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Innere Sicherheit: Bremst militärische Aufrüstung der Polizei Kriminalität?

Hilft Militärausrüstung für die Polizei gegen Terror und bei Amokläufen? Oder kann sie es nicht und setzt ein ganz falsches Signal? Und hilft Wissenschaft, das zu entscheiden?
Schatten von Polizeikette

In den USA, aber auch in Deutschland streiten sich Befürworter und Gegner darüber, ob eine mit militärischer Zusatzausstattung aufgerüstete Polizeitruppe die Sicherheit in der Gesellschaft punktuell erhöht oder gar gelegentlich senkt. Die US-Regierung um den abgewählten Donald Trump zählte zu den Befürwortern: Im August 2017 hatte sie Restriktionen der Regierung Obama von 2014 rückgängig gemacht, die der Ausstattung von lokalen Polizeikräften mit »militärischer Zusatzausstattung« (surplus military equipment, SME) enge Grenzen gesetzt hatte. Die Entscheidung von Obama sei falsch gewesen, argumentierte das Team Trump 2017 um den damaligen Justizminister Jeff Sessions: Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass militärisch ausgestattete Polizeikräfte die Kriminalität reduzieren und tätliche sowie verbale Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten sinken lassen. Dieser Interpretation widersprechen nun Forscher in zwei neuen Veröffentlichungen: Die 2017 vom Team Trump zitierten Studien seien unzureichend gewesen, schreibt Tom Clark von der Emory University in »Nature Human Behaviour«. Neue Daten würden eher nahelegen, dass militärische Polizeiaufrüstung keinen nachweisbaren Effekt hat, so Kenneth Lowande von der University of Michigan in einem zweiten Beitrag in »Nature Human Behaviour«. Ohnehin sei ein solcher Nachweis kaum sicher zu erbringen.

Die zwei im Wesentlichen von Sessions zum Beleg der Wirksamkeit von Militärausstattung herangezogenen Studien waren 2017 im »American Economic Journal: Economic Policy« veröffentlicht worden. Sie hatten bis 2014 erhobene Datensätze veröffentlicht, die von der US-Regierung nach einer Anfrage herausgegeben wurden. Dabei sollte ausgewertet werden, ob in Polizeibezirken, denen durch das Obama-Gesetz SME verlorenen gingen, verschiedene Delikte häufiger vorgekommen sind als zuvor.

Auch in Deutschland streitet man über militärische Polizeiausstattung

Die Studien hatten dies bestätigt gefunden und geschlussfolgert, SME leiste einen Beitrag zur Sicherheit in der Gesellschaft. Die neuen Studien ziehen das nun in Zweifel. Zum einen analysierten sie mit neuen Daten, dass die Auswertung 2017 mangelhaft war. Unter anderem sei in vielen ausgewerteten Bezirken etwa militärische Zusatzbewaffnung durchaus eingetroffen, dies war aus den offiziellen Datensätzen aber nicht zu ersehen gewesen. Die lückenhaften Daten der Studien 2017 würden demnach nicht den Schluss zulassen, den das Trump-Team gezogen hat. Eine neue Auswertung mit mehr und genaueren Daten zeige keinen Unterschied zwischen den unterschiedlich ausgestatteten Polizeidistrikten. Das trifft auch zu, wenn man Polizeidistrikte auswertet, die vor dem Lieferstopp durch Obama 2014 militärische Ausrüstung erhalten hatten, ab 2015 aber nicht mehr. Tatsächlich waren damals Hunderte von betroffenen Polizeibehörden gezwungen gewesen, ihre Ausstattung zu demilitarisieren.

Ein Nachweis der Zusatzwirkung einer bestimmten Polizeiausrüstung sei ohnehin schwer zu erbringen, wie die neue Studie von Kenneth Lowande nahelegt. Für die Situation in den USA hatte er 3,8 Millionen in öffentlichen Archiven belegte Ausrüstungsgegenstände der Polizei ausgewertet und dabei eine enorme Fluktuation festgestellt. So verschwanden während dreier Monate einmal 15 000 aufgelistete Gegenstände aus den Archiven, wohingegen über 4000 neue neu gelistet wurden. Streng wissenschaftlich sei es also in den USA kaum möglich, Belege für eine bestimmte Politik der Polizeiausstattung zu liefern.

Dort wie auch in Deutschland ist folglich weiterhin umstritten, ob die Aufrüstung der Polizei abschreckend wirkt. Wissenschaftlich gesicherte Unterstützung bleibt demzufolge für beide Streitparteien aus: Befürworter führen an, dass militärische Ausstattung im Ernstfall Leben schützt und schwere Gewaltdelikte eher verhindert, Gegner sagen, dass sie Einsatzkräfte zu übertriebener Gewaltanwendung einladen kann und die Bevölkerung unnötig einschüchtert.

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