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Cholesterin: Unbekannte Gefahr im Blut

Auch Menschen, die sehr gesund leben, können erblich bedingt enorm erhöhte Cholesterinwerte haben – ohne das zu wissen. Das steigert das Risiko, sogar in jungen Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden. Wie können sie vor der unsichtbaren Gefahr gewarnt werden?
Illustration von Blutkörperchen und Blutfetten
Zu den wichtigsten Blutfetten (Lipiden) zählen Cholesterin und Triglyzeride. Die Blutfette werden auf Grund ihrer Wasserunlöslichkeit als kleine Fetttröpfchen in Verbindung mit Eiweißmolekülen im Blut transportiert.

Als Benedikt Meyer vom Herzinfarkt seines Bruders hörte, konnte er es nicht fassen. Warum hatte es ausgerechnet ihn getroffen? Sein Bruder war zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt, ernährte sich gesund, war schlank, sportlich, Nichtraucher; wirklich niemand, bei dem man in diesem Alter ein Herzleiden vermuten würde. Er überlebte. Doch es dauerte nicht lange, bis Benedikt Meyer erfuhr: Auch er war wohl nicht weit entfernt von einem Herzinfarkt. Denn er trägt das gleiche krank machende Gen wie sein Bruder. Es verursacht erhöhte Werte des so genannten LDL-Cholesterins – und steigert massiv das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in relativ jungen Jahren. Was nur wenige wissen: In Deutschland betrifft das bis zu 300 000 Menschen.

Gutes Cholesterin, schlechtes Cholesterin

Die gesamte Cholesterin-Thematik ist recht verwirrend, vor allem die Begrifflichkeiten. So haben viele Menschen negative Assoziationen mit Cholesterin – dabei ist es lebensnotwendig und wird in jeder Zelle des Körpers benötigt (siehe »Was ist Cholesterin?«). Um das nicht wasserlösliche Lipid überhaupt über das Blut transportieren zu können, sind bestimmte Trägermoleküle, so genannte Lipoproteine, wie etwa das »low-density lipoprotein« (LDL), erforderlich. Es transportiert das Cholesterin gut verpackt als Paket von der Leber zu Zellen und Organen. Doch warum kann vor allem dieses LDL-Cholesterin gesundheitliche Probleme verursachen? Warum wird es als »schlechtes Cholesterin« bezeichnet?

Nun, das LDL hat die Aufgabe, das Cholesterin sicher zu den Zielzellen zu bringen. Dort angekommen, werden bestimmte Proteine auf der Oberfläche des Pakets erkannt – im Fall von LDL ist es das Apolipoprotein B-100 (Apo-B-100). Es bindet an den LDL-Rezeptor, woraufhin das Cholesterin in die jeweilige Zelle aufgenommen wird. So weit der Normalfall. Anders ist es, wenn zu viel LDL im Blut vorliegt: Dann wird nicht alles aufgenommen und kann sich in den Arterienwänden ablagern. Entsteht dadurch eine Verengung am Gefäß, nennt man dies auch Plaque. »Ein hoher LDL-Cholesterinwert ist auch ohne weitere Risikofaktoren in der Lage, eine Arteriosklerose zu verursachen«, sagt Ulrich Laufs, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. »Umgekehrt kann ohne LDL-Cholesterin keine Plaque entstehen.« Zusätzlich verlieren die Gefäße mit der Zeit ihre Elastizität. Sind die Herzkranzgefäße verengt, spricht man von der koronaren Herzkrankheit (KHK): Das Herz ist dann nicht mehr gut durchblutet, was zu Brustenge, Angina pectoris und Herzinfarkt führen kann.

Kritische Arteriosklerose | Dieses Blutgefäß ist schon fast völlig durch Ablagerungen blockiert. Zu viel schlechtes LDL-Cholesterin soll dafür verantwortlich sein, dass sich Plaques an den Zellwänden ablagern und den Blutstrom einengen. Verstopft der Pfropf schließlich das Gefäß vollständig, kommt es zum Infarkt.

Ein zweites Lipoprotein spielt ebenfalls eine große Rolle im Cholesterin-Wirrwarr: HDL, das »high-density lipoprotein«, befördert Cholesterin aus dem Gewebe zurück zur Leber, wo es abgebaut wird. Weil es also überschüssiges Cholesterin entfernt, ist es als »gutes Cholesterin« bekannt. Sowohl die Werte für LDL- als auch für HDL-Cholesterin werden von vielen Ärzten zur Diagnostik eingesetzt, um abzuschätzen, ob ein gesundheitliches Risiko für einen Patienten besteht.

