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Physiologie: Brautwerbung per Motorengedröhn

Weder bunt noch mit sonstigen auffälligen Besonderheiten geschmückt, müssen sich Bootsmannfisch-Männchen schon etwas anderes einfallen lassen, um attraktiv zu sein für das andere Geschlecht. Deswegen verlegen sie sich auf Liebesgesang – doch ausgerechnet in einer Tonhöhe, die Weibchen kaum hören. Warum gibt es dennoch Nachwuchs?
Porichthys notatus
Jeden Sommer verlassen die unscheinbar grauen Bootsmannfische (Porichthys notatus) ihren Lebensraum in den Tiefen des Pazifik und bauen sich im flachen Küstengewässer ein lauschiges Nest. Dort werden sich die Männchen dann bald um die Aufzucht des Nachwuchses kümmern – doch zunächst müssen sie Weibchen anlocken, die ihre Eier ins gemachte Nest legen sollen. Dafür betätigen sie sich als Minnesänger: Mit schnellen Muskelkontraktionen an der Schwimmblase erzeugen sie einen Sound, der es mit dem Dröhnen eines Motorboots aufnehmen kann.

Bootsmannfisch mit Nest | Nest eines Bootsmannfisches: Der schützende Dachstein, an dem Eier und Embryonen kleben, wurde weggeklappt. In dem Pool, der bei Ebbe zurückbleibt, schwimmen rechts unten das große Männchen, links oben ein kleineres Männchen und mehrere Weibchen.
Vergleichen Sie auch die Audio-Datei mit dem Werbegesang des Bootsmannfisches unter "Medien".
Dieses Brummen hat seine Grundfrequenz bei 100 Hertz und weitere Anteile bei 200 und 300 Hertz. Mit seinen höheren Tönen liegt der Lockruf der Männchen damit merkwürdigerweise ausgerechnet in einem Frequenzbereich, den die Bootsmann-Frauen gar nicht registrieren. Warum bloß reagieren sie trotzdem und kommen bereitwillig zum Laichen ins Nest?

Bootsmannfisch mit Weibchen | Rechts ein Bootsmannfisch-Männchen, links das kleinere Weibchen in einem Nest während Ebbe
Genau zur Paarungszeit steigt bei den Weibchen plötzlich der Spiegel der Geschlechtshormone Testosteron und Östradiol rapide an. Sollte diese hormonelle Veränderung das weibliche Gehör vorübergehend für den Liebesgesang sensibilisieren? Dies vermuteten Joseph Sisneros von der Universität Washington und Andrew Bass von der Cornell University in Ithaca.

Um ihre Hypothese zu überprüfen, fingen sie wildlebende, nicht paarungsbereite Weibchen ein, deren Hormonspiegel niedrig war. Sie entfernten ihnen die Eierstöcke, um eine eigene Hormonproduktion zu verhindern. Dann gaben sie den Tieren entweder Testosteron oder Östradiol, um den natürlichen Hormonanstieg zu simulieren, oder zur Kontrolle gar kein Hormon. Als zusätzliche Vergleichsgruppe wurden geschlechtsreife weibliche Boostmannfische mit saisongemäß hohem Hormonpegel eingefangen.

Bootsmannfisch mit Babys | Männlicher Bootsmannfisch mit Embryonen, die mit einer klebrigen Scheibe an der Unterseite ihres Dottersackes an einem Felsen festgeklebt sind
Einen Monat später zeigte die Maßnahme Wirkung: Die homonbehandelten Weibchen hörten nun auch den höherfrequenten Bereich des männlichen Werbegesangs und unterschieden sich darin nicht von den wildlebenden geschlechtsreifen Fischen. Die Kontrolltiere, deren Hormonspiegel niedrig blieb, waren hingegen für diesen Frequenzbereich weiterhin taub.

Die Forscher nehmen an, dass vor allem das Östradiol für die Sensibilisierung des Gehörs verantwortlich ist. Denn in einigen Fällen beruht die Wirkung von Testosteron darauf, dass es in Östradiol umgewandelt wird.

Möglicherweise besteht beim Menschen ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Geschlechtshormonen und Gehör: Zum einen hören Frauen in verschiedenen Phasen ihres Menstruationszyklus in manchen Frequenzen unterschiedlich gut. Zum anderen lässt das Gehör älterer Menschen im höherfrequenten Bereich oftmals parallel zu einem abfallenden Spiegel an Geschlechtshormonen nach.

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