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News: Charakterwandel

"Vulcano buono", den gutmütigen Vulkan, nennen die Einheimischen ihren Ätna, und selbst wenn er wie in diesem Sommer mal ein wenig Temperament zeigt, wirklich fürchten tut sich niemand. Doch mehren sich die Anzeichen, dass sich der Charakter von Europas aktivstem Vulkan langsam aber sicher verändert - und zwar hin zum Schlechteren.
Die gute Nachricht zuerst: Der Ätna bleibt vorerst harmlos. Wenngleich mancher Bewohner an den Hängen des Vulkans bei dieser Einschätzung eher säuerlich reagiert, so wissen die Menschen in den bedrohten Dörfern doch seit jeher, dass von ihm niemals eine Bedrohung vom Ausmaß des Mount St. Helens ausgehen würde. Doch ob dem Vulkan dieses Vertrauen auch weiterhin entgegengebracht werden kann, ist zweifelhaft, denn eine Forschergruppe unter der Leitung von Pierre Schiano von der Université Blaise Pascal in Clermont-Ferrand überbringt nun die schlechte Nachricht: Der Ätna wird in Zukunft wohl unberechenbarer, explosiver und gewalttätiger.

Eigentlich dachte man bislang, der Ätna sei ein typischer Hot-Spot-Vulkan - genau wie die in Hawaii. Dabei steigen basaltisch zusammengesetzte Magmen tief aus dem Erdmantel an die Oberfläche, und weil die vergleichsweise dünnflüssig sind, spucken solche Vulkane - wie der Ätna - regelmäßig aber wenig bedrohlich. Ihr Schlot kann nicht durch einen zähen Pfropfen verstopft werden, der dann infolge immer höher ansteigenden Drucks mit katastrophaler Gewalt herausgeschleudert wird.

Doch des Ätnas fernere Verwandtschaft ist gewalttätig - in Indonesien beispielsweise, wo sich die australische Platte unter Eurasien schiebt, also subduziert wird. In der Tiefe schmelzen die wasserhaltigen Sedimente und werden zu Magmen, die mehr Silicium enthalten als die Basalte der Hot-Spot-Vulkane und deshalb viel zäher sind. Sie steigen auf und bilden eine Kette von Vulkanen, aus denen schließlich ein Inselbogen entsteht. Indonesien ist Teil eine solchen Inselkette, des Sunda-Inselbogens, und die Menschen haben die katastrophalen und unvorhersehbaren Explosionen ihrer Vulkane häufig erfahren müssen. Über 50 Vulkane, darunter der Krakatau und der Merapi, haben zigtausende von Opfern gefordert.

Nun liegt auch der Ätna in einer Region, wo Erdkruste subduziert wird, denn hier kollidiert der afrikanische mit dem europäischen Kontinent - und es gibt Anzeichen, dass sich die Magmen des Ätna verändern. Dieser Sommer war so ein Beispiel; da ist der Ätna von seiner regelmäßigen Tätigkeit abgewichen, war explosiver und hat - typisch für Inselbogen-Vulkane - große Mengen Gase und sogar Wasserdampf gespuckt.

Pierre Schiano und seine Mitarbeiter haben sich daraufhin aufgemacht, um in der Umgebung des Ätna nach Gesteinen zu suchen, die Aufschluss über die geochemische Entwicklung des Vulkans geben. Dabei konzentrierten sie sich auf die Spurenelemente in winzigen, glasigen Einschlüssen. Diese haarfeinen Hyaloklasten entstanden durch Abschreckung der Laven in Meerwasser und zeugen heute noch von ihrer ursprünglichen Zusammensetzung.

Zugleich geben Spurenelemente wie Cer, Niob oder Rubidium Aufschluss über Herkunft und Entstehungsweise des Magmas. So sind die vulkanischen Gesteine der Inselbögen beispielsweise reicher an Rubidium als die Hot-Spot-Vulkane. Auch ist das Verhältnis des schweren Strontium-87- zum leichteren Strontium-86-Isotop hier höher.

Am Ätna zeigten diese chemischen Indikatoren, dass sich der Vulkan im Laufe der vergangenen 500 000 Jahre kontinuierlich veränderte und langsam aber sicher zu einem Inselbogen-Vulkan wird. Wo die zunehmend zäheren Magmen genau herkommen, darüber können die Forscher nur spekulieren, denn der Ätna findet sich nicht direkt über einer Subduktionszone. Die tektonischen Verhältnisse im Tyrrhenischen Beckens nördlich von Sizilien sind überaus kompliziert; vielleicht, so vermuten die Forscher, wird die Aufstiegszone der Mantelmagmen allmählich von der subduzierten Ionischen Platte verdrängt. Jedenfalls wird der Ätna in den nächsten paar Tausend Jahren wohl zunehmend störrischer und gefährlicher - und das ist keine gute Nachricht.

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