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Topmanager: Die eigentümliche Sprache der CEOs

Die höchste Managementebene hat ihre eigene Sprache, den »CEO-Speak«. Was die Worte der Topbosse über sie selbst und ihre Fehltritte verraten.
Tesla-CEO Elon Musk steht vor einem futuristisch aussehenden Fahrzeug mit kantigem Design und großen Reifen, einem Tesla Cybertruck. Er hebt einen Finger, als ob er etwas erklärt oder präsentiert. Das Fahrzeug hat eine silberne, metallische Oberfläche und leuchtende Scheinwerfer.
Tesla-CEO Elon Musk präsentiert den Tesla Cybertruck 2019.

Tesla-CEO Elon Musk sorgt mit seinen exzentrischen Auftritten immer wieder für Schlagzeilen. Eine seiner größten Pannen: die Präsentation des angeblich kugelsicheren Cybertrucks im November 2019. Als der Chefdesigner von Tesla, Franz von Holzhausen, zu Demonstrationszwecken eine Metallkugel gegen ein Seitenfenster warf, entstanden Risse in jener Scheibe, die Musk zuvor noch als unzerstörbar beschrieben hatte. Der Chief Executive Officer versuchte das Malheur schönzureden: »Immerhin ging die Kugel nicht durch.« Nicht schlecht, aber da sei noch Luft nach oben, gab er zu. In den Tagen danach gingen fast 190 000 Vorbestellungen für den Truck ein. Letztlich erwies sich das Fahrzeug jedoch als »Teslas größter Flop«, wie das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« im Juli 2025 titelte.

Fehler kleinreden und Misserfolge herunterspielen, wie Elon Musk es bei der Demonstration des Cybertrucks tat, ist ein Beispiel für »CEO-Speak«, die Sprache der CEOs. Sie unterscheidet sich von denen anderer Menschen etwa durch die vermehrte Verwendung von Metaphern. Das zeigen die Ergebnisse einer Analyse von CEO-Jahresberichten, die Joel Amernic von der University of Toronto und Russell Craig von der University of Canterbury 2007 im Fachmagazin »Strategy & Leadership« veröffentlichten. In den Berichten über das vergangene Geschäftsjahr und die finanzielle Entwicklung des Unternehmens fanden die Wirtschaftswissenschaftler vermehrt Hinweise auf Narzissmus und Hybris, eine Mischung aus Arroganz und Selbstüberschätzung, die mit destruktivem Führungsverhalten zusammenhängt. Weitere Studien zeigen zum Beispiel, dass sich CEOs mit zunehmender Prominenz selbstbezogener und sicherer, aber auch konkreter und positiver ausdrücken.

Natürlich reden CEOs nicht alle gleich. Es gibt verschiedene typische Kommunikationsstile. Eine Forschungsgruppe um den Ökonomen Prithwiraj Choudhury von der Harvard Business School identifizierte 2019 mithilfe von Machine Learning fünf Stile: aufgeregt, ernst, dramatisch, ausschweifend und melancholisch, die sich je nach Emotionalität, Mimik und Umfang der Äußerungen unterschieden. Der aufgeregte Typ fiel beispielsweise durch eine positive Sprache sowie ängstliche, überraschte oder freudige Mimik auf – einen neutralen Gesichtsausdruck zeigte dieser Typ dagegen nur selten.

Was ihnen gemeinsam ist: Ihre Worte haben eine starke Wirkung. Die Topmanager repräsentieren ihre Unternehmen und stehen oft auch im Rampenlicht der Öffentlichkeit. »Anleger und Investoren sind überzeugt, dass dieser Mensch einen großen Einfluss auf das Unternehmen hat«, sagt Kommunikationswissenschaftler Christian Pieter Hoffmann von der Universität Leipzig. Die Sprache der CEOs auf Jahreshauptversammlungen könnte von besonderer Bedeutung sein, wie 2017 die Studie einer Forschungsgruppe um Ökonomin Christina Bannier von der Justus-Liebig-Universität Gießen nahelegte. Demnach folgten auf eher negativ gestimmte Reden von CEOs bei Jahreshauptversammlungen unerwartet schwächere Renditen, und nach relativ positiver Sprache entwickelten sich die Renditen unerwartet gut.

