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News: Chemisches Rechnen ist nicht ganz leicht

Wieder einmal sind die Wissenschaftler auf dem langen Weg zum chemischen Computer einen kleinen Schritt vorangekommen. Diese 'Rechner im Becherglas', bisher lediglich in den Köpfen optimistischer Chemiker präsent, benutzen Moleküle statt elektrischer Signale. Jetzt hat man Verbindungen gefunden, die zwei logische Operationen auf einmal ausführen können. Das 'chemische AND-NOT-Gatter' zum Beispiel sendet Licht aus, wenn wenn Calcium-Ionen UND ein bestimmtes organisches Moleküle anwesend sind, jedoch NICHT bei gleichzeitigem Vorhandensein von Sauerstoff.
Seit über 20 Jahren spukt die Idee der chemischen Computer durch die Welt der Forschung, aber bisher gelingt es den Molekülen noch nicht, eins und eins zusammenzuzählen. Dieser langsame Fortschritt hat jedoch verständliche Ursachen. Zwar klingt es relativ simpel, Informationen binär als 0 und 1 in Molekülen zu speichern, zur Verarbeitung jedoch braucht es, wie in der Elektronik, sogenannte logische Gatter. Ein NOT-Gatter zum Beispiel verkehrt ein Bit in sein Gegenteil, macht also aus dem Input 0 den Output 1 und umgekehrt. In der Elektronik werden solche Aufgaben von den Millionen Transistoren auf einem Prozessorchip wahrgenommen, wobei kaum noch jemand ernsthaft darüber nachdenkt. Überträgt man die Arbeit der logischen Gatter aber Molekülen, fangen die Probleme schon an. Zum Beispiel ist ein chemisches NOT-Gatter ein Molekül, das auf einen UV-Blitz mit der Aussendung sichtbaren Lichtes reagiert, wenn ein bestimmtes Molekül in seiner Umgebung nicht anwesend ist. Damit kann man schon einiges tun, zum Beispiel das Molekül mit einem geeigneten Rezeptor verknüpfen und damit das Blutzucker-Niveau oder Luftverschmutzungen beobachten. Zur Weiterverarbeitung übergibt man das in Form eines Lichtblitzes vorliegende Signal am besten wieder in die bewährten Hände der herkömmlichen Elektronik...

Genau das wollen die Anhänger des chemischen Computers natürlich nicht. Für eine wirkliche Signalverarbeitung mittels Molekülen muß man die einzelnen Gatter aber irgendwie zu komplexen Schaltungen verknüpfen. Der Output des einen Gatters muß also zum Input anderer werden. Keine leichte Aufgabe, wenn der Input aus chemischen Molekülen, der Output jedoch aus Licht besteht. Um das Problem zu umgehen, kann man Moleküle bauen, die mehrere Gatter in sich vereinigen. Mit zwei logischen Funktionen haben das Wissenschaftler von der Queens University im nordirischen Belfast schon erreicht. Ihr AND-NOT-Gattermolekül ist eine verzwickte Angelegenheit mit vier Carboxylgruppen, die glimmt, wenn Calcium-Ionen und gleichzeitig ein Cyclodextrinmolekül in der Lösung anwesend ist, unterläßt das Glimmen jedoch in Gegenwart von Sauerstoff.

Ein NOT-OR-Molekül andererseits besteht aus drei Ringen in einer Reihe, von denen die äußeren Rezeptoren für Protonen und Quecksilber haben und der mittlere bei UV-Bestrahlung Licht ausssendet, nicht jedoch, wenn einer der beiden Rezeptoren entweder Quecksilber oder Protonen in der Lösung bemerkt.

Der Leiter der Gruppe, Prasanna da Silva, hält seine Ergebnisse mehr für einen Beweis des Prinzips als alles andere. Bis zum chemischen Computer ist der Weg noch lang. Mehr und mehr logische Operationen in einem Molekül zu vereinigen, könnte recht kompliziert werden. Der Chemiker Fraser Stoddart von der University of California, Los Angeles, ist der Meinung, die Arbeit der Belfaster Gruppe habe eines der größten Probleme auf dem Weg zum chemischen Computer einen Schritt näher an die Lösung gebracht. "Das ist wirklich Wissenschaft, die sich bis an die Grenzen vortastet." sagt er.

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