Was ist Cholesterin?

Das Lipid Cholesterin ist lebenswichtig für den menschlichen Körper. Es ist ein elementarer Bestandteil von Zellmembranen und dient als Baustein für verschiedene Hormone. Der Großteil des benötigten Cholesterins wird von der Leber produziert, nur ein kleiner Teil stammt aus der Nahrung. Cholesterin ist nicht wasserlöslich. Um es im Blut zu transportieren, wird es in speziellen Paketen verpackt, mit Hilfe so genannter Lipoproteine. So entstehen Komplexe aus mehreren tausend verschiedenen Molekülen. Nur die Hälfte davon ist Cholesterin, der Rest besteht aus Fetten (Triglyzeriden) und Proteinen.

Das »low-density lipoprotein« (LDL) entsteht in der Leber und bringt Cholesterin über den Blutkreislauf zu den Körperzellen. Dort vermittelt das für LDL charakteristische Apolipoprotein B-100 (Apo-B-100) die Aufnahme des Cholesterins in die Zelle. Liegt LDL-Cholesterin jedoch im Überfluss vor, lagert es sich an den Gefäßen ab. Ein anderes Lipoprotein ist das »high-density lipoprotein« (HDL). Es entsteht ebenfalls in der Leber sowie im Darm und transportiert überschüssiges Cholesterin wieder zur Leber, wo es abgebaut wird. Umgangssprachlich wird LDL deshalb auch als »schlechtes Cholesterin« und HDL als »gutes Cholesterin« bezeichnet.

»Durch neue Erkenntnisse wird allerdings in Frage gestellt, ob HDL wirklich vor Herzinfarkten schützt«, sagt Stephan Baldus, Professor für Kardiologie und Direktor des Herzzentrums der Uniklinik Köln. Zwar zeigte sich in einer Studie mit mehr als 23 000 Probanden, dass bei weißen Personen ein niedriges HDL-Level mit einem höheren Risiko für Herzinfarkt einhergeht. Dieser Zusammenhang bestand aber nicht bei Afroamerikanern – und hohe HDL-Werte schützten weder in der einen noch der anderen Gruppe vor Infarkten. »Wir fokussieren deshalb für die Therapie auf die LDL-Werte«, sagt Stephan Baldus.

Genveränderungen sorgen für stark erhöhte LDL-Werte

Welche Bedeutung das LDL hat, wird besonders deutlich, wenn man Menschen betrachtet, bei denen genetisch bedingt die LDL-Konzentration im Blut verändert ist. Bei Benedikt Meyer und seinem Bruder sorgt ein verändertes Gen dafür, dass die LDL-Rezeptoren defekt sind. Deswegen können sie LDL schlechter binden, weshalb mehr davon im Blut verbleibt und sich in den Gefäßen ablagern kann – dann immer mit der Gefahr eines gefährlichen Verschlusses. Benedikt Meyer und sein Bruder haben familiäre Hypercholesterolämie (FH).

»LDL-Cholesterin ist sicherlich nicht der einzige Treiber der Arteriosklerose, insgesamt ist die Evidenz für seine schädliche Rolle aber erdrückend«Stephan Baldus, Kardiologe

Ursache für rund 85 bis 90 Prozent der FH-Fälle ist eine Mutation im Gen des LDL-Rezeptors. Es gibt jedoch noch weitere Mutationen, die dafür sorgen, dass die LDL-Cholesterinwerte gefährlich erhöht sind. So kann zum einen ein genetischer Defekt des Apolipoproteins B-100 vorliegen, so dass dieses nicht an den Rezeptor bindet. Dann bleibt ebenfalls mehr LDL im Blutstrom. Zum anderen kann ein bestimmtes Enzym betroffen sein, das ebenfalls am Fettstoffwechsel beteiligt ist: PCSK9 reguliert normalerweise den LDL-Cholesterinspiegel, indem es gezielt an den LDL-Rezeptor bindet. Das signalisiert der Zelle, diesen Rezeptor aufzunehmen und abzubauen. So kann weniger LDL-Cholesterin in die Zelle geschleust werden. Kommt es zu einer Mutation bei dem Enzym, gerät diese Regulation jedoch aus dem Gleichgewicht: Bestimmte Varianten von PCSK9 binden den LDL-Rezeptor sehr viel besser, so dass dieser vermehrt abgebaut wird und die LDL-Werte steigen.

