Refugium: Chinesische Tempel schützen Bäume vor dem Aussterben

Seit Jahrtausenden bieten chinesische Heiligtümer ein Refugium für uralte Bäume, die teils zu Dutzenden gefährdeter Arten zählen. Einige jener Spezies sind in der freien Natur bereits ausgestorben, wie eine Untersuchung von fast 50 000 Bäumen ergab.
Die Fachleute um Li Huang von der Yunnan-Universität in Kunmin veröffentlichten ihre Studie am 4. Juni 2025 in »Current Biology«. Ihre Ergebnisse zeigen, wie kulturelle und religiöse Traditionen die Artenvielfalt bewahren können. Wissenschaftler könnten auf deren Grundlage neue Strategien zum Erhalt seltener Arten entwickeln.
Es sei ein Beispiel, »bei dem ökologische und spirituelle Werte zusammenkommen«, sagt Koautor und Naturschutzexperte Yongchuan Yang von der Universität Chongqing in China. Mehrere Baumarten wie der Ginkgo biloba gelten im Buddhismus und Taoismus als heilig und gedeihen daher in Heiligtümern – abgeschirmt vom menschlichen Walten, das außerhalb der Tempelmauern einen Rückgang des Baumbestands zur Folge hat.
Tempel als Refugium für seltene Baumarten
Yang und seine Kollegen stellten anhand von nationalen Verzeichnissen eine Datenbank mit 46 966 Bäumen zusammen, die älter als 100 Jahre sind und in Kulturlandschaften stehen. Zu Letzteren zählen 5125 buddhistische und 1420 taoistische Tempel. Die Bäume wiederum gehören 534 verschiedenen Arten an, von denen 61 als bedroht eingestuft werden. Diese Spezies umfassen auf der Liste der Forscher fast 6000 Bäume. Acht jener Baumspezies finden sich zudem nur auf Tempelgelände.
Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass alte Bäume viel häufiger in heiligen Stätten lokalisiert sind: Dort sei ihre Dichte mehr als 7000-mal höher als außerhalb der Heiligtümer und in der Natur. In Tempeln werden die Bäume überdies älter; dort erreichen sie ein Durchschnittsalter von 261 Jahren, während dieser Wert vor den Tempeltoren bei 203 Jahren liegt. Einige Bäume auf buddhistischem und taoistischem Grund existieren bereits seit zirka 2000 Jahren. Den Wissenschaftlern zufolge übernehmen diese Bäume eine wichtige ökologische Rolle: Sie tragen zum Nährstoffkreislauf bei, bieten Lebensraum für zahlreiche Tiere und fördern die Artenvielfalt.
Würde man nun noch das Erbgut jener Bäume, die an religiösen Stätten wachsen, mit der DNA übriger Populationen vergleichen, ließe sich feststellen, wie »genetisch vielfältig und somit widerstandsfähig« die bedrohten Arten sind, erklärt der Biologe Paul Smith von der Organisation Botanic Gardens Conservation International im englischen Kew.
Dem stimmt Yang zu. Er hofft, dass eine zukünftige Analyse der genetischen Vielfalt von Tempelbäumen wertvolle Informationen liefern wird und künftige Forschungen bessere Strategien zum Schutz der Bäume erbringen werden.

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