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Hyperloop: Ab durch die Röhre

Rasend schnell, energieeffizient und klimaschonend – die Versprechungen der Hyperloop-Technologie sind groß. Nun hat sie es sogar in den Koalitionsvertrag geschafft. Ob es zum Durchbruch kommt, ist weiter ungewiss.
Eine Hyperloop-Testanlage. Zu sehen ist ein zylindrisches Röhrensystem.
Bereit für den Personentransport: die 24 Meter lange Teststrecke in München.

Stolz schauen die beiden Politiker in die Kamera. Bei der Hyperloop-Technologie ist Bayern vorn dabei – so suggeriert es jedenfalls das Bild von Ministerpräsident Markus Söder und seinem Wissenschaftsminister Markus Blume (beide CSU). Sie sitzen in einer Passagierkapsel mit beige-futuristischem Interieur, die Abfahrt scheint unmittelbar bevorzustehen.

Tatsächlich kursiert die Vision vom Reisen in der Vakuumröhre schon seit Jahrzehnten, aber erst Elon Musk hat ihr vor etwas mehr als zehn Jahren neuen Schwung verliehen: Kapseln schießen mit mehreren hundert Kilometern pro Stunde durch Röhren, aus denen zuvor die Luft herausgepumpt wurde. Dadurch sinkt der Luftwiderstand und die Kapseln brauchen für ihre Fahrt viel weniger Energie. Hyperloop verspricht schnelles und nachhaltiges Reisen, wie es Bahn und Flugzeug nicht leisten können.

Doch der Beweis dafür, dass dies auch gelingt, steht noch aus. Auch die Kapsel an der Technischen Universität München (TUM), in der Söder und Blume 2023 Platz nahmen, wird ihn nicht erbringen. Die Anlage gilt als eine der fortschrittlichsten in der Hyperloop-Forschung. Allerdings können Passagiere dort gerade einmal 24 Meter weit reisen – und sind dabei kaum schneller unterwegs als ein Jogger. Es ist also noch viel Forschung nötig. Die erlebt derzeit jedoch einen Aufschwung. In etlichen europäischen Ländern, von Spanien bis Polen, wird die Technologie vorangetrieben, in Asien sowieso. Mit dem Satz »Wir errichten eine Nationale Hyperloop-Referenzstrecke« im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hat das Thema nochmals Fahrt aufgenommen. Der Satz kam, glaubt man Fachleuten aus dem Bereich, nicht allein auf Betreiben der CSU in das Dokument.

»Für die Hyperloop-Community in Europa war das ein Riesensignal«, sagt Domenik Radeck von der TUM. Sie ist Teil des EU-Projekts Hyper4Rail, in dem Industrie und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten, um ein Grunddesign für die Technik zu entwickeln. Die Teststrecke der TUM ist dabei besonders: Sie orientiert sich mit gut vier Metern Durchmesser an der erhofften Realstrecke. Hier können Tests mit Passagieren erfolgen, einschließlich Ein- und Aussteigen. Andere Teströhren sind zwar länger und können die Kapsel mit Geschwindigkeiten von weit über 100 Kilometern pro Stunde reisen lassen, aber eben im kleineren Maßstab mit geringeren Durchmessern und personenlosen Fahrzeugen.

Pod und Röhre | Künftig könnten solche Kapseln mit mehr als 500 Kilometern pro Stunde reisen

China mit Geschwindigkeitsrekord

Die Münchner Forscher befassen sich unter anderem mit der Antriebstechnik. »Im Fahrzeug befindet sich ein Magnet, im Fahrweg eine Spule, die wiederum dank eines Magnetfelds die Kapsel hindurchzieht«, erklärt Radeck. Mit der Magnetschwebetechnik, wie sie vom Transrapid bekannt ist, gebe es zwar keine Reibung mehr, aber bei Effizienz und Wartung des Antriebs könne noch viel verbessert werden. Weiterhin arbeitet das Team an Weichen, die auch bei hohem Tempo genutzt werden können, und an der Aerodynamik. »Wir haben zwar nur ein Hundertstel des atmosphärischen Luftdrucks, doch auch damit kann es bei hohem Tempo zu Schockwellenphänomenen kommen«, sagt der Forscher.

»So zurückhaltend man hier derzeit bei Innovationen ist, werden Länder wie China vermutlich die Ersten sein«Domenik Radeck, Experte für nachhaltige Mobilität

Grundsätzlich hält er die technischen Probleme sämtlich für lösbar. In fünf bis sechs Jahren, schätzt Radeck, sei Hyperloop ausdesignt und könne in die Praxis gebracht werden – wohl aber nicht hier zu Lande. »So zurückhaltend, wie derzeit die Stimmung hier bezüglich Innovationen ist, werden fortschrittliche Länder wie China vermutlich die Ersten sein.«

Dort wurde 2024 eine zwei Kilometer lange Teststrecke eingeweiht, die Kapseln bei personenlosen Fahrten auf mehr als 600 Kilometer pro Stunde beschleunigt. Auch Südkorea investiert in die Technologieentwicklung. In den USA ist die Euphorie derzeit hingegen gedämpft. Die Firma Hyperloop One, zu deren Gründung Elon Musk den Anstoß gegeben hatte und die sogar Testfahrten mit Passagieren unternahm, hat mittlerweile den Betrieb eingestellt.

