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CAR-T-Zell-Therapie: Krebsbehandlung hält die Krankheit mehr als ein Jahrzehnt lang zurück

Vor rund zehn Jahren therapierten Ärzte erstmals zwei Menschen mit CAR-T-Zellen gegen Krebs. Bis heute patrouillieren die Immunzellen im Blut der Leukämiepatienten. Heißt: Die Behandlung kann helfen.
Die 3-D-Simulation zeigt, wie T-Zellen im Körper Krebs bekämpfen.

Wenige Wochen nach Beginn der experimentellen Krebstherapie bekam Doug Olson von seinem Arzt einen Bericht über den Verlauf der Behandlung. »Er sagte: ›Doug, wir können nicht eine einzige Krebszelle in deinem Körper finden.‹«, erinnert sich Olson. »Ich war ziemlich überzeugt, dass ich mit dem Krebs durch wäre.«

Olsons Ärzte waren allerdings nicht ganz so sicher. Das war im Jahr 2010, und Olson hatte gerade als einer der ersten Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie die CAR-T-Zell-Therapie erhalten, die Immunzellen in Tumorjäger verwandelt. Als die Fachleute, darunter Carl June und David Porter von der University of Pennsylvania, das Ablaufprotokoll der Studie vorbereiteten, hofften sie, dass die genetisch veränderten CAR-T-Zellen vielleicht sogar einen Monat im Körper überleben würden. Auf eine Heilung zu hoffen, wagten sie nicht.

Doch mehr als zehn Jahre später patrouillieren die Immunzellen immer noch in Olsens Blut. Der Krebs ist nicht zurückgekehrt. Inzwischen ist June bereit, zu bestätigen, was Olsen schon die ganze Zeit vermutete. »CAR-T-Zellen können tatsächlich Patienten mit Leukämie heilen«, sagte der Forscher auf einer Pressekonferenz, auf der er die am 2. Februar 2022 in »Nature« veröffentlichten Ergebnisse beschrieb.

Für die CAR-T-Zell-Therapie entnimmt man zuerst die als T-Zellen bezeichneten Immunzellen von einer an Krebs erkrankten Person. Diese verändert man gentechnisch so, dass sie spezielle Proteine produzieren – chimäre Antigenrezeptoren, daher CAR –, die Krebszellen erkennen. Die Zellen werden dann per Infusion zurück in den Körper geleitet, um Tumoren zu suchen und zerstören.

Warum funktioniert die CAR-T-Zell-Therapie nicht bei allen?

Die Lebensmittel- und Medikamentenbehörde der USA (FDA) hat mittlerweile fünf CAR-T-Zell-Therapien gegen Leukämien, Lymphome und Myelome zugelassen. June schätzt, dass bereits zehntausende Menschen die Behandlung erhalten haben.

Doch die Therapie ist teuer, riskant und technisch anspruchsvoll. Sie bleibt eine letzte Möglichkeit, wenn alle anderen Behandlungen gescheitert sind. Ungeachtet des Erfolgs in Olsons Fall geht der Krebs nicht bei allen Behandelten dauerhaft zurück. Zu Beginn habe man nur bei 25 bis 30 Prozent der CAR-T-Zell-Therapien gegen chronische lymphatische Leukämie eine komplette Rückbildung des Krebses beobachtet, sagt Porter.

Mit weiteren Verbesserungen sei dieser Anteil über die Jahre gestiegen, sagt er, aber auch heute noch kehre nach manchen erfolgreichen Behandlungen der Krebs zurück. Die Ergebnisse über lange Zeit zu beobachten, könnte Hinweise auf die Faktoren hinter jenen CAR-T-Zell-Therapien liefern, die dauerhaft erfolgreich bleiben.

»Wir sind jetzt in der Lage zu sagen, dass CAR-T-Zellen tatsächlich Patienten mit Leukämie heilen können«Carl June, University of Pennsylvania

Mehr als zehn Jahre lang analysierte das Team um Porter deswegen die CAR-T-Zellen in Olsens Blut und bei einer weiteren so behandelten Person. Die Forschenden verfolgten die Evolution der Zellen und suchten gleichzeitig nach Hinweisen auf mögliche Risikofaktoren.

Eine Erkenntnis: Die CAR-T-Zellen blieben im Körper, ihre Eigenschaften aber änderten sich mit der Zeit. Bald nach der Infusion taucht eine bedeutsame Population von CD8+-T-Zellen auf, auch Killerzellen genannt. Diese identifizieren und zerstören Zellen, die Fragmente unbekannter Proteine auf ihrer Oberfläche tragen – neben mit einem Virus infizierten Zellen tun das Krebszellen.

Doch über die Jahre wird ein anderer Typ CAR-T-Zellen dominant: CD4+-T-Zellen. Diese CD4+-T-Zellen haben verschiedene Funktionen im Immunsystem, aber die Fachleute zeigten, dass beide Versuchspersonen CD4+-T-Zellen tragen, die Leukämiezellen töten können.

CAR-T-Zellen könnten auch andere Krebsarten bekämpfen

Olsen und die zweite Versuchsperson sind nun frei von jeglichen Anzeichen der Leukämie. Es ist allerdings nicht klar, ob die CAR-T-Zellen, nachdem sie in den Körper gelangt waren, alle Leukämiezellen getötet haben. Alternativ könnten die im Körper zirkulierenden Zellen permanent neu auftretende Leukämiezellen sofort zerstören, bevor sie nachweisbar werden.

»Die potenziellen Auswirkungen der CAR-T-Zell-Therapie sind enorm«, sagt Nirali Shah, pädiatrische Hämatologin am Nationalen Krebsinstitut in Bethesda in den USA. Die aktuelle Studie gebe »uns eine grundsätzliche Vorstellung davon, wie sicher eine langfristige Integration und Präsenz dieser T-Zellen im Körper ist«.

Man müsse noch sehen, wie gut sich die Ergebnisse der beiden Personen mit chronischer lymphatischer Leukämie auf andere Krankheiten übertragen lassen, sagt sie. Es gibt bereits erste Bemühungen, den Ansatz der CAR-T-Zell-Therapie auch für feste Tumoren zu nutzen, zum Beispiel Prostatakrebs und den verheerenden Hirntumor Glioblastom. Im Januar berichteten Fachleute von einem erfolgreichen Versuch, mit solchen Zellen Narbengewebe am Herzen abzubauen. Dieser Ansatz könnte zukünftig für die Behandlung von Fibrose am Herzen nützlich sein.

In den Jahren nach der Behandlung kehrte Olsen in seinen Beruf in der medizinischen Diagnostik zurück. Er hat sich vorgenommen, gesund zu leben, und sein Sohn hat ihn dazu überredet, Halbmarathons zu laufen. »Jetzt, wo der Krebs weg ist, will ich ganz sicher nicht an einer Herzattacke sterben«, sagt er. Nach einer Weile entschloss er sich, mit der Geschichte seiner Genesung an die Öffentlichkeit zu gehen. Nun betreut er als Mentor andere Menschen mit Krebs, um ihnen Hoffnung zu geben. »Auch wenn es für Krebs noch keine Heilung gibt, stehen die Chancen gut, dass schon hinter der nächsten Ecke eine auf uns wartet.«

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