde« erblickte der französische König Ludwig XV. (1710–1774) im jungen Stuart die Chance, auf der Insel Unruhe zu stiften und eine weitere Front gegen George II. zu eröffnen, mit dem sich Frankreich im Österreichischen Erbfolgekrieg schlug. Er spendierte Charles eine 10 000 Mann starke Invasionsarmee, die Anfang 1744 über den Ärmelkanal setzen sollte. Doch die Überfahrt misslang wegen englischer Gegenwehr und den Unbilden des Wetters, schreibt der Historiker Daniel Szechi, ehemals an der University of Manchester, in seinem Buch »The Jacobites. Britain and Europe 1688-1788«.

Für die Franzosen hatte sich das Thema »Invasion« vorerst erledigt, nicht aber für den verhinderten Thronfolger. Er organisierte eine private Mission für die Rückeroberung, die ebenfalls fast im Fiasko geendet wäre, noch bevor sie richtig begonnen hatte: Eines der beiden Schiffe, mit denen er Kurs auf Schottland nahm, wurde von einem Engländer angegriffen und so schwer beschädigt, dass es mitsamt der 700 Mann starken Invasionsarmee, den Waffen und der Munition kehrtmachen musste. Doch der junge Anwärter dachte nicht an den Abbruch der Mission, sondern segelte weiter mit Ziel Schottland.

Hier im hohen Norden der britischen Insel, vor allem in den Highlands, glaubte er Unterstützer zu finden: bei jenen Rebellen, die in ihrem Groll auf den König in London schon im Jahr zuvor den jungen Charles zu einer Invasion gedrängt hatten.

Seit mehr als 50 Jahren hatte es in Schottland gegärt. Die so genannten Jacobiten, benannt nach dem lateinischen Namen des letzten Stuartkönigs James II., hatten sich nach 1688 gegen die Krone gewandt – erst recht, als mit dem Hannoveraner George I. ein Mann an die Macht kam, der nicht einmal richtig Englisch sprechen konnte. Die Beweggründe dafür waren sehr unterschiedlich, weshalb diese Opposition nicht als Einheit auftrat: Konservative Kreise etwa hingen dem Gottesgnadentum nach. Katholiken und Andersgläubige lehnten aus religiösen Gründen ab, einen Eid auf den neuen König abzulegen. Andere wendeten sich gegen die aufkommende Korruption unter der neuen Regierung. Viele Schotten begehrten zudem gegen den Act of Union von 1707 auf, der ihnen die Eigenständigkeit genommen hatte. Seinerzeit hatte sich Schottland, dem die Staatspleite drohte, mit England vereinigt, das die Schulden übernahm. Das Parlament in Edinburgh war aufgelöst worden, nur einige wenige Vertreter durften ins Londoner Unterhaus wechseln. Und eine neue Nationalflagge war entstanden: Das englische Georgskreuz und das schottische Andreaskreuz wurden übereinandergelegt – der Vorläufer des heutigen Union Jack.

Glenfinnan | Am Loch Shiel mitten in den schottischen Highlands sammelte sich Charles’ Invasionsarmee. Heute erinnert ein Denkmal an die Invasion, die beinahe geglückt wäre.

Beflügelt von ersten Erfolgen

Zudem war Schottland die Heimat der Stuarts. Als Bonnie Prince Charlie kurz nach seiner Landung mit nur wenigen Getreuen auf der Hebrideninsel Eriskay am 23. Juli 1745 einem einheimischen Klanführer seine Pläne schilderte, soll dieser ernüchtert geantwortet haben: »Young Prince, go home!« Worauf der 24-jährige Thronaspirant erklärte: »I am come home.« Überhaupt scheinen Eloquenz, Charisma und Entschlossenheit der Schlüssel dafür gewesen zu sein, dass sich auf seiner anschließenden Tour durch die Highlands einflussreiche Chiefs mit ihren Männern dem groß gewachsenen jungen Mann anschlossen. Als Charles am 19. August in Glenfinnan das Banner seines Vaters aufrichtete und so den Anspruch seiner Familie auf den englischen Thron symbolisch unterstrich, hatten sich inzwischen rund 2000 kampfbereite Männer um ihn geschart.

