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News: Chlormethan aus dem Erdreich

Noch immer gelangen jährlich hunderttausende Tonnen fluorierter Chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in die Atmosphäre. Zusätzlich entweichen jedes Jahr viele tausend Tonnen halogenierter Methane aus anthropogenen Quellen in die Luft. Das sind leichtflüchtige organische Verbindungen, die Chlor, Jod oder Brom enthalten. Diese chemischen Verwandten der FCKW sind nach Ansicht vieler Wissenschaftler ebenfalls für die gefährliche Ausdünnung der Ozonschicht mitverantwortlich. Doch nicht nur der Mensch produziert halogenierte Methane - sein Anteil beträgt etwa ein Prozent. In der Natur entstehen bis zu einer Milliarde Tonnen dieser Gase. Und zwar nicht nur in den Ozeanen wie bisher angenommen, sondern auch abiotisch in den kontinentalen Böden.
Dass halogenierte Kohlenwasserstoffe nicht nur vom Menschen produziert und freigesetzt werden, sondern auch von der Natur selbst, war Wissenschaftlern schon lange bekannt – doch wussten sie nicht genau, wo, wie viel und auf welche Art und Weise. Konzentrationsmessungen über den Ozeanen ergaben bisher, dass Mikro- und Makroalgen die ozonabbauenden Methane biochemisch erzeugen. Ebenso ist bekannt, dass bestimmte holzzersetzende Pilze, brennende Biomasse und Vulkanausbrüche halogenierte Methane freisetzen.

Heinz-Friedrich Schöler und Frank Keppler vom Institut für Umweltgeochemie der Universität Heidelberg haben nun herausgefunden, dass die ozonschädigenden Substanzen auch auf abiotischem, also unbelebtem Wege fast überall in Böden entstehen. Es müssen lediglich genügend große Mengen an Huminstoffen, Wasser und dreiwertigem Eisen (Fe3+) vorhanden sein (Nature vom 20. Januar 2000).

Die Wissenschaftler hatten Wasser- und Bodenproben aus dem Naturschutzgebiet Rotwasser im hessischen Odenwald genommen und dabei verhältnismäßig hohe Konzentrationen an halogenierten Methanen, vor allem Chlormethan und Iodmethan – auch Methylchlorid oder Methyljodid genannt – gemessen. "Wir suchten ursprünglich nach Chloroform", erinnert sich Keppler. "Doch bei der gaschromatographischen Bestimmung eines unbekannten Bestandteils entdeckten wir, dass es sich um Iodmethan handelte. Da haben wir uns gefragt, woher das kommen könnte."

Um ihre Messungen zu überprüfen, nahmen die Wissenschaftler später zusätzlich Bodenproben im südchilenischen Patagonien und auf Hawaii, da diese Regionen fast völlig frei von Umweltverschmutzung sind. Damit wollten sie ausschließen, dass eventuelle gemessene Halogenmethane anthropogenen Ursprungs in den Boden gelangt sein könnten. Um herauszufinden, ob die Methane tatsächlich abiotisch gebildet werden, töteten die Forscher im Labor die Bodenorganismen unter Druck und bei 110 Grad Celsius ab. Doch nach wenigen Minuten begann das Bodenmaterial wieder, halogenierte Methane zu produzieren. "Das hat uns gezeigt, dass sich diese Substanzen im Erdboden abiotisch bilden," meint Schöler. "Weder Sonnenlicht noch mikrobiologische Aktivität ist hierfür nötig."

Keppler und Schöler untersuchten außerdem den Reaktionsmechanismus. Aus der Menge der vielen möglichen beteiligten organischen Verbindungen ermittelten sie die phenolische Verbindung Gujakol als einen Reaktanten, der zusammen mit Salzionen und dreiwertigem Eisen die Halogenmethane produziert. Dabei ist das Salz für die Art des Halogemethans entscheidend: Je nachdem in welcher Konzentration ein Halogen verfügbar ist, bildet sich mehr oder weniger Chlor-, Jod- und Brommethan. Fluormethan entsteht hingegen nicht – es kommt ausschließlich aus anthropogenen Quellen. Wichtig ist auch die Form des Eisens. Es muss dreiwertig vorliegen, um während der Reaktion zu seiner zweiwertigen Form reduziert zu werden. Demgemäß identifizierten die Forscher Ferrihydrit als Reaktionspartner, ein in Böden häufiges Eisenmineral.

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist es schwierig, die gesamte Menge der in den Böden produzierten halogenierten Methane und ihre Auswirkungen auf die Atmosphäre abzuschätzen. Doch Eisenredoxreaktionen gehören zu den häufigsten Bodenvorgängen, und Salze machen im terrestrischen Böden bis zu einem Prozent des Trockengewichts aus. Außerdem sind weltweit 1500 bis 2200 Milliarden Tonnen organischen Kohlenstoffs als Humus gespeichert. Diese großen Mengen an passenden Verbindungen ergeben ein großes Reaktionspotential. Schöler verweist aber zugleich darauf, dass sich halogenierte Kohlenwasserstoffe schon seit Hunderten von Millionen Jahren bilden. "Die Ozonschicht hingegen beobachtet der Mensch erst seit einigen Jahrzehnten."

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