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Chronobiologie: Wie Glutamat die Fortpflanzung von Bohnenwanzen steuert

Woher wissen Bohnenwanzen, wann es Zeit ist, Eier abzulegen? Offenbar zeigt der Botenstoff Glutamat ihrem Gehirn die Jahreszeiten an und beeinflusst ihren Fortpflanzungsrhythmus
Riptortus pedestris sitzt auf einem Blatt
Der Fortpflanzungszyklus der japanischen Bohnenwanze Riptortus pedestris ist jahreszeitenabhängig und wird über den Neurotransmitter Glutamat gesteuert.

Im Jahr 2017 erhielten drei US-Forscher den Medizin-Nobelpreis für ihre Forschung zur Funktionsweise der inneren Uhr. Die Biologen hatten bereits 1984 bewiesen, dass es ein Gen gibt, das den Biorhythmus von Lebewesen steuert. Es enthält den Bauplan für ein Protein, das sich nachts in der Zelle anhäuft und im Lauf des Tages wieder abgebaut wird. Nun haben japanische Wissenschaftler von der Universität Osaka herausgefunden, dass es auch ein Molekül gibt, das der biologischen Uhr die Jahreszeiten anzeigt.

In ihrer Studie, die in »PLOS Biology« veröffentlicht wurde, zeigen sie, dass eine Veränderung des Glutamatspiegels für die saisonale Regulierung der Fortpflanzung bei Bohnenwanzen (Riptortus pedestris) verantwortlich ist und die neuronale Aktivität steuert. »Frühere Studien haben gezeigt, dass Gene der zirkadianen Uhr nicht nur an der Regulierung täglicher Prozesse beteiligt sind, sondern auch an der Regulierung saisonaler Ereignisse, wie etwa der Fortpflanzung bei Insekten«, erklärt Masaharu Hasebe, Erstautor der Studie. Der Mechanismus, der diese Interaktion steuert, sei jedoch bislang unklar gewesen.

Um dieses Problem zu lösen, konzentrierten sich die Forscher auf Glutamat, einen Neurotransmitter, der im Gehirn vieler Tiere an der Übermittlung von Signalen beteiligt ist. Anhand von Bohnenwanzen, einem geeigneten Modellorganismus für die jahreszeitlichen Rhythmen, untersuchten sie die Veränderung des Glutamatspiegels im Gehirn unter verschiedenen Lichtbedingungen, die mit dem saisonalen Fortpflanzungszyklus in Verbindung gebracht werden.

Uhr-Gen steuert Glutamatspiegel

»Die Ergebnisse waren sehr eindeutig«, erklärt Sakiko Shiga, Endokrinologin und ebenfalls an der Studie beteiligt. »Die extrazellulären Glutamatspiegel im gesamten Gehirn waren unter Kurztagsbedingungen signifikant höher als unter Langtagsbedingungen. Als wir das Uhr-Gen abschalteten, sahen wir keinen Unterschied mehr.« Das hatte direkte Auswirkungen auf die Fortpflanzungsaktivität der Bohnenkäfer. Der Glutamatspiegel steuert offenbar die lichtabhängigen Reaktionen der Neurone im Gehirn der Insekten. Und eine Änderung der neuronalen Aktivität wirkt sich auf die Eiablage aus.

Konkret wiesen die Wissenschaftler nach, dass das Abschalten der Glutamat metabolisierenden Gene Glutamat-Oxaloacetat-Transaminase und Glutaminsynthetase die jahreszeitabhängigen Reaktionen der Bohnenwanzen bei der Fortpflanzung abschwächte.

»Da Glutamat bei Tieren, von Insekten bis hin zu Säugetieren, in großem Umfang als Neurotransmitter agiert, haben die Ergebnisse dieser Studie Auswirkungen über die Biologie der Bohnenwanzen hinaus«, schreiben die Studienautoren. Weitere Forschungsarbeiten, die die Beteiligung der Glutamatmoleküle an fotoperiodischen Reaktionen untersuchen, könnten zu einem besseren Verständnis der jahreszeitlichen Anpassung bei Tieren beitragen.

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