Rückschlüsse auf die Persönlichkeit

In der wissenschaftlichen Literatur hat sich der Begriff »CEO-Speak« etabliert: Er umfasst die »geschriebene und gesprochene Sprache der CEOs«. So formulieren es die Wirtschaftswissenschaftler Amernic und Craig in ihrem 2021 erschienenen Buch »Decoding CEO Speak«. Die beiden Autoren haben den Begriff geprägt. Seit den 1990er-Jahren erforschen sie die CEO-Sprache, untersuchen öffentliche Reden, Jahresbriefe, Interviews und Posts auf sozialen Netzwerken. Ihr Fazit nach 24 gemeinsamen Studien: Die Sprache der CEOs liefere Hinweise auf die Unternehmenspolitik, die Strategie, das ethische Verhalten der Organisation – und auf die Persönlichkeit der Firmenbosse. Darauf ließen unter anderem Auswertungen mit dem Textanalyseprogramm »Diction Text Analysis« schließen. Laut Amernic und Craig deutet eine hochgradig optimistische und selbstsichere Sprache darauf hin, dass CEOs ihre Ansichten mit denen aller Mitarbeitenden der Organisation gleichsetzten, ein Hinweis auf Selbstüberschätzung.

Und eine 2022 veröffentlichte Studie zeigt: Je mehr die Redeweise eines CEO auf emotionale Instabilität schließen ließ, desto schlechter liefen die Geschäfte. Zu diesem Ergebnis kam der Wirtschaftswissenschaftler Johannes Brunzel von der Universität Marburg, nachdem er Sprache von CEOs bei sogenannten Conference Calls – Telefonkonferenzen zu den Geschäftsergebnissen – von Fortune-500-Unternehmen analysiert hatte. Emotionale Instabilität, auch »Neurotizismus« genannt, ist eine der fünf großen Persönlichkeitsdimensionen, der »Big Five«. Brunzel bezeichnet dieses Merkmal als Alarmsignal, als »red flag«: Die betreffenden CEOs seien gestresst und überfordert und verbreiteten so eine Atmosphäre, die von Starre, Risikovermeidung und wenig Zusammenhalt geprägt sei. Drei von vier strafrechtlich verurteilten CEOs seien überdurchschnittlich emotional instabil.

Missbrauch der rhetorischen Mittel

Bestimmte Ausdrucksweisen lassen auf eine Schieflage im Unternehmen oder betrügerisches Verhalten schließen, schreiben auch Craig und Amernic in ihrem Buch. Wenn CEOs lügen oder unethisches Verhalten verschweigen, verwenden sie mehr hochgradig positive und emotionale Wörter wie »großartig« oder »abscheulich« sowie einen vielfältigeren Wortschatz mit mehr Synonymen. Überdies fiel den beiden Wirtschaftswissenschaftlern auf, dass CEOs immer wieder auf rhetorische Mittel wie Metaphern zurückgreifen. CEOs sollten ihre rhetorischen Kompetenzen dazu nutzen, ein Unternehmen zu führen und eine Richtung vorzugeben, erklärten sie. »Doch diese Fähigkeit können sie auch missbrauchen, wenn sie Informationen oder Anhaltspunkte präsentieren, die ihre Visionen realistischer […] erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind, um Probleme auszublenden oder eine Illusion von Kontrolle zu erzeugen, wenn die Dinge völlig außer Kontrolle sind«, schreiben Amernic und Craig.

Ein Beispiel dafür sei ein Statement des ehemaligen CEO des Finanzkonzerns Wells Fargo, Timothy Sloan. Er wandte sich 2017 an den US-Senat, nachdem bekannt wurde, dass das Unternehmen Scheinkonten eröffnet hatte. Um die Senatsmitglieder davon zu überzeugen, dass die Mitarbeitenden aus ihren Fehlern gelernt haben, beschrieb er sie als »reumütige Lernende«, die sich nun auf dem Weg befänden, das Vertrauen wiederherzustellen. Sloan verwendete überdies das Pronomen »wir«, wenn es darum ging, die Verantwortung zu verteilen: »Wir sind gescheitert« und »Wir haben den Ernst der Lage zu spät erkannt«. Nur von sich sprach er hingegen, wenn es um die Lösung ging: »Ich habe das Komitee und die Kunden gehört« und »Ich entschuldige mich für den Schaden, der angerichtet wurde«. So wertete Sloan seine Kollegen ab, erklären die Autoren. Das Problem, so stellt er es dar, hätten alle gemeinsam verursacht – aber er allein habe die Lösung.

»Viele Unternehmen werden erfolgreich von CEOs geführt, die eine narzisstische Sprache und narzisstisches Verhalten an den Tag legen«Joel Amernic und Russell Craig, Wirtschaftswissenschaftler

Die Sprache kann auch auf narzisstische Tendenzen hindeuten, etwa wenn CEOs häufig von sich reden oder das Unternehmen mit Begriffen aus dem Sport- oder Militärjargon als »besonders« oder »unbesiegbar« beschreiben. Das muss kein Nachteil sein. »Viele Unternehmen werden erfolgreich von CEOs geführt, die eine narzisstische Sprache und narzisstisches Verhalten an den Tag legen«, schrieben Craig und Amernic 2007 im Fachmagazin »Strategy & Leadership«. Kritisch werde es, wenn sich das Unternehmen in einer Krise befinde und die Rhetorik dazu diene, finanzielle Stärke vorzutäuschen oder sich vor Sanierungsstrategien zu drücken. Narzissten wollen ihr Selbstbild aufrechterhalten, koste es, was es wolle. Misserfolge würden sie externen Faktoren zuschreiben, Erfolge ihren Führungsqualitäten.