Hoffen auf die Olympischen Spiele

Radeck hofft auf einen Stimmungswandel in Deutschland und auf Unterstützung durch die Politik, wie sie im Koalitionsvertrag anklingt. Aktuell sucht die TUM einen Standort in München für eine weitere Teststrecke, die dann einen Kilometer lang sein soll. Dies soll aber nur ein Zwischenschritt sein. Der nächste Schritt wäre dann eine »Anwendungsstrecke« von 50 bis 100 Kilometer Länge, auf der man »den Vorteil gegenüber dem ICE real erleben kann«. Das könnte beispielsweise zwischen München und Ingolstadt sein.

Denkbar wäre aber auch eine Verbindung von Hamburg nach Kiel. Bei den Olympischen Spielen, die möglicherweise ab 2036 in Deutschland stattfinden, will die Stadt die Segelwettkämpfe an der Förde ausrichten. »Wenn man per Hyperloop dorthin reisen kann, wäre das sicher ein Verkaufsschlager für die Technologie«, sagt Walter Neu von der Hochschule Emden/Leer. Auch dort wird an der visionären Rohrpost geforscht: im European Hyperloop Center Veendam, gleich hinter der Grenze zu den Niederlanden, wo eine 420 Meter lange Röhre bereitsteht, und in der institutseigenen 27-Meter-Röhre, die im März eingeweiht wurde. Die Forscherinnen und Forscher widmen sich hier einer Reihe an Themen, angefangen bei der Steuerungstechnik und der Vakuumtechnologie bis hin zu der Frage, ob einzelne Teile des Hyperloop-Systems auch hohen Temperaturen standhalten. Außerdem befassen sie sich mit möglichen Logistik- und Betriebskonzepten.

Langstrecke | Im März 2024 wurde die 420 Meter lange Röhre in den Niederlanden eingeweiht.

Dabei gilt es beispielsweise zu klären, wo Bahnhöfe errichtet und wie die einzelnen »Pods« – also die Kapseln – geführt werden, um in einem wachsenden Netz schnell ans Ziel zu kommen. »Mit 30 000 Passagieren pro Kilometer und Stunde je Richtung erreichen wir eine höhere Kapazität als ein ICE mit bis zu 22 000 Passagieren«, sagt Neu. Wegen des sehr geringen Luftwiderstands sei der Energieverbrauch um mindestens die Hälfte geringer. »Und wenn alle Röhren mit Solarpaneelen belegt wären, würde damit mehr Strom erzeugt, als für den Betrieb notwendig wäre«, rechnet er vor.

Röhren auf Autobahnmittelstreifen

Die Baukosten für den Hyperloop beziffert Thomas Schüning, ebenfalls von der Hochschule Emden/Leer, auf gerade einmal rund 20 Prozent mehr als bei einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke. Trotz der massiven Röhren, die dafür nötig sind. Diese benötigten nämlich weniger Fläche als ein Schienenweg mit der begleitenden Infrastruktur. Wo möglich, sollten die Röhren auf Mittelstreifen von Autobahnen aufgeständert werden. Das erspare langwierige Planfeststellungsverfahren für Neubauten quer übers Land, und die Kurvenradien seien meist ausreichend, um sie auch mit Tempo 500 in einem Hyperloop zu nehmen, argumentieren die Forscher.

Diese Zahl fällt in dem Gespräch mehrfach. Anders als die 1000 Kilometer pro Stunde, mit denen die Hyperloop-Technologie bisweilen beworben wird, erscheinen 500 realistischer. Das liegt beispielsweise an der Leit- und Betriebstechnik der Eisenbahn, die bis zu dieser Geschwindigkeit zertifiziert ist. Diese könnte also zügig integriert werden. »Damit sind wir immer noch konkurrenzfähig gegenüber dem Flugzeug auf Inlandsverbindungen«, sagt Schüning.

Und das mit einer potenziell besseren Klimabilanz. Zu deren Berechnung gehört aber nicht nur der CO2-Fußabdruck des Stroms, sondern auch der Infrastruktur. Röhren aus Beton kämen hier mit drei bis fünf Tonnen CO2-Äquivalenten pro Kilometer günstiger weg als solche aus Stahl mit bis zu acht Tonnen. Diese Zahlen nennt Julian Ehwald von EuroTube in Dübendorf (Schweiz). Die Stiftung forscht unter anderem an der Röhrentechnologie, vom Bau bis zum Betrieb einschließlich der Luftschleusen. Derzeit entsteht eine 120 Meter lange Teststrecke, die dank einer Polymermembran vakuumdicht sein soll.