Der Aufmarsch wurde zum Durchmarsch: Bald beflügelten erste Erfolge die Truppen, sie drangen in die Lowlands im Osten vor und marschierten am 17. September in Edinburgh ein. Vier Tage später schlugen sie in der Schlacht von Prestonpans die wenigen verbliebenen Regierungstruppen. Meldungen darüber erreichten auch Frankreich, Ludwig XV. zeigte sich angetan von den Fortschritten des Stuarts, ließ Glückwünsche ausrichten, Waffen und Geld liefern – und nahm sich quälend viel Zeit bei der Vorbereitung einer erneuten Invasion. Das französische Zögern schuf viel Raum für Diskussionen unter den Aufständischen: Während Charles von der schottischen Hauptstadt aus nach Süden vordringen und in England einmarschieren wollte, wo sich seiner Meinung nach die dortigen Jacobiten in großer Zahl anschließen würden, bestand sein Berater, der militärisch erfahrene Lord George Murray, darauf, zunächst die Lage im Norden zu stabilisieren und auf die Franzosen zu warten. Der junge Stuart setzte sich durch: Seine inzwischen auf rund 4500 Mann angewachsene Armee, darunter auch englische Soldaten sowie irische und französische Söldner, rückte bis nach Derby vor. Von hier aus waren es nur noch rund 200 Kilometer bis London.

In der englischen Metropole machte sich Panik breit. Einwohner verließen eilig die Stadt. Am ersten »Black Friday« der Geschichte, dem 6. Dezember 1745, brachen die Märkte ein. Zur Selbstvergewisserung und Unterstützung des Königs George II. sangen Theaterbesucher gemeinsam ein neu geschriebenes Lied: »God save the king« – das sich aber auch bei den Jacobiten großer Beliebtheit erfreute. Bei ihnen lautete die erste Zeile: »God save great James, our king.«

Ein entscheidender Moment

Als eines der großen »Was-wäre-wenns« der britischen Geschichte bezeichnen Historiker, was nun geschah – und was nicht. In einem alternativen Verlauf der Geschichte marschierte Charles auf London, stürmte seine Armee, dank rebellionsfreudiger englischer Jacobiten zu einer zwingenden Streitmacht angewachsen, die Metropole. Als die Truppen des englischen Königs Kunde von einer herannahenden französischen Invasionsarmee erhalten, strecken sie die Waffen. Und 278 Jahre später besteigt im Mai 2023 ein König Charles IV. den Thron.

Doch in jenen Dezembertagen stand der junge Stuart inzwischen fast allein da mit seinem Traum vom Vorstoß gen Süden. Sein Kampfgenosse David Wemyss, Lord Elcho (1721–1787), schildert es in seiner Schrift »A Short Account of the Affairs of Scotland, 1745-46«. Beinah alle Rebellenführer entschieden sich während eines erneuten Kriegsrats gegen die Erstürmung der Hauptstadt und für das Absichern der schottischen Gewinne. Charles hatte unter Druck zugegeben, dass er – anders als behauptet – seit seiner Landung weder Kontakt zu den englischen Jacobiten hatte noch wusste, ob Hilfe aus Frankreich zu erwarten sei. Die Klans sahen sich getäuscht.

Was keiner wusste: Der Bote der englischen Stuart-Anhänger war schon auf halbem Weg nach Derby. Im Gepäck hatte er die Zusicherung der Rebellen, sich ebenfalls zu erheben. Und jenseits des Ärmelkanals stellten die Franzosen in aller Eile eine Invasion für Mitte Dezember auf die Beine. Aber die Entscheidung war gefallen.

Schlacht von Culloden | In nicht einmal einer Stunde hatten die königstreuen Truppen um den Duke of Cumberland die Schotten und ihre Mitstreiter aufgerieben. Die Schlacht von Culloden im Jahr 1746 war die letzte offene Feldschlacht auf britischem Boden. Der kolorierte Kupferstich entstand im 18. Jahrhundert.

