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Biologische Kreativität: Bunte Großlibellen widmen alte Leichtbauweise um

Die Flügel der allergrößten Libellen mussten die Leichtbauweise auf die Spitze treiben - bis sie ausstarben. Ganz verloren ging ihr Knowhow aber nicht.
Großlibelle

Libellen gehören zu den ausdauerndsten und wendigsten Fliegern im Tierreich, aber auch ihr Konstruktionsprinzip kennt Grenzen. Die mussten die imposantesten Vertreter, die Meganeura-Urlibellen, vor 300 Millionen Jahren ganz ausreizen: Ihr Körper war so schwer und groß, dass ihr nur aeronautische Leichtbaukonstruktionstricks zu stabilen, nicht zu kleinen und sogar noch möglichst leichten Tragflächen verhalfen. So durchzogen ihre Riesenflügel einst etwa umgewandelte Tracheen, also Luftröhren, um gleichzeitig Gewicht zu sparen und hohe Stabilität zu ermöglichen. Schließlich starben die größten aller Fluginsekten am Ende des Perms trotzdem aus, vielleicht, weil der Sauerstoffgehalt in der Erdatmosphäre zu niedrig wurde, um ihren Hochleistungsstoffwechsel unterhalten zu können. Seither waren die Libellen kleiner und hatten extreme Konstruktionskniffe wie die von Tracheen durchzogenen Flügel nicht mehr nötig, dachten Forscher bislang – offenbar ein Irrtum, wie jetzt Rhainer Ferreira von der University of São Paulo und seine Kollegen in den "Biology Letters" festhalten.

Großlibelle | Einige Großlibellen brauchen viel Energie, während ihr besonders ausgestaltetes Flügeldesign entsteht. Sind dafür vielleicht spezielle Sauerstofftransportröhren im Flügel nötig?

Das Team hatte sich die ganz besonders farbenfroh schillernden Flügel von heute in Südamerika heimischen Großlibellen wie Zenithoptera lanei unter dem Elektronenmikroskop genau angesehen. Dabei stießen die Forscher auf das vermeintlich mit den Meganeura ausgestorbene Konstruktionsprinzip röhrenförmiger Stabilisatoren in den stärkeren Flügeladern der Tiere. Offenbar stammen diese Röhrchen von 0,3 bis 1 Millimeter Durchmesser wie einst jene der Meganeura von Tracheen ab. Andere, ähnlich dimensionierte Großlibellen, etwa Rhyothemis resplendens, greifen dagegen nicht auf Tracheenröhrchen im Flügel zurück; sie sparen Gewicht durch eine Schwammkonstruktion.

Offenbar erfüllen die Röhren demnach bei Zenithoptera lanei noch einen weiteren, bis dato unbekannten Zweck, spekulieren die Forscher. Vielleicht liefert die speziestypische, besonders farbenfrohe und abwechslungsreiche Pigmentierung der Flügel eine Erklärung: Sie wird durch exakt in komplizierten Mustern verteilte und modifizierte Wachskristalle gewährleistet, deren Aufbau von bestimmten hypodermalen Zellen orchestriert wird. Das ist besonders energieaufwändig, und womöglich, so die Hypothese der Forscher um Ferreira, brauchen die beteiligten Zellen daher besonders viel Sauerstoff, der ihnen über die ventilierten Flügeltracheen geliefert wird. So hätten die einst zur Stabilisierung umfunktionierten Röhren bei den modernen Libellen dann wieder ihre alte Funktion der Sauerstoffverteilung zurückgewonnen.

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