»LDL-Cholesterin ist sicherlich nicht der einzige Treiber der Arteriosklerose, insgesamt ist die Evidenz für seine schädliche Rolle aber erdrückend«, sagt Stephan Baldus. »Das zeigt sich auch bei Menschen, deren Werte genetisch bedingt außergewöhnlich niedrig sind.« So gibt es wiederum Personen, bei denen das Enzym PCSK9 durch eine Mutation den LDL-Rezeptor nicht binden kann. Ihr LDL-Spiegel ist im Schnitt etwa 28 Prozent geringer. Mit deutlich positivem Effekt auf die Gesundheit: Eine Studie fand über 15 Jahre hinweg bei diesen Menschen ein um 88 Prozent verringertes Risiko für Herzkrankheiten im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne diese Mutation.

Auch die großen Studien zur medikamentösen Senkung des LDL-Cholesterins lassen kaum Zweifel, dass die Menge des Lipoproteins der entscheidende Faktor ist, der zur Arteriosklerose führt. Die klassischen Medikamente dafür sind Statine. Sie hemmen ein Enzym, das zur Herstellung von LDL, vornehmlich in Leberzellen, gebraucht wird. Dadurch wird einerseits die Menge an LDL direkt gesenkt – andererseits bewirkt dieser LDL-Mangel, dass die Zellen mehr LDL-Rezeptoren bilden, die dann vermehrt LDL-Cholesterin aus dem Blut entnehmen.

Ab welchen LDL-Werten Statine verschrieben werden sollten und inwiefern eine Einnahme zur Vorbeugung sinnvoll ist, darüber gibt es immer wieder Diskussionen. Sicher ist aber, dass Statine das LDL-Cholesterin deutlich reduzieren und das Risiko eines Herzinfarkts vermindern, das haben etliche Studien gezeigt. Zuletzt ergab auch eine große Metaanalyse, dass Statine die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt bei Menschen, die ein erhöhtes Risiko dafür besitzen, um 85 Prozent verringern. Auch andere Wirkstoffe, die LDL-Werte senken, mindern das Risiko von Herzinfarkten: etwa Bempedoinsäure und Antikörper, die das Enzym PCKS9 blockieren.

Mit der Ernährung gegensteuern?

Für Menschen wie Benedikt Meyer mit stark erhöhten LDL-Werten sind solche Medikamente lebenswichtig: Er nimmt täglich ein Statin kombiniert mit Ezetimib ein, einem Wirkstoff, der die Aufnahme von Cholesterin aus der Nahrung im Dünndarm hemmt. Studien haben gezeigt, dass diese Kombination die LDL-Werte zuverlässig senkt – und gleichzeitig auch das Risiko für kardiovaskuläre Vorfälle. Dass Ezetimib wirkt, ist zudem ein Hinweis darauf, dass auch die Ernährung relevant für die LDL-Werte ist, was ebenfalls immer mal wieder in Frage gestellt wird.

Cholesterin wird zu 80 Prozent vom Körper selbst in der Leber gebildet. Der Anteil, den Menschen über die Nahrung zu sich nehmen, ist also vergleichsweise gering. Dass eine Aufnahme von viel Cholesterin etwa durch den Verzehr von vielen Eiern nicht bedeutet, dass man automatisch zu viel LDL im Blut hat, haben verschiedene Studien gezeigt. Ein Freifahrtschein für cholesterinreiche Ernährung ergibt sich dadurch aber noch nicht.

Denn bei Menschen, die bereits einen hohen LDL-Spiegel haben, spielt die Ernährung – siehe Ezetimib – durchaus eine Rolle. Die Speisen können vor allem über einen Umweg den LDL-Wert erhöhen, und zwar über die Menge an gesättigten Fetten, die Menschen zu sich nehmen. Diese sind insbesondere in rotem Fleisch, Geflügel mit Haut, Butter, Palmöl und Kokosfett enthalten. Wer zuvor viel von diesen Nahrungsmitteln zu sich genommen hat, kann also durch eine Ernährungsumstellung dazu beitragen, seinen Cholesterinwert zu mindern.

