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Raumfahrt: Start geglückt, Mission misslungen

Das Vereinigte Königreich will sich als Raumfahrtnation etablieren. Doch gleich die erste Mission wird zum Rückschlag. Die Rakete verfehlt das Ziel, Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen.
Die umgebaute Boeing 747, die die Rakete ins All befördern sollte
Die umgebaute Boeing 747 namens »Cosmic Girl« dient als fliegende Startrampe für eine Trägerrakete.

Es sollte der Auftakt zu einer neuen Weltraum-Epoche für das Vereinigte Königreich werden. Doch Londons Griff nach den Sternen muss warten. Bei dem geplanten Start einer Rakete, die neun kleine Satelliten vom südenglischen Spaceport Cornwall aus in die Erdumlaufbahn befördern sollte, ist es in der Nacht zu Dienstag unerwartet zu Problemen gekommen. »Es scheint, dass eine Unregelmäßigkeit uns daran gehindert hat, die Umlaufbahn zu erreichen«, schrieb die beteiligte US-Firma Virgin Orbit auf Twitter. Man werte die Informationen aus. Ein Mitarbeiter der britischen Weltraumbehörde bezeichnete die Mission wenig später als »erfolglos«. Die Rakete habe nicht die nötige Höhe erreicht und die Satelliten nicht aussenden können, sagte Matt Archer von der UK Space Agency.

Ob und wo Teile der Rakete auf die Erde zurückfielen, sei noch nicht bekannt, betroffen seien in diesem Fall aber unbewohnte Gebiete. In den nächsten Tagen werde es eine Untersuchung geben, um herauszufinden, wie es zu dem technischen Versagen kommen konnte und wie es nun weitergehen soll. Man sei jedoch weiterhin bestrebt, »bis 2030 der führende Anbieter von kommerziellen Kleinsatellitenstarts in Europa zu werden«, sagte Archer weiter.

Zuvor war erstmals ein Jumbojet als fliegende Startrampe für Weltraum-Satelliten von britischem Boden abgeflogen. Die umgebaute Maschine namens »Cosmic Girl« hob am späten Montagabend wie geplant vom Flughafen Newquay in Südwestengland ab. Zu Ehren der britischen Rockband Rolling Stones hieß die Mission »Start Me Up« nach dem gleichnamigen Hit der Gruppe um Frontman Mick Jagger. In rund 10,7 Kilometer Höhe über dem Atlantischen Ozean sollte das umfunktionierte Flugzeug vom Typ Boeing 747 dann eine Trägerrakete ins All schicken. Doch während der Zündung des Triebwerks der zweiten Stufe der Rakete und bei einer Geschwindigkeit von mehr als 17 000 Kilometern pro Stunde trat eine Anomalie im System auf, die die Mission vorzeitig beendete. Das Flugzeug kehrte unterdessen sicher und wie geplant zur Erde zurück, hieß es.

Die Enttäuschung im Vereinigten Königreich ist groß. »Newquay, wir haben ein Problem«, schrieb der Sender Sky News. Das US-Raumfahrtunternehmen Virgin Orbit zeigte sich zerknirscht. Es sei das erste Mal, dass die Trägerrakete die Satelliten nicht wie geplant in die Umlaufbahn gebracht habe. Zuvor waren mehrere ähnliche Flüge in den USA erfolgreich verlaufen.

Dabei sind die Pläne überaus ambitioniert. Das Vereinigte Königreich will zum Vorreiter der europäischen Weltraumindustrie werden. Die sonst so nüchterne BBC sprach vor dem Start von einem »Meilenstein« für die britische Raumfahrt. Es handele sich um »die Geburt einer einheimischen Trägerraketen-Industrie«. Rund 2000 Schaulustige verfolgten laut BBC das Ereignis in der südwestenglischen Grafschaft Cornwall. Vor anderthalb Jahren hatte der damalige Premierminister Boris Johnson in seiner gewohnt überschwänglichen Art angekündigt, das Land zum »Galactic Britain« zu machen – zum galaktischen Großbritannien.

Wie wichtig das Vorhaben für die konservative Regierung ist, machte ein Tweet deutlich, den der zuständige Staatssekretär George Freeman kurz nach dem Start absetzte. Großbritannien habe »das Weltraumrennen um den ersten Weltraumsatellitenstart Europas« gewonnen, jubelte Freeman überschwänglich.

Newquay ist einer von insgesamt sieben geplanten Spaceports. Der erste Vertikalstart einer Rakete soll im Lauf des Jahres von Schottland aus stattfinden. Dazu hat das Unternehmen Orbex eine 19 Meter hohe Rakete entwickelt, die wiederverwendbar ist und mit Biopropan betrieben wird. Zudem stammen die Triebwerke aus dem 3-D-Drucker. Erste Prototypen sind bereits erfolgreich getestet worden.

Die britische Regierung hofft, dass die Raumfahrtindustrie im kommenden Jahrzehnt rund 3,8 Milliarden Pfund (4,3 Milliarden Euro) zur britischen Wirtschaft beitragen wird. Der stellvertretende Chef der UK Space Agency, Ian Annett, hatte im Vorfeld einer Mitteilung zufolge gesagt, die britischen Ambitionen im Weltraum würden neue Karrieremöglichkeiten schaffen, zu höherer Produktivität führen und die nächste Generation von Weltraum-Profis inspirieren. (dpa/kmh)

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