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News: Chemische Reaktionen durch ultrakurze Laserpulse

Die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Oberflächen und Grenzflächen sind von fundamentaler Bedeutung für viele Bereiche des täglichen Lebens, insbesondere durch technologische Anwendungen in der Halbleiter- und Mikroelektronik sowie der Katalyse. In den letzten Jahrzehnten wurden nur auf wenigen Gebieten der Wissenschaft derart große Fortschritte erzielt wie im Bereich der Oberflächenphysik, vor allem durch die Einführung der Rastersondenmikroskopie, welche die Beobachtung und Manipulation einzelner Atome an Oberflächen ermöglicht. Jedoch steckt das Verständnis der ultraschnellen zeitlichen Abläufe von Oberflächenprozessen noch in den Kinderschuhen. Die Zeitskalen und Mechanismen des Energieflusses zwischen Molekülen und Oberfläche bestimmen indes, wie und warum Oberflächen- Reaktionen ablaufen und bilden somit die Grundlage zum Verständnis der Oberflächenchemie.
Den Wissenschaftlern aus der Abteilung von Gerhard Ertl am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin ist es nun gelungen, einen direkten Einblick in die zeitlichen Abläufe von Oberflächen-Reaktionen zu gewinnen (Science vom 13. August 1999). Mittels ultrakurzen Laserpulsen konnten sie eine wichtige chemische Reaktion an Oberflächen auslösen, welche bei einfachem Heizen der Oberfläche nicht stattfindet: Ein neuer Reaktionsweg wird somit durch den Laserpuls "angeschaltet". Weiterhin konnten Geschwindigkeit und die Mechanismen des Energieflusses zwischen Molekülen und Oberfläche bestimmt werden. Analysiert wurde die Reaktion zwischen Kohlenmonoxid und Sauerstoff, adsorbiert auf einer Ruthenium-Oberfläche. Dabei wird Kohlendioxid gebildet, das als Gas entweicht:
CO(adsorbiert) + O(adsorbiert) -> CO2 (gas)
Diese Oberflächen-Reaktion ist sowohl von großer technologischer Bedeutung, zum Beispiel für die Abgasreinigung im Autokatalysator, als auch von grundlegendem wissenschaftlichen Interesse als Modellreaktion in der heterogenen Katalyse.

Da Oberflächenprozesse auf atomarer Ebene extrem schnell ablaufen, werden zur Untersuchung dieser Vorgänge Femtosekunden (fs) -Laserpulse verwendet. Dabei handelt es sich um extrem kurze Lichtblitze von 100 fs (10-13 Sekunden) Dauer. In dieser Zeit legt Licht mit 300 000 km/s eine Strecke von nur dreißig Mikrometern zurück, was ungefähr der Dicke eines Haares entspricht. Mit einem solchen Laserpuls kann nun eine chemische Reaktion ausgelöst werden und deren zeitliche Entwicklung mit einem zweiten Lichtpuls abgefragt werden, wobei wie in einem Film (das heißt Bild für Bild) "Blitzlicht"-Aufnahmen des Reaktionsablaufes für verschiedene Zeiten nach dem Reaktionsstart gemacht werden. Der Laserpuls wird vom Metall absorbiert, in welchem zwei Energiereservoirs zur Verfügung stehen, die Metall-Elektronen und die Schwingungen der Atome (sogenannte Gitterschwingungen). Jedoch nehmen zunächst nur die Elektronen die Energie des Laserpulses auf, wodurch sie sehr heiß werden und für kurze Zeit Temperaturen von mehreren tausend Kelvin über dem Schmelzpunkt des Metalls erreichen. Allerdings gleichen sich die Temperaturen der beiden Energiereservoirs innerhalb von nur zwei Pico-Sekunden (dem Zwanzigfachen der Laserpulsdauer) wieder auf deutlich niedrigerem Niveau aneinander an. Für den Ablauf chemischer Reaktionen ist es nun entscheidend, wie der Energietransfer zwischen dem Energiereservoir der Elektronen beziehungsweise dem der Gitterschwingungen und den Molekülen (Reaktanden) auf der Metalloberfläche erfolgt. Die kurze Zeitspanne, während der dieTemperaturen von Elektronen und Gitterschwingungen stark verschieden sind, wurde von den Berliner Forschern ausgenutzt, um zu unterscheiden, ob die Metallelektronen oder die Gitterschwingungen die Reaktion auslösen.

