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News: Buchstabenverwechslungen frühzeitig vorbeugen

An Lese-Rechtschreibschwäche - auch Legasthenie genannt - leiden in Deutschland rund acht bis vierzehn Prozent der Schüler. Sie verwechseln zum Beispiel Buchstaben oder Wortteile und können auch als Erwachsene weder korrekt lesen noch schreiben. Mit einem einfachen Experimente konnten Wissenschaftler nun nachweisen, daß die Verwechslung nicht nur Folge, sondern auch Auslöser für die Schwierigkeiten sein kann.
Ewald Johannes Brunner vom Institut für Erziehungswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat eine Ursache aus dem vielfältigen Bindungsgeflecht, das zu Legasthenie führen kann, genauer untersucht. "Die Verwechslung von Buchstaben ist nicht nur Ausdruck, sondern kann auch Ursache der Störung sein", hat Brunners Team mit einem Experiment nachgewiesen. "Es ist bei Erstkläßlern ganz normal, daß sie ähnliche Buchstaben anfangs miteinander verwechseln", erläutert der Pädagogische Psychologe. "Problematisch wird es erst dann, wenn diese Schwierigkeiten nicht ausgeräumt, sondern übergangen werden." Sobald betroffene Schüler dem Lerntempo nicht folgen können und der Lehrer dies nicht bemerkt und berücksichtigt, geraten diese Schüler in einen Teufelskreis, in dem unbewältigte Lernschwierigkeiten den weiteren Lernprozeß behindern. Am Ende kann ein handfestes Legasthenieproblem stehen.

Die Jenaer Erziehungswissenschaftler bewiesen ihre Verwechslungshypothese mit einem leicht nachvollziehbaren, computergestützten Experiment. "Wir haben japanische Schriftzeichen benutzt, um das Lesen lernen mit erwachsenen Versuchspersonen zu simulieren", erklärt Brunner. "Unter den Schriftzeichen befanden sich einige, die anderen zum Verwechseln ähnlich sehen." Die Testpersonen – deutsche Studierende – sollten sich mehrere Schriftzeichen einprägen, hatten dazu aber unterschiedlich wenig Zeit. Das Ergebnis des Tests fiel entsprechend differenziert aus: Während sich einige Studierende fast alle Zeichen merken konnten, behielten andere nur etwa die Hälfte, eine dritte Gruppe versagte – wie vermutet – völlig.

Im zweiten Teil des Experiments wurden auf einem Bildschirm Wörter angezeigt, die aus den zuvor gelernten Silben bestanden. Die Testpersonen mußten diese Wörter auswendig lernen. Die Jenaer Forscher erwarteten, daß vor allem die "Halblerner" Wörter mit ähnlichen Silben miteinander verwechseln würden, da sie sich zwar etliche Zeichen aus dem ersten Teil des Experiments merken konnten, allerdings nicht verwechslungssicher. Das entspricht der Situation der Nachzügler in der Schule, die das anfängliche Verwechseln von Buchstaben aus Zeitmangel nicht haben überwinden können. Der Versuch bestätigte die Ausgangshypothese: "Die Intensität des Silbenlernens beeinflußte in unserem Experiment maßgeblich das Ergebnis des Wortlernens", resümiert Brunner.

Als Konsequenz aus diesen Untersuchungen ergibt sich für die Schulpraxis, daß vorbeugende Maßnahmen bereits im Vorschulalter einsetzen sollten. "Mit auffälligen Vorschulkindern und Erstkläßlern sollten Konzentrationsübungen und Übungen zur Unterscheidung verwechselbarer Buchstaben beziehungsweise anderer leicht verwechselbarer Zeichen gemacht werden", schlägt Brunner vor.

Sein Lehrstuhl bietet Lehrern und Eltern betroffener Kinder Unterstützung bei der Bekämpfung von Lernstörungen und Schulversagen an. Dafür wurde eigens eine Informations- und Anlaufstelle am Jenaer Institut gegründet. "Daß ein Bedarf nach solchen Projekten besteht", so Brunner, "zeigt die hohe Zahl der Ratsuchenden".

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