»Es reicht meistens nicht, den Lebensstil umzustellen, um den LDL-Wert weit genug zu verringern«Stephan Baldus, Kardiologe

»Durch eine mediterrane Kost, also eine fleischarme Diät mit viel Fisch und Gemüse, die reich an ungesättigten Fettsäuren ist, lässt sich das LDL-Cholesterin senken«, sagt Stephan Baldus. Ungesättigte Fettsäuren erhält der Körper vor allem über pflanzliche Öle wie Oliven-, Raps- und Walnussöl oder auch fettreiche Fische wie Lachs, Hering und Makrele, die viele Omega-3-Fettsäuren liefern. »Aber es reicht meistens nicht, den Lebensstil umzustellen, um den LDL-Wert weit genug zu verringern. Man erreicht über eine Ernährungsumstellung bestenfalls fünf bis zehn Prozent Reduktion.« Bei Patienten mit kardiovaskulärem Risiko seien fast immer zusätzlich LDL-senkende Medikamente notwendig, so Baldus.

In einer – für alle Menschen mit hohen Cholesterinwerten sehr empfehlenswerten – Broschüre der Deutschen Herzstiftung heißt es, dass bei allen Menschen ein LDL-Zielwert von weniger als 115 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) ratsam ist. Bei hohem Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko sollte ein Zielwert von weniger als 70 mg/dl angestrebt werden. Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel Menschen mit ausgeprägtem Bluthochdruck, genetisch bedingten hohen Cholesterinwerten oder Raucher. Bei sehr hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Vorfälle wie etwa bei einer Diabetes- oder bereits vorhandener Herz-Kreislauf-Erkrankung sollte das Ziel ein LDL-Wert von weniger als 55 mg/dl sein. Benedikt Meyer hat derzeit einen Wert von 69 mg/dl, der jedes halbe Jahr kontrolliert wird.

Viele haben ein erhöhtes Risiko – wissen es aber nicht

Umfragen ergaben, dass selbst Hochrisikopatienten hier zu Lande oft LDL-Werte hatten, die doppelt so hoch waren wie empfohlen. Und die Mehrheit der Bevölkerung liegt jenseits der empfohlenen Grenzwerte. Viele davon sind sich dessen nicht bewusst. Dabei zeigt ein einfacher Bluttest, ob ein erhöhter LDL-Wert vorliegt. Und dieser kann so sowohl auf einen ernährungsbedingt erhöhten LDL-Spiegel als auch auf genetische Ursachen wie etwa eine familiäre Hypercholesterolämie hindeuten. Diese muss unbedingt frühzeitig erkannt und behandelt werden, will man einen Herzinfarkt vermeiden.

Bei der FH liegen die LDL-Werte bei mehr als 190 mg/dl. Um solche hohen Konzentrationen zu erreichen, genügt ein defektes LDL-Rezeptor-Gen. Kommen gar zwei mutierte Gene bei einem Menschen zusammen, erleben die Betroffenen kaum das Erwachsenenalter, wenn sie nicht Medikamente erhalten. Diese so genannte homozygote Form der Krankheit (HoFH) ist extrem selten, es gibt nur etwa einen Fall auf eine Million Einwohner. Von der heterozygoten Form sind in Deutschland hingegen etwa 170 000 bis 300 000 Menschen betroffen. »Die meisten wissen davon nichts«, sagt Stephan Baldus. FH ist eine der häufigsten genetischen Störungen mit einer Prävalenz von schätzungsweise 1 : 200 bis 1 : 500. Dennoch wird sie nur selten erkannt, meist erst nachdem der oder die Betroffene einen Herzinfarkt in relativ jungem Alter erlitten hat oder bei einer familiären Häufung von Infarkten. Lediglich in 15 Prozent der Fälle wird FH überhaupt diagnostiziert.

Verschiedene Pilotprojekte versuchen, dies zu ändern. In Bayern und Niedersachsen können Eltern bei ihren Kindern zwischen 5 und 14 Jahren im Rahmen von Routineuntersuchungen den LDL-Wert bestimmen lassen. Ist er erhöht, folgt ein Gentest. Und zeigt dieser einen Defekt im LDL-Rezeptor, werden die Familienmitglieder ebenfalls zu einem Test eingeladen – so können auch die Eltern oder Geschwister erreicht und behandelt werden. In Bayern wurden auf diese Weise bereits 160 betroffene Familien entdeckt.