Im Gegensatz zur Anregung mit einem kurzen Laserpuls sind bei einem konventionellen Aufheizen der Oberfläche – zum Beispiel durch die Flamme eines Bunsenbrenners – die Temperaturen der Metallelektronen und der Gitterschwingungen immer im Gleichgewicht, so daß keine Möglichkeit besteht zu unterscheiden, welches Reservoir die Energie für die Reaktion bereitstellt. Wird die Ruthenium-Oberfläche mit CO und O bedeckt und einfach aufgeheizt, so beobachten die Wissenschaftler, daß keine Reaktion zwischen CO und O erfolgt und lediglich CO-Moleküle die Oberfläche verlassen. Die Sauerstoffatome dagegen verbleiben in diesem Fall auf der Oberfläche (wie im linken Teil der Illustration verdeutlicht).

Überraschenderweise wird nach Anregung der gleichen Oberfläche mit einem Femtosekunden-Laserpuls beobachtet, daß nun die Reaktion zwischen CO und O stattfindet und CO2 gebildet wird. Die treibende Kraft für diesen Prozeß ist der Energietransfer aus dem mit dem Laser aufgeheizten Reservoir heißer Elektronen in die Ruthenium-Sauerstoff-Bindung. Dabei wird die Ru-O-Bindung so stark geschwächt, daß die Reaktion mit einem benachbarten CO-Molekül erfolgt und CO2 die Oberfläche verläßt (wie im rechten Teil der Illustration gezeigt). Parallel hierzu findet, wie auch beim konventionellen Aufheizen der Oberfläche, die Desorption von CO statt. Somit steht der Prozeß der Oxidation in Konkurrenz zur Desorption, da keine Reaktion mit Sauerstoff mehr möglich ist, wenn alle CO-Moleküle desorbiert sind. Durch das ultraschnelle Heizen der Elektronen durch den Laserpuls und den schnellen Energietransfer in die Ru-O-Bindung (innerhalb von nur 500 fs) kann der Oxidationsprozeß dieses Wettrennen gewinnen, das heißt die Oxidation erfolgt wesentlich schneller als die Desorption, welche durch den (vergleichsweise langsamen) Energietransfer von den Gitterschwingungen ausgelöst wird. Daher wird ein neuer chemischer Reaktionspfad beschritten: Mit dem kurzen Laserpuls kann das chemische System in eine (reaktive) Konfiguration gebracht werden, die im thermischen Gleichgewicht nicht zugänglich ist.

Aus den experimentellen Daten und mit Hilfe von Modellrechnungen konnten die Forscher exakt bestimmen, wie der Energietransfer zwischen den heißen Elektronen im Metall und der Ru-O-Bindung stattfindet: Ein Elektron "hüpft" für extrem kurze Zeit (etwa 1 fs) vom Metall zum Sauerstoffatom und überträgt dabei Energie. Eine überraschende Konsequenz dieses Mechanismus spiegelt sich in der Beobachtung wider, daß für Sauerstoffatome mit leicht unterschiedlichen Massen (verschiedene Isotope) bei einer Änderung der Sauerstoffmasse um einen Faktor 1.25 die CO2-Ausbeute der Reaktion um einen Faktor 2.2 abnimmt.

Diese Arbeiten demonstrieren, daß Methoden zur Untersuchungen chemischer Reaktionen mit ultrakurzen Laserpulsen (welche bislang hauptsächlich in Gasen und Flüssigkeiten durchgeführt wurden) mit Erfolg auf das Gebiet der Oberflächenphysik übertragen werden können. Dadurch konnte gezeigt werden, daß heiße Elektronen chemische Reaktionen auslösen können. Dies steht im Gegensatz zum herkömmlichen Bild, in welchem die Energie für die Reaktion aus den Gitterschwingungen bereitgestellt wird. Die Berliner Wissenschaftler glauben, daß bislang die Bedeutung des Energietransfers durch Elektronen in katalytischen Reaktionen an Metallen unterschätzt wurde. In ihrem Experiment wurde sogar ein neuer Reaktionsweg durch Elektronenanregung ausgelöst. Weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet werden zu einer Vertiefung des Verständnisses chemischer Reaktionen auf der Ebene der Elektronen und Kerne führen, um effizientere (oder sogar neue) chemische Prozesse zu entwickeln.

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