Die Schlacht von Culloden

Wütend und beleidigt kehrte Bonnie Prince Charlie mit den Truppen um und gab sich eine Zeit lang dem Alkohol hin. Auch die englischen Jacobiten zogen den Kopf wieder ein, und die französische Invasion fiel erneut aus. Unterdessen reifte im Süden der Plan für einen Vernichtungsschlag. König George stellte seinen Sohn William August, den Duke of Cumberland, an die Spitze seiner königlichen Armee. Am 16. April 1746 griffen sie Charles’ 5000 müde Männer an. Die Schlacht bei Culloden, einem kleinen Örtchen östlich von Inverness, war ein einziges Gemetzel. Mit 9000 kriegserfahrenen Soldaten und einer wirkungsvolleren Artillerie waren die Engländer den mehrheitlich schottischen Truppen deutlich überlegen – zumal diese in der Nacht zuvor mit einem Überraschungsangriff gerechnet und kaum ein Auge zugetan hatten. Etwa 1500 Jacobiten starben, 500 weitere gerieten in Gefangenschaft. Auf englischer Seite verloren nach offiziellen Angaben kaum mehr als 50 Soldaten ihr Leben. Der Duke of Cumberland, mit 24 Jahren fast genauso alt wie sein Widersacher, erhielt nach der Schlacht den Beinamen »the Butcher« (»der Schlächter«). Die »Forty-five«, wie die Rebellion heute salopp genannt wird, war vorbei.

Flora MacDonald | Die 24-jährige Bauerntochter – hier in einem zeitgenössischen Porträt des schottischen Malers Allan Ramsay – schmuggelte den als Magd verkleideten Charles auf die Insel Skye. Mit der Flucht endete der letzte realistische Versuch der Stuarts, den Thron zurückzuerobern.

Dem gescheiterten Kronprinz Charles Edward Stuart blieb nur die Flucht. Mit Hilfe der jungen Bauerntochter Flora MacDonald (1722–1790) gelangte er auf die Insel Skye. Bonnie Prince Charlie trug zur Tarnung zeitweise Frauenkleider und gab sich als Dienerin Betty Burke aus. Ein französisches Schiff brachte ihn schließlich zurück auf den Kontinent. MacDonald hingegen landete für ein Jahr im Gefängnis. Für ihre Tat wird sie noch heute als schottische Volksheldin verehrt.

»Der traurige Ritter in schwartzer Gestalt«

Nach seiner Rückkehr begann Charles umgehend wieder damit, Klinken zu putzen. Zwar durchaus beeindruckt davon, wie weit er mit nahezu nichts gekommen war, lehnte Ludwig XV. dennoch weitere Hilfen für die Stuarts ab.

Charles irrlichterte in den Folgejahren durch Europa – auf der Suche nach einflussreichen Unterstützern. 1750 reiste er sogar heimlich nach London und konvertierte dort zum Protestantismus, schreibt Susan MacLean Kybett. Doch letztlich waren seine Chancen, jemals auf dem englischen Thron zu landen, gleich null. Auch eine in seinen Augen standesgemäße Heirat, die den königlichen Anspruch untermauert hätte, fand sich nicht. 1753 zeugte er immerhin mit einer langjährigen Gespielin sein einziges Kind, Charlotte, doch die Mutter floh wenige Jahre später nach Paris. Auch seine spätere Ehefrau, die junge Prinzessin Louise von Stolberg-Gedern, flüchtete vor seiner Gewalt. Nur Charles’ alte Liebe, der Alkohol, stand treu an seiner Seite und machte zeitgenössischen Berichten zufolge aus dem »hübschen Prinzen Charles« nach und nach ein unausstehliches und aufgedunsenes Ekel. Als die Franzosen 1759 doch noch einmal darüber nachdachten, mit einer Armee über den Kanal überzusetzen, ließen sie den Stuart kommen – und gleich wieder abtreten, da sie auf Grund seiner Verfassung wenig Zutrauen in seine Führungskraft hatten.