Demostrecke im nächsten Jahrzehnt

Neben all den technischen Fragen gilt es auch ökonomische und psychologische zu betrachten. Schließlich sollen Passagiere das Verkehrsmittel annehmen. An der Fachhochschule Nordwestschweiz wurde eine immersive 3-D-Visualisierung erstellt, in der man mittels VR-Brille eine Reise mit einem Hyperloop-Fahrzeug erleben kann. »Die Rückmeldungen potenzieller Nutzer sind wichtig, um das System von Beginn an kundenfreundlich zu gestalten«, sagt Ehwald. Seiner Einschätzung nach könnte, politischen Willen vorausgesetzt, in den 2030er Jahren eine Demostrecke in Betrieb gehen, ein Jahrzehnt später dann erste Anwendungslinien.

»Hyperloop ist vor allem ingenieursgetrieben, sprich das zu tun, was technisch möglich ist«Johannes Klühspies, Verkehrsforscher

Andere Fachleute bezweifeln das. Dazu gehört Johannes Klühspies von der Fachhochschule Deggendorf und Präsident des International Maglev Board, in dem sich Experten zur Magnetschwebetechnik zusammengeschlossen haben. Klühspies hat mit Kollegen eine Umfrage unter mehr als 1000 Verkehrsforschern gemacht, die 2022 veröffentlicht wurde. Er sieht vor allem zwei Probleme ungelöst. »Es herrscht nur ein Teilvakuum, das führt zu einer erheblichen Hitzeentwicklung im Fahrzeug. Bisher gibt es keine Lösung, diese Wärme abzuleiten.« Die Restluft, auch wenn es nur wenig sei, führe außerdem zu Turbulenzen im Fahrzeug. »Bei den Passagieren dürfte das Ängste auslösen.« Zumal sie wissen, dass sie in einer Pipeline stecken, aus der sie nicht ohne Weiteres herauskommen.

Teure Infrastruktur, noch teurere Instandhaltung

»Hyperloop ist vor allem ingenieursgetrieben, sprich das zu tun, was technisch möglich ist«, meint der Forscher. Die Nutzererfahrung und die Ökonomie, gerade bei der Instandhaltung einer solchen Strecke, würden zu wenig berücksichtigt. »Verlaufen die Röhren oberirdisch, unterliegen sie je nach Sonneneinstrahlung starken Temperaturschwankungen«, erläutert er. Dadurch altere die Infrastruktur schneller, wie von Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahn bekannt sei. Das führe zu aufwändigen Reparaturen. »Wir mögen es noch schaffen, das System aufzubauen«, sagt er. »Die Frage ist aber, welche Bürde lasten wir den nachfolgenden Generationen auf bezüglich Instandhaltung und Betrieb?« Aus seiner Sicht spreche das gegen Hyperloop. Obschon er die Forschung an Teilkomponenten wie Antrieb und Magnettechnik grundsätzlich begrüße. Klühspies sieht die Anwendung jedoch eher bei einem »Hyperloop ohne Pipeline«, etwa einer verbesserten Magnetschwebebahn.

Bedenken hat auch Tjark Siefkes vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). In einem Vortrag von 2021 listet er technische Schwierigkeiten auf , etwa beim Abführen der Wärme oder beim Betrieb, den er nur bei langen, geraden Strecken sieht. »Hyperloop hat das Potenzial für viel Science«, lautete damals das Fazit. Und: »In der Passagieranwendung ist Hyperloop für Zentraleuropa Fiction.« Auf Nachfrage erklärt er, die Aussagen der Präsentation hätten weiter Bestand.

Deutsche Bahn ist zurückhaltend

Derzeit ist das DLR an einem Projekt zur »Einschätzung des aktuellen Entwicklungstands des Hyperloop-Konzepts« für das Eisenbahn-Bundesamt beteiligt. Es läuft bis Mitte 2026. Siefkes sagt: »Generell ist für diese Technologie viel Forschungsarbeit nötig, unter anderem in den Bereichen Geschäftsmodelle und Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Energieversorgung, Wartung und Reparatur sowie Thermomanagement.«

Die Resultate des Projekts dürften helfen, mehr Klarheit zu erlangen: ob Hyperloop das deutsche und europäische Verkehrssystem sinnvoll ergänzen und die propagierten Vorteile tatsächlich zu vertretbaren Kosten liefern kann. Die Deutsche Bahn zeigt sich zurückhaltend. Während die italienischen oder niederländischen Eisenbahnen sich in der Hyperloop-Entwicklung einbringen, ist der deutsche Staatskonzern an den großen Verbundvorhaben wie Hyper4Rail nicht beteiligt.

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