Ein Forschungsteam um die Soziologin Christy Glass von der Utah State University untersuchte, ob Narzissmus unter männlichen und weiblichen CEOs gleichermaßen verbreitet ist. Demnach wiesen weibliche CEOs seltener narzisstische Merkmale auf – und wenn sie narzisstisch waren, neigten sie weniger zu fragwürdigen Businesspraktiken und hoher Risikobereitschaft als ihre narzisstischen männlichen Kollegen.

Weibliche CEOs kommunizieren anders

Geschlechterunterschiede gibt es auch in der Ausdrucksweise, wie das »Journal of Corporate Finance« im Jahr 2020 berichtete. Forschende um die Wirtschaftswissenschaftlerin Sonia Falconieri von der University of London untersuchten die Kommunikation von weiblichen und männlichen CEOs und CFOs (Chief Financial Officers) von fast 5000 US-Unternehmen. Ihr Studienobjekt: 78 000 Sprechproben aus den »Quartely Earnings Conference Calls«, die über Gewinne und künftige Entwicklungen informieren. »Weibliche CEOs präsentieren Informationen über das Unternehmen tendenziell etwas positiver und weniger vage«, sagt Falconieri.

Die Gruppe untersuchte weiter, ob die Unterschiede womöglich damit zusammenhingen, dass die Firmen der weiblichen CEOs tatsächlich besser dastanden. Doch sie konnten keinen signifikanten Zusammenhang feststellen. »Unsere Analyse deutet darauf hin, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf Persönlichkeitsmerkmale zurückzuführen sind«, erklärt Falconieri. Eine zweite Studie von Falconieri bestätigte das und stellte außerdem fest: »Die Unterschiede im Kommunikationsstil zwischen männlichen und weiblichen CEOs bleiben in Krisenzeiten, wenn die Kommunikation noch wichtiger ist, bestehen.«

»Die Kommunikation muss zur Person passen, sie muss authentisch und glaubwürdig sein. Sie sollte aber auch empathisch sein«Christian Pieter Hoffmann, Kommunikationswissenschaftler

Weibliche und männliche CEOs unterscheiden sich auch darin, ob sie sich zu sozialen sowie politischen Themen äußern, wie das Fachmagazin »Social Science Quarterly« 2023 berichtete. Ein Forschungsteam um die Ökonomin Alison Cook von der Utah State University fand heraus, dass weibliche CEOs eher dazu tendierten, Stellung zu nehmen und sich aktivistisch zu engagieren. Das galt besonders für CEOs, die selbst den People of Color oder der LGBTQ+-Community angehören.

Dieses Engagement wirkt sich sowohl auf Mitarbeitende als auch auf die öffentliche Wahrnehmung aus. Wenn die Position des CEO mit den ideologischen Ansichten der Angestellten übereinstimmt und als glaubwürdig empfunden wird, steigt deren Engagement und Bindung an die Organisation, schreibt eine Arbeitsgruppe um den Wirtschaftswissenschaftler Adam Wowak von der West Virginia University 2022. Zudem habe es einen positiven Effekt auf den Aktienkurs, wenn CEOs in Krisenzeiten Mitgefühl und Anteilnahme ausdrücken, berichtet eine Gruppe um die Wirtschaftswissenschaftlerin Lauren Howe von der Universität Zürich 2024.

»Die Kommunikation muss zur Person passen, sie muss authentisch und glaubwürdig sein. Sie sollte aber auch empathisch sein, also orientiert an der Perspektive des Gegenübers«, so fasst der Kommunikationswissenschaftler Hoffmann das Erfolgsrezept zusammen. Daneben brauche es natürlich noch andere Chefkompetenzen: »CEOs müssen verstehen, wie der Kapitalmarkt tickt, welche Sprache er spricht, welche Stimmung herrscht, was die relevanten Themen und Kennzahlen sind.« Und nicht zuletzt müssen die Äußerungen konsistent sein, sagt Hoffmann. »Botschaften sollten aufeinander aufbauen und sich nicht allzu oft ändern.«

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  • Quellen

Brunzel, J., Managerial and Decision Economics 10.1002/mde.3676, 2022

Choudhury, P. et al., Strategic Management Journal 10.1002/smj.3067, 2019

Craig, R., Amernic, J., Decoding CEO-Speak. University of Toronto Press 2021

Glass, C. et al., Social Science Quartely 10.1111/ssqu.13276, 2023

Pollock, T. G. et al., Journal of Management 10.1177/01492063221150629, 2024

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