Nach dem Tod seines Vaters am 1. Januar 1766 nahm er den Königsnamen Charles III. an, doch nur die Jacobiten – von denen viele inzwischen im Exil lebten – akzeptierten seine Regentschaft und prägten seinen Titel unter anderem auf Medaillen. Nicht einmal die katholische Kirche erkannte ihn als König an, genauso wenig wie die Monarchen von Frankreich und Spanien. Charles Edward Stuart starb schließlich am 30. Januar 1788 in Rom. Zunächst wurde er in der Kathedrale von Frascati begraben, nach dem Tod seines Bruders, des Kardinals, in den Petersdom zu seiner Familie umgebettet. Das gemeinsame Grabmal finanzierte der britische König George III. Ein gönnerhafter Akt von Großmut gegenüber dem nun vollends besiegten Feind.

Während königstreue Engländer in Charles lange den Inbegriff des katholischen Unruhestifters sahen, prägte alsbald der Mythos vom schönen Scheitern des Bonnie Prince das Bild. Nicht zuletzt aus Nostalgie hat es bis heute überlebt. Groß ist die Verführung, die »Forty-five« zu romantisieren und allzu pathetisch mit dem Freiheitskampf der unterdrückten Schotten zu verbinden. Bereits 1746 bearbeitete die deutsche Komödie »Der Traurige Ritter in schwartzer Gestalt, in den Gebürgen Schottlands. Oder die Historie des unglücklichen Printzens Carl Stuarts des Englischen Prätendentens« den Stoff. Der schottische Nationaldichter Robert Burns widmete dem »rightful King«, dem rechtmäßigen König, einige Gedichte. Sir Walter Scott griff in seinem ersten historischen Roman »Waverley« ebenfalls die Geschehnisse um das Jahr 1745 auf. Das weltbekannte Lied »My Bonnie lies over the ocean« soll sich auf Bonnie Prince Charles beziehen. Auch der in Schottland populäre »Skye Boat Song« betrauert Charles’ Flucht über das Meer. Das Lied ist zugleich die Titelmelodie der aktuellen TV-Serie »Outlander«, die unter anderem in den Wirren des Jacobitenaufstands spielt.

Charles III. im Stuart-Tartan | Bei der Totenwache am Sarg seiner Mutter in der St Giles’ Cathedral in Edinburgh trug Charles einen Kilt, dessen Webmuster auf Charles Edward Stuart zurückgeht. Wie mit der Wahl seines Königsnamens drückt der Monarch wohl so seine Verbundenheit mit Schottland aus.

Namenswahl aus Nähe zu Schottland?

Dabei machte Charles’ Niederlage die Schotten zu den größten Verlierern des Aufstands. Viele der rebellischen Klanführer wurden entweder hingerichtet, oder sie flohen ins Exil, beispielsweise in die englischen Kolonien in Nordamerika. Den Schotten wurde per Gesetz das Tragen von Waffen und traditionellen Kleidungsstücken wie dem Kilt untersagt. Zudem durften sie den Tartan nicht mehr verwenden, das bekannte Karomuster, das ihre Zugehörigkeit zu einem Clan anzeigte. England band die bei Culloden geschlagenen Schotten noch stärker an sich. Bis heute ist eine Unabhängigkeit Schottlands kaum vorstellbar.

Und heute? Mit seinem Königsnamen greift der Mann, der sein ganzes bisheriges Leben als Prince Charles verbrachte, nicht einfach zur erstbesten, pragmatischsten Wahl. Von einem »schwierigen Erbe« sprechen denn auch die beiden Historiker Calum Cunningham von der University of Stirling und Jérémy Filet von der Manchester Metropolitan University in einem Beitrag im wissenschaftlichen Onlinemagazin »The Conversation«. Als Charles’ Botschaft vermuten sie eine demonstrativ zur Schau getragene Nähe zu Schottland, wie sie bereits seine Mutter lebte, nicht zuletzt durch die Aufenthalte in ihrem erklärten Lieblingsschloss Balmoral in den schottischen Highlands. Während der Totenwache neben der aufgebahrten Queen Elisabeth II. in Edinburgh trug ihr ältester Sohn einen schottischen Kilt mit einem Tartan, das Charles Edward Stuart zugeschrieben wird. Bereits Königin Victoria hatte das Webmuster für das britische Königshaus vereinnahmt.

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