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News: Chaotischer Gasaustausch

Bislang dachte man, eingeatmete Luftpartikel vermischten sich kaum mit dem Atemrestvolumen und kämen deshalb auf demselben Wege raus wie rein. Doch die Vermischung innerhalb der kleinsten Lungenbläschen ist viel größer als angenommen.
Bei jedem Atemzug gelangen unzählige Partikel in unsere Lungen – Staub und auch Pollen, die als Verursacher vieler Krankheiten gelten. So lösen sie Asthma, Bronchitis und sogar Lungenkrebs aus oder verschlimmern die Krankheitszustände. Allerdings dachte man bisher, dass die in Luft enthaltenen Partikel – Aerosole genannt – die Atemwege auf demselben Wege wieder verlassen, wie sie hinein gelangt sind, ohne sich großartig mit dem Lungenrestvolumen zu vermischen. Damit gliche das Fließverhalten der Luft einem dickflüssigen Sirup, der sich kaum mit seiner Umgebung austauscht.

Doch dies ist ein Irrglauben, wie Akira Tsuda und seine Kollegen von der Harvard University in Cambridge dank farbiger, zäher Flüssigkeiten nun nachweisen konnten. Für ihre Untersuchungen füllten sie Rattenlungen mit einer weiß eingefärbten Siliconlösung und verdrängten so die Atemgase. Nachdem die weiße zähflüssige Masse auch die kleinsten Lungenbläschen – die Alveolen – erreicht hatte, pumpten die Wissenschaftler zusätzlich blau gefärbtes Silicon in die Rattenlungen.

Ganz langsam ließen sie die blaue Flüssigkeit in die Lungen hinein- und wieder herausströmen. Insgesamt bewegten sie die zähflüssige Lösung so für mindestens fünf Minuten und simulierten dadurch das Ein- und Ausatmen. Um die hierbei stattgefundene Vermischung zwischen weißer und blauer Siliconlösung festzuhalten, verdichteten sie die Flüssigkeiten eine Stunde nach ihrem Experiment durch Hinzufügen einer entsprechenden Substanz. Einmal erstarrt, bewahrten die Lösungen einen Schnappschuss über die in der Lunge vollzogene Durchmischung.

In Gewebeschnitte zerlegt, offenbarte die Rattenlunge unter dem Mikroskop ein unerwartetes Bild: Blaue und weiße Flüssigkeiten hatten sich stark miteinander vermischt und zeigten wahre Atemturbulenzen. Sogar in den winzigen Lungenbläschen, die nicht einmal ein Zehntel eines Millimeters dick waren, hatten sich chaotische Wirbel aus blau und weiß gebildet.

Dies bedeutet, dass die "eingeatmete" Flüssigkeit komplexe Wege in der Lunge und ihren Verästelungen nimmt und schnell die Spur verliert, die sie beim Eintritt verfolgte. Und so geht es folglich auch den kleinen in der Atemluft befindlichen Partikeln. Sie kommen ebenso vom Weg ab und können bei der Ausatmung nicht so einfach wieder hinaus gelangen, wie sie herein gekommen sind. Die Aerosole bleiben somit im Lungenlabyrinth gefangen.

Die Wissenschaftler hoffen nun, ihre Erkenntnisse nutzbringend für Betroffene von Atemswegserkrankungen einsetzen zu können. Auch über die Verbreitungswege von Bakterien und Viren müsste nun vielleicht neu nachgedacht werden.

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