Der Nachteil der Pilotprojekte: Genträger, die keine kleinen Kinder haben, werden so nicht gefunden. Auch David Nanchen, Professor an der Abteilung für Gesundheitsförderung und Prävention von der Université de Lausanne, ist davon überzeugt, dass noch zu wenige Menschen mit FH über ihre Erkrankung Bescheid wissen. Er hat im Rahmen einer Studie, die kurz vor dem Abschluss steht, 160 Menschen untersucht, die eine der drei bekannten Genmutationen hatten, die für familiäre Hypercholesterolämie verantwortlich sind. Zudem wurden Verdachtsfälle aus der Klinik genetisch getestet. Dabei fanden die Ärzte immer mindestens ein anderes Familienmitglied, das ebenfalls betroffen war. So wurde auch Benedikt Meyer als Risikoperson identifiziert.

David Nanchen möchte noch mehr Menschen über ihre mögliche FH-Erkrankung aufklären. Bislang konnten Ärzte betroffenen Patienten nur empfehlen, dass sie ihren Angehörigen dazu raten sollten, sich auch testen zu lassen. Doch: »Die Information über die FH wird oft nicht weitergegeben, und Ärzte dürfen wegen der Schweigepflicht niemanden über die Krankheit informieren«, sagt Nanchen. Im Mittelpunkt seines Projekts steht deshalb eine Informationsplattform: Über sie können Betroffene ihre Angehörigen einfach per SMS über ihre potenzielle FH-Erkrankung informieren. Registrieren diese sich anschließend, können die Ärzte sogar direkt mit den womöglich Betroffenen in Kontakt treten, um sie zu einem Test zu motivieren. Andere Länder sind da schon weiter: In den Niederlanden ist das so genannte Kaskaden-Screening auf FH bereits seit 2014 Teil der regulären Gesundheitsversorgung.

Gezielt behandeln – oder sogar heilen?

In Zukunft könnte die FH in manchen Fällen sogar geheilt werden. Es laufen erste Studien, das Gen für PCSK9 mit Hilfe einer Gentherapie zu verändern. So soll das gebildete Enzym daraufhin nicht mehr an den LDL-Rezeptor binden können und den LDL-Spiegel senken. Es wird dabei das gleiche Verfahren eingesetzt wie bei der ersten zugelassenen Genome-Editing-Therapie gegen die Sichelzellenanämie. Eine solche gezielte Gentherapie wurde schon in einer ersten Pilotstudie bei neun Personen mit FH durchgeführt. Diese hatten zuvor trotz einer maximal lipidsenkenden Therapie immer noch sehr gefährliche LDL-Werte von mehr als 200 mg/dl. Nach der Gentherapie hatten sich ihre LDL-Werte innerhalb eines Monats im Schnitt halbiert.

Die FH-Gentherapien stehen hier natürlich noch ganz am Anfang. Doch auch heutzutage gibt es schon sehr gute Therapieoptionen. »Wir haben bereits hervorragende Medikamente zur LDL-Senkung«, sagt Baldus. »Heute ist das größte Problem, dass wir viele Menschen mit zu hohen LDL-Werten nicht erreichen – diese Personen leben mit einem ständigen Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, das sich sehr leicht mit gut verträglichen Medikamenten senken ließe.«

Weiterer Risikofaktor: Lipoprotein(a)

Lipoprotein(a), kurz Lp(a) kann bei hohen Werten ebenso kardiovaskuläre Komplikationen verursachen. Es ähnelt strukturell LDL, besitzt allerdings neben dem Baustein Apo-B-100 auch das Glykoprotein Apo(a). Die genaue Funktion von Lp(a) im Körper ist noch nicht vollständig verstanden. Es scheint jedoch eine Rolle bei der Blutgerinnung, Wundheilung und Entzündungsreaktionen zu spielen.

Hohe Lp(a)-Spiegel ab rund 30 mg/dl sind mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden, denn Lp(a) hat nicht nur thrombosefördernde, sondern vor allem atherosklerosefördernde Eigenschaften. Die Konzentration des Lipoproteins ist weitgehend genetisch bestimmt und bleibt über das gesamte Leben relativ konstant. Ernährung oder körperliche Aktivität beeinflussen den Lp(a)-Spiegel nicht. Ein gesunder Lebensstil senkt aber womöglich weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Insbesondere familiär vorbelasteten Personen oder Menschen, die bereits in jüngeren Jahren kardiovaskuläre Ereignisse hatten, wird empfohlen, den Lp(a)-Wert bestimmen